For what we Europeans have been doing around the world in the last 3,000 years we should be apologising for the next 3,000 years before starting to give moral lessons to people.
FIFA-Präsident Gianni Infantino zwei Tage vor dem Start der WM 2022 in Katar
Im Vorfeld der diesjährigen Fussball Weltmeisterschaft in Katar wurde viel Kritik laut. Der Grossteil davon kam zwar spät, war aber trotzdem sehr berechtigt. Wer etwas über die sehr fragwürdige Vergabe des Turniers an den Wüstenstaat erfahren möchte, dem sei die SRF-DOK FIFA – Das Monster empfohlen. So oder so wichtig fürs Verständnis: Abgesehen vom Exekutiv-Komitee der FIFA hat niemand endgültigen Einfluss auf die Wahl der Austragungsorte. Die Menschrechtsverletzungen im Rahmen des Aufbaus der Infrastruktur sind nicht von der Hand zu weisen und sie gingen auch bis kurz vor dem Start weiter, trotz anhaltender Kritik.
Gestern dann die total irritierende Rede des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino. Der hat inzwischen seinen offiziellen Wohnsitz nach Katar verlegt, weil er damit näher an der WM dran sei. Das hat in der Geschichte der FIFA noch kein Präsident gemacht. Nun kritisiert er die Kritiker. Und natürlich ist mehr als eine Prise Wahrheit mit drin in seiner Aussage. Europa blickt zurück auf eine Geschichte, die auch geprägt ist von Kolonialismus, Kreuzzügen, Sklavenhandel und Krieg. Aber: Man blickt eben zurück und hat seine Lehren für heute daraus gezogen. Und wenn in Europa heute ein Grossanlass ausgerichtet wird, dann muss man wohl schon fast mit der Lupe suchen, wenn man auch nur Spuren von Menschenrechtsverletzungen finden will. In Katar schaut es diesbezüglich etwas anders aus. Verlässliche Zahlen gibt es keine, die 15’000 Toten, die öfters genannt wurden, dürften nicht stimmen, die 3 Toten, die vom offiziellen Katar genannt werden aber bestimmt auch nicht.
Dass die sogenannten Arbeitsmigranten in den Golfstaaten unter miserablen Bedingungen arbeiten müssen und wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden, ist nicht neu. Dass Infantino jetzt die Kritik dieses Umstandes mit einem Heucheleivorwurf de facto verbieten will, entlarvt ihn selbst als Heuchler erster Güte. Doch es geht noch krasser, wie ein weiterer, bereits vielzitierter, Auszug aus seiner Rede zeigt:
Today I have strong feelings. Today I feel Qatari, I feel Arab, I feel African, I feel gay, I feel disabled, I feel a migrant worker.
Gianni Infantino, überprivilegierter Walliser mit Wohnsitz Katar
Wenn man dann so etwas liest, kann es zu leichter Übelkeit kommen, ich weiss. Infantinos Gehalt wird auf 2,7 Millionen geschätzt, sein Vermögen auf gut 20 Millionen. Ok, mit einer gehörigen Portion Sarkasmus könnte man noch sagen, er sei ein Arbeitsmigrant. Und vor dem Hintergrund, dass die arabische Welt so ein kleines bisschen schockiert ist ab der Kritik, die aus dem Westen auf sie einprasselt, kann man seine Solidaritätsbekundungen vielleicht besser einordnen.
Doch es wird nicht besser. Nur die FIFA ist für die Vergabe in dieses Land verantwortlich. Klar, die Länderverbände hätten danach mit dem Boykottieren des Turniers eine Möglichkeit gehabt, doch hat sich leider kein Land getraut, sein Team nicht an die WM zu schicken. Die WM ist halt trotz allem die WM. Niemals hätte man sie in dieses Land vergeben dürfen. In ein Land, das von Gleichberechtigung und Mindeststandards in Sachen Menschenrechten soweit entfernt ist wie die Erde vom Mond. Ein Land, in dem Homosexuelle als geisteskrank betrachtet werden. Es ist sogar so, dass ihnen Konsequenzen für ihre sexuelle Ausrichtung drohen, so diese erkannt werden sollte.
Es ist lächerlich, peinlich und einfach nur eine bodenlose Frechheit, dass Gianni Infantino uns nun auch noch verbieten will, diese Umstände zu kritisieren.
P.S. Die Netflix-Dokuserie FIFA Uncovered habe ich noch nicht geschaut. Gut möglich, dass da auch noch spannende Fakten mit dabei sind.