Der Sturm und die Schweiz

An wie viele Namen von Stürmen könnt ihr euch erinnern? Ja, klar Sandy und Katrina und so, aber ich meine hiesige. Mir persönlich fällt nur der legendäre Lothar ein. Schon mal überlegt weshalb das so sein könnte?

Ausnahmsweise gibt’s hier mal wieder was Persönliches zu lesen. Die Geschichte beginnt in der Nacht auf gestern. Homeland-guckend erschrecke ich ob dem plötzlich gegen die Fensterscheiben prasselnden Regen. So viel Wasser um diese Jahreszeit ist dann doch eher ungewöhnlich. Aber was soll’s.

Früh morgens stellt sich heraus: Der Regen war so heftig, dass es nun von der Decke tropft. In einem 400-jährigen Haus kann das schon mal passieren, würde man denken. Nein, kann es nicht. Jedenfalls nicht hier. Nur weil der Dachstock gerade ausgebaut wird, konnte sich das Wasser überhaupt einen Weg in die Wohnung bahnen. Für den Vermieter ist es selbtsverständlich, dass er dies reparieren lässt. Noch am Vormittag ruft mich der Architekt entschuldigenderweise an.

Dann gestern Abend. Nach dem Essen in einem Zürcher In-Lokal kommt der Sturm mit dem klingenden Namen Gonzalo richtig in Fahrt. Unter der Hardbrücke geniessen wir für einen Monent die schiere Naturkraft. Dann wird es selbst uns zu nass. Wir verziehen uns in die Bar am Fusse des Prime Tower. Als wir von drinnen beobachten, wie Stühle der Gartenbeiz weggewindet werden, staunen wir nicht schlecht. Es sind keine billigen, leichten Plastikstühle, sondern solche mit Metalluntergestell. Zwei Jungs vom Land nehmen ihr Herz in die Hand und sammeln im Getöse die Richtung befahrener Strasse treibenden Sitzgelegenheiten ein. Das Barpersonal ist erleichtert, dass jemand hilft. Auch die Kreis5-Züzis, Schwaben und Agglo-Möchtegerns bewegen sich schnell – um cüplisaufend von innen zu beobachten, wie draussen Tische auf den Kopf gestellt werden, damit diese nicht davon fliegen. Einer fliegt zum Schrecken der Bar-Insassen mit grosser Wucht und ebensolchem Knall gegen die raumhohe Fensterscheibe der Bar. Drinnen erspähe ich einen Schirm von Louis Vuitton.

Etwas später, der Sturm hat sich beruhigt, fahre ich auf der Autobahn nachhause. Das Wasser steht teilweise so hoch, dass ich aufgrund der an meinem Auto montierten Bereifung keine 120 fahren kann. Aquaplanning droht. Mit gut 100 komme ich aber angenehm flott voran.

In anderen Ländern wäre nach so einem Sturm gar nicht erst an Autofahren zu denken, weil die Strasse mancherorts einfach weg wäre. In anderen Ländern würde es auch in neueren Häusern tropfen. Ohne Umbau, ohne Sturm, einfach, weil die Bausubstanz miserabel ist. In anderen Ländern könnte man wohl gleich mehrere Stürme mit Namen aufzählen, weil man sich genau erinnern könnte, was sie einem geraubt haben.

Wir müssen uns nicht auf die Schultern klopfen und stolz zu sein brauchen wir auch nicht. Denn für Vieles können wir gar nichts. Es ist einfach Glück, dass wir ausgerechnet hier leben dürfen, wo auch ein solcher Sturm verhältnismässig wenig Zerstörung anrichtet.

Ach ja: In anderen Ländern würde man sich vielleich noch etwas mehr helfen beim Stühle-einsammeln. Und ja, die zwei Jungs vom Land waren wir.

9 Antworten auf „Der Sturm und die Schweiz“

  1. Passt! Ja, es war schon ziemlich viel Kraft in der Atmosphäre.

    (Das Gesetz sagt, dass man auf richtungsgetrennter Strasse innerhalb der überblickbaren Strecke anhalten können muss. Scheinwerfer im Dunkeln leuchten grad so 50m weit. Auf regennasser Strasse beträgt der Anhalteweg aus 100kmh über 50m. Oder: 100kmh sind auf der Autobahn in der Nacht eh nicht legal)

  2. Jein. Wiki weiss: «Die […] Plattform […] wurde zusammen mit Ford entwickelt. Neben den Volvo-Modellen S40 II, V50 und C70 II basieren auch die aktuellen Modelle des Ford Focus und Mazda3 sowie Mazda5 auf dieser Plattform.»
    Das Design ist hingegen schwedisch, und da gehört die Karosse auch dazu. Die Scheinwerfer sind vielleicht von Ford gebaut, aber von Volvo konstruiert – so dass sie viel Hell ins Dunkel bringen.

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