verliert die svp einmal mehr?

die verhinderer aus dem rechten lager scheinen einmal mehr den kürzeren zu ziehen. die abstimmung zur erweiterung der personenfreizügigkeit scheint nach ersten hochrechnungen mit zwischen 52 und 56 (oder sogar 59?) prozent ja-stimmen auszugehen. vielleicht sollte die svp ihre ewige kampagne der angst einmal überdenken und zu konstruktiveren mitteln greifen. auf der befürworterseite sollte man allerdings auch aufpassen, sich nicht von der art der kommunikation anstecken zu lassen.

aktuelle ja-stimmen:
ag 55,5%
ar 57,3%
bl 63,3%
gl 49,0%
gr 59,5%
nw 50,3%
ow 52,3%
sg 55,6%
sh 54,3%
so 57,8%
sz 43,4%
tg 56,6%
ur 51,8%
zg 59,2%

update: der kanton luzern nimmt mit 63,3% der stimmen an. danke luzern!
update 2: das mit den 63,3 prozent war offensichtlich falsch, aber 58,0% ist auch anständig.


[grafik: nzz.ch]

luc recordon ohne stimmen?

244 anwesend
121 absolutes mehr
leer 2
ungültig 1
hansjörg walter 109
ueli maurer 67
christoph blocher 54
diverse 11
luc recordon weniger als 10

seltsam ist, dass der kandidat der grünen luc recordon scheinbar keine stimmen erhalten hat. dagegen erhielt hansjörg walter (svp) 109 stimmen, obwohl er vor der wahl deutlich gesagt hat, eine allfällige wahl nicht anzunehmen. zählt man die stimmen für die beiden offiziellen kandidaten blocher und maurer zusammen, erhält man genau das absolute mehr von 121 stimmen. somit dürfte ueli maurer im zweiten wahlgang gewählt werden.

ueli maurer, die cvp und die nzz

ja, es geht wieder einmal rund in der politlandschaft schweiz. da mag auch die seriöseste aller schweizer zeitungen nicht hinten anstehen und schiesst schon mal übers ziel hinaus. aktuell lockt sie mit folgender eilmeldung:


klickt man darauf liest sich der titel schon ganz anders:

ja was jetzt? tatsächlich kann man dem artikel wohl glauben schenken:

Ueli Maurer hat in der CVP eine schwache Mehrheit, Christoph Blocher erhält gar keinen Sukkurs. Von 45 gültigen Wahlzetteln seien 23 auf Maurer entfallen und keiner auf Blocher, sagte Fraktionspräsident Urs Schwaller nach den Hearings mit den beiden Kandidaten.

wenn die svp clever wäre

nach dem, was letztes jahr passiert ist, könnte man ja meinen, die svp habe dazu gelernt. hat sie nicht. anstatt zwei wirklich wählbare kandidaten aufzustellen, kommt man mit diesem unsäglichen «zweierticket». der eine ist christoph blocher, also jener alt-bundesrat, den das parlament auf keinen fall zurück im bundesrat will. der andere ist ueli maurer, der für lange zeit im schatten von blocher stand und nun als eine art kopie des superreichen gilt. obwohl er wohl etwas menschlicher ist, vertritt er doch den gleichen stil, der die politiklandschaft in der schweiz in den letzten jahren nachhaltig vergiftet hat.

was aber, wenn das alles kühles kalkül der svp war? was, wenn die svp richtig clever ist? dann könnte sie doch schon im ersten wahlgang geschlossen ueli maurer wählen. da ich davon ausgehe, dass die fdp-fraktion das wohl tun wird und sich bei der cvp auch noch einige maurer-fans finden, hätte diese variante chancen. die linke seite dagegen wird sich wohl eine ähnliche mischung aus chaos und verschwörung erhoffen, die letztes jahr zur wahl von eveline widmer-schlumpf führte. dort würde man dann bestimmt recht blöd aus der wäsche gucken, wenn nach dem ersten wahlgang die wahl von ueli maurer feststehen würde.

doch mein szenario «clevere svp» wird wohl nicht stattfinden. der fanatismus um christoph blocher ist dazu viel zu vorherrschend. ich kann mich nicht erinnern, dass es in der schweiz schon einmal eine politische person gab, die dermassen gehyped wurde. es ist nicht übertrieben, ihn als charismatischen führer zu interpretieren, wie es in der geschichte einige in anderen ländern gegeben hat. er ist absolut unangefochtener geistiger anführer der rechten. das führt aber auch dazu, dass er nicht hinterfragt wird. kritik wird totgeschwiegen oder gar nicht erst geäussert. wäre das anders, so hätte man ihn bestimmt nicht erneut aufgestellt.

so muss sich die svp nicht wundern, wenn am ende keiner der beiden kandidaten – blocher wird in seiner eigenen sprache ja auch gern als «scheinkandidat» bezeichnet – gewählt wird.

bringt blocher als bundesratskandidaten!

ja, liebe svp schweiz, macht das bitte. wie ihr nicht müde werdet zu betonen, ist blocher scheinbar der einzige in eurer ach so riesigen partei, der den «sauladen in bern oben» so richtig aufräumen kann.

mal im ernst, glaubt ihr das echt? seid ihr euch nicht bewusst, dass genau diese neoliberale haltung blochers schuld an der aktuellen wirschaftsmisere ist? seht ihr nicht, dass er, der die ganze zeit die politsche elite kritisiert, nichts anderes ist als die personalisierte geldelite der schweiz? dass er dem volk nur dann nach dem maul redet, wenn es ihm hilft und ihm im nächsten augenblick wieder in den rücken fährt? dass er in sachen personenfreizügigkeit einen 180°-wende gemacht hat, ohne es wirklich zu rechtfertigen? sagt mal, seid ihr alle deppert bei der svp oder hat der typ euch irgendwie hypnotisiert?

bitte, bitte, bringt den christoph blocher in einer einzelkandidatur für die bundesratswahl im dezember. wie die – sicher nicht repräsentative – webumfrage der nzz ergeben hat, stösst blochers kandidatur auf so grosse ablehnung, dass er ganz bestimmt erneut eine niederlage einziehen würde. eine niederlage, die ich ihm von ganzem herzen gönnen würde. er, der der politischen kultur in der schweiz in wenigen jahren nachhaltig geschadet hat. er, der die schweiz im ausland lächerlich gemacht hat. er, der immer wieder die kollegialität im bundesrat mit füssen getreten hat.

bringt christoph blocher als einzelkandidatur, denn dann hat das parlament die chance, einen vernünftigen kandidaten zu wählen.

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jackpot
yoda

1. april im märz: nationalhymne im parlament

ich entschuldige mich gleich zwei mal: 1. dafür, dass ich heute etwas vom letzten donnerstag poste, 2. dafür, überhaupt etwas aus 20min zu posten.

die svp war doch immer die partei, die sagte, man müsse sich im parlament mit viel zu vielen unwichtigen motionen herumschlagen. here’s another one: die eingebürgerte svp-nationalrätin yvette estermann möchte, dass vor jeder session die 1. strophe der nationalhymne gesungen wird. ja, da sind die ganz grossen probleme, die unser parlament beschäftigen sollten. das ist grossartige oppositionspolitik. danke, svp!

estermann setzt dem aprilscherz-würdigen issue selbst die krone auf als sie meint: rätoromanisch sei gar nicht so schwierig und man solle doch alternierend in den verschiedenen landessprachen singen.

es besteht natürlich die möglichkeit, dass die gute (?) yvette besser rätoromanisch als deutsch kann… 😉

svp noch im trotzalter?

Wenn man ein politisches Amt bekleidet, sollte man aus dem Trotzalter heraus sein.
urs schumacher, präsident der svp sektion im berner seeland zum verhalten der svp bezüglich der zwei bundesräte.
nzz online

weltwoche 51/52 2007

wir waren helden so der klingende titel der einzigen weltwoche-ausgabe, die es sich 2007 zu kaufen lohnte. das könnte man auch über die weltwoche selbst sagen, war sie doch einst so eine art heldin im mediendschungel. die interview-ausgabe verunmöglicht es den svp-schreibern des rechtsaussenwochenmagazins allzu sehr daneben zu interpretieren. trotzdem hatte ein dümmlicher artikel von roger köppel noch platz. klar, der war wichtig, schliesslich wurde das idol vom thron gestossen. blocher ist nicht mehr bundesrat und das hat seine gefolgschaft noch immer nicht ganz verdaut. das noch genug schrott drin steht merkt man auch an hardmans blog, finden sich doch diverse mehr oder minder klug gewählte aussagenschnipsel in einen blogbeitrag verwurstelt.

ebenso findet sich eine alsglosse bezeichnete witzlosigkeit von andreas honegger (ehemaliger nzz-redaktor, zh-kantonsrat fdp), die mit der bösen eveline widmer-schlumpf aufzuräumen versucht.

das interview mit der der neo-bundesrätin wurde seitens der weltwoche gleich zu dritt angegangen. neben den bornierten profi-provokateuren engeler und köppel durfte auch yvonne staat mithelfen, möglichst suggestive fragen zu stellen. widmer-schlumpf verlor die contenance aber nicht, gab versierte und differenzierte antworten. dann auf der folgenden seite die unvermeidliche befragung des abgewählten. und siehe da, der polterer hat ein neues wort erfunden. nach den so populären scheininvaliden, ist nun an allem die scheinkonkordanz schuld. tatsächlich wird einmal mehr klar, was blocher ist: ein *scheindemokrat.*

aber zurück zur weltwoche. weiter geht es mit dem interview von frau uchtenhagen. die frau, die gar nie bundesrätin wurde. interessant ist vor allem, was hardman aus ihrer anwort auf die letzte frage gemacht hat.

weltwoche: ich sehe, ihren kampfgeist haben sie sich auch als beinahe 80-jährige bewahrt.

uchtenhagen: und wie! aber heute stehen für mich andere probleme im vordergrund, etwa die ausländerfeindlichkeit. die gleichstellungsthematik ist nicht mehr aktuell. frauen können sich heute nicht mehr darüber beklagen, dass sie schwierigkeiten haben, weil sie eine frau sind.

nun ratet mal, welchen teil der gute hardman zitiert hat. billig, billig.

es folgen viele interessante und ein paar langweilige interviews. alles in allem ist den machern ein spannendes stück wc-lektüre gelungen. besonders beeindruckt hat mich jenes mit tommie smith. das war der schwarze amerikaner, der 1968 bei den olympischen spielen auf dem siegespodest die faust ballte, um auf die anhaltende rassentrennung aufmerksam zu machen.

georg kohler über die abwahl des christoph b.

georg kohler ist professor für philosophie an der universität zürich. auf dem gebiet der politischen philosophie ist er auch den politikwissenschaftlern bekannt. im tagesanzeiger wurde seine einschätzung der abwahl von christoph blocher veröffentlicht. natürlich braucht er ein bisschen mehr worte als wir sie von 20min-artikeln kennen, dafür sind auch sehr viel mehr interessante ansätze darin enthalten. ich zitiere hier nur zwei mir sehr wichtig scheinende abschnitte. den gesamten text gibt es online auf tagesanzeiger.ch.

[…]

Das alles wird noch klarer, wenn man sich vor Augen führt, dass am 12. Dezember die Ausgangsposition der entscheidenden Wahlschlacht 29 zu 71, also für die SVP berechenbar nachteilig war. Was ich damit sagen will: Der überwiegende Teil derer, die zur Mitte (CVP und FDP) gehören, und zwar sowohl die Wählenden wie die Gewählten der Mitte, hatten mit ihrer Positionsnahme im Oktober auch gegen Blocher und die SVP gestimmt. Und bekanntlich eint nichts so sehr eine Gruppe von Menschen wie der gemeinsame Gegner (der es sich vor allem selbst zuzuschreiben hat, wenn er inzwischen fast zum «Feind» geworden ist).

[…]

Die schweizerische Demokratie liebt starke Männer und Frauen, aber sie hasst caesaristische Ansprüche und Attitüden.

[quelle: tagesanzeiger.ch]
gesehen bei lkm