Wenn Parteien TV machen

Nein, ich meine nicht die Selbstbeweihräucherungsanstalt Tele Blocher. Der Tagesanzeiger hat nach dem knappen Abstimmungsresultat beim RTVG (50,01% Ja) einen Schritt weiter gedacht und ein TV-Programm erstellt, wie es die Parteien präsentieren würden. Schliesslich steht uns die grosse Service-Public-Diskussion bevor, die eigentlich schon im Vorfeld zu ebenjener Abstimmung geführt wurde, obwohl der dort gar nicht zur Diskussion stand.

politTVGrafik: Tagesanzeiger

Nicht schlecht, Tagi, nicht schlecht.

umsetzung von initiativen

Beispiel Alpeninitiative: Sie war das Beste, was der Schweiz passieren konnte. Dank ihr wurde der Lastwagenverkehr effizienter. 40-Tönner ersetzten 28-Tonnen-Lastwagen. Schwere Camions bezahlen dank der Schwerverkehrsabgabe heute faktisch 5 Franken pro Liter Diesel. Mit den Rationalisierungsgewinnen finanzierte die Schweiz die beiden Neat-Tunnel. Darum reist man heute in zwei Stunden mit dem Zug von Zürich nach Brig. Die Alpeninitiative wurde nicht buchstabengetreu, aber umso intelligenter umgesetzt. Bei der Zweitwohnungsinitiative wird es vielleicht ähnlich sein.
wie so oft hat peter bodenmann eine eigene meinung. im interview mit dem tagesanzeiger äussert er sich zur zweitwohnungsinitiative.

merci an huby für den hinweis.

die leere drohung mit dem gang in die opposition

vor der wahl von gestern war sie wieder zu hören. die drohung mit dem gang in die opposition. ausgesprochen von der einmal mehr wählerstärksten partei der schweiz. jene partei, die sich heute wohl grün und blau ärgert, dass man eine fähige und durchaus genügend konservative gewählte bundesrätin aus der partei kickte. dass im zweifelsfall kompetenz durchaus vor konkordanz gehen kann, hat die gestrige wahl gezeigt.

die fdp als einzige verbündete der svp ist gestern mit kleinen unschönen ausnahmen ihrer ansage treu geblieben und hat nicht für frau widmer-schlumpf gestimmt. dass dies nicht für einen einzug eines zweiten svplers reichen würde, war mathematisch längst klar. dass die rechtsaussenpartei danach in einer trotzreaktion sämtliche andere sitze anzugreifen versuchte, machte ihre wahre motivation offensichtlicher. es ging wohl doch nicht um die herstellung der konkordanz, denn dann hätte man keinen anderen sitz angreifen dürfen. es ging nur um eine plumpe rache an der bündner bundesrätin.

wäre die svp cool und clever, sie hätte gestern noch eine chance für einen mini-coup gehabt. sie hätte bei der wahl des ersatzes von micheline calmy-rey nicht auf ihren eigenen kandidaten, der sowieso chancenlos war, setzen sollen. sie hätte, mitunter um der verfassung rechung zu tragen, sämtliche stimmen an frau carobbio geben sollen. das hätte nochmals eine echte und berechtigte diskussion um die vertretung der sprachregionen auslösen können. da es sowieso zu einem zweiten wahlgang gekommen wäre, hätte diese idee mit etwas geschickter diplomatie nach dem ersten durchaus chancen gehabt.

klar, für sich gewonnen hätte die svp so gar nichts. aber sie hätte nicht eine dermassen peinliche und unsportliche ertragene niederlage einstecken müssen.

heute steht man da und spricht wieder davon, wie man doch ein opfer dieser koalitionen sei. schon spricht man davon, dass man zu wenig hart gewesen sei. dabei begreift jeder, der sich den bundesrat anschaut, dass dort genau jene svp vertreter sitzen, die das parlament will. es ist genau der hardlinerkurs verbunden mit einem gelinde gesagt unschönen stil, der die svp in den vergangenen jahren viel kredit und vertrauen gekostet hat. die drohung mit dem gang in die opposition ist nicht nur wegen einem fehlenden rückzug des verbleibenden «echten» svp-bundesrates maurer eine leere. so wie die svp politisiert, ist sie trotz regierungsbeteiligung längst in der opposition angekommen. der erfolgreiche weg bezüglich einer breiteren abstützung im parlament führt also genau nicht in richtung hardlinertum, sondern in richtung mässigung.

populistische akw-gegner

nur stunden nach der sich anbahnenden katastrophe im japanischen fukushima meint man in der schweiz schon, man müsse aus dem fatalen unfall profit schlagen. für einmal sind es nicht die populisten von ganz rechts, sondern jene in der reihen der sp, die eine geradezu absurde forderung stellen.

das akw mühleberg müsse abgeschaltet werden meint die sp bern. ganz abgesehen davon, dass in der schweiz ein tsunami unmöglich und ein solch starkes erdbeben höchst unwahrscheinlich ist, erachte ich diese forderung zu dieser zeit vor allem als stil- und pietätlos. gerade im linken lager, wo man sich in der vergangenheit oft (zurecht) über stillose und teils undemokratische kampagnen von rechts beklagt, sollte man von solchem opportunistischem populismus nun wirklich absehen.

ich bin ganz bestimmt kein glühender verfechter der atomenergie. vor allem das abfallproblem ist noch immer höchst unbefriedigend bis gar nicht gelöst. und ich bin überzeugt, dass im bereich der alternativen energien dringend mehr investiert werden sollte. dennoch bin ich sicher, dass jetzt nicht die zeit für einen schnellschuss ist. und ganz sicher ist es falsch, auch bei baugleichen anlagen direkte schlüsse von japan auf die schweiz ziehen zu wollen. ich hoffe, auch die sp bern kommt wieder zur vernunft und legt bald einen machbaren plan für den atom-ausstieg vor, hinter dem man auch als denkender mensch stehen kann.

radikalisierung der parteien

ok, wenn das gewünscht wird, gebe ich nun doch noch meinen senf zum sp-parteiprogramm. aber nicht nur dazu.

im allgemeinen stelle ich ein jahr vor den wahlen eine radikalisierung der parteien fest. der ganze blödsinn wird selbstverständlich von der svp angeführt, die mal wieder ihr braunes süppchen kocht und im wesentlichen die klassische sündenbock-strategie fährt. die ausländer sind an allem schuld. und falls das volk dann wirklich mal merken sollte, dass das so nicht ganz stimmt, hat man mit dem thema «hochdeutsch sprechen im kindergarten» ein erstaunlich explosives mittelchen bereit. damit bleibt sie die partei des stammtischs, der denen in bern oben dann schon zeigen wird, wie man es recht macht.

da sich die mitteparteien weitgehend im tiefschlaf befinden, gibt es links von der svp enorm viel platz. also der richtige moment für die sp, mal wieder zwei, drei wähler zurückzugewinnen? könnte man meinen. das gegenteil ist der fall. indem man weiterhin «den kapitalismus überwinden» will, gibt man auch die schlauen positionen für eine sehr breites publikum schlicht der lächerlichkeit preis. hier wird also, um bei dem schönen bild zu bleiben, weiterhin richtig schön rot gekocht. randensuppe vielleicht? egal. anstatt sich derart rabiat zu äussern, hätte man ja auch diplomatisch von einer weiterentwicklung des kapitalismus in eine sozial gerechtere variante sprechen können. schliesslich gibt es genügend themen, die man direkt an ein solch nicht ganz so extrem formuliertes credo hätte andocken können. wer die aktuelle krankenkassenprämienerhöhung liest, kennt mindestens ein beispiel für ein klassisches sp-thema. doch wie gesagt widmet man sich lieber den einstigen idealen statt anstehenden sachfragen. schade.

wenn ich vorhin gesagt habe, die politische mitte sei im tiefschlaf, so stimmt das natürlich nicht ganz. genau genommen gilt das nur für die fdp, die unter den letzten drei, vier präsidenten immer mehr an profil verloren hat. die cvp schliesst sich dem trend zu radikalisierung an und erinnert sich an ihren ersten buchstaben. darum will man in zukunft die kreuze in der öffentlichkeit durch die verfassung geschützt wissen. parteipräsident darbellay lässt sich sogar zur idiotischen aussage hinreissen, dass eine «dogmatische säkularisierung» gefährlich sei.

unter dem strich: die svp wird immer rechter, die sp wird immer linker und die cvp wird immer religiöser. vielleicht können relativ kleine parteien wie die grünliberalen von der radikalisierung der anderen profitieren. bleibt zu hoffen, dass sie sich von diesem dem konstruktiven politischen dialog wenig förderlichen blödsinn distanzieren.

kein anlass zu misstrauen

es ist schon interessant: es ist noch nicht lange her, da schrien alle parteien von ganz links bis ganz rechts, wie schlimm doch diese finanzkrise sei. zweifellos, das ist sie auch. es ging nicht lange, da standen erneut die boni und spitzengehälter der banker im rampenlicht. auch hier war man sich einig: es muss sich was ändern. ein paar monate später braucht die ubs definitiv staatshilfe. da könnte man meinen, sei der optimale zeitpunkt gekommen, einfluss auf löhne und boni zu nehmen. doch die vormals lauthals schreienden politiker wurden ziemlich still, zögerten aber nicht, von ihrem stimmrecht gebrauch zu machen.

die ideen der sp-parlamentarier:
– höchstlohn von einer million chf.abgelehnt
– keine boni, solange der bund mit kapital unterstützend dabei ist.abgelehnt
– keine dividenden solange der bund ein darlehen gewährt.abgelehnt
– rückforderung von geschäftsleitungs- und verwaltugnsratslöhnen.abgelehnt
– keine parteispenden, solange die ubs geld vom bund erhält.abgelehnt

abgesehen von der sp hat also keine partei einernsthaftes interesse daran, die löhne oder boni zu limitieren. interessant. fdp-präsident pelli setzt dem ganzen noch die krone auf: diskussionen über alternativmodelle seien sowieso nur parteiideologisch motiviert, für die galerie und überhaupt würden sie misstrauen schüren. doch zu misstrauen gäbe es keinen anlass. wow.

die waffe auto

ja, es geht wieder um die raser-debatte. sorry.

aufgeschreckt von diesem grenzwertigen blogeintrag muss ich wieder mal meinen senf zum thema loswerden. es gibt einige punkte, die mich derzeit beschäftigen. ich werde mal versuchen, das ganze etwas zu ordnen.

– waffe. die in diesen tagen oftmals gewählte analogie mit einer waffe ist nicht zulässig. das erinnert mich sehr an mein gespräch zum waffenlosen armeedienst damals vor der uc. die analogie funktioniert deshalb nicht, weil es der primäre zweck einer schusswaffe ist, zu töten. der primäre zweck eines autos ist der transport von personen. ein auto wird auch dann nicht zur waffe, wenn ein sogenannter raserunfall vonstatten geht. dazu müsste man schon gezielt auf jemanden zufahren.

raser-initative. scheinbar leben wir in einer zeit, in der man das gesetz (bzw. die verfassung) mit überflüssigen und teilweise die menschenrechte verletzenden paragraphen vollmüllen möchte. so ein bisschen nach dem motto: «straftaten, die ich sowieso nie begehen werde, könnten ruhig mit der todesstrafe bestraft werden.» insofern ist es äusserst enttäuschend, das mit daniel jositsch einer, der es besser wissen müsste, eine solche iniative unterstützt.

Wer mit grobfahrlässigem Rasen jemanden tötet, soll mindestens zwei Jahre hinter Gitter. Bedingte Strafen wären in solchen Fällen nicht mehr möglich. Wer grobfahrlässig jemanden verletzt, würde mindestens ein Jahr kriegen.

der ausschnitt aus dem tagi-artikel zeigt eine der möglichen massnahmen. bedingte strafen generell auszuschliessen scheint mir der falsche weg zu sein. ausserdem zweifle ich stark an der wirkung derartiger strafverschärfungen.

– gutmenschen. wer hat eigentlich angefangen, diesen begriff negativ zu konnotieren? also ich nehme es als kompliment als solcher bezeichnet zu werden. nehmen wir den folgenden vorschlag, der nicht aus der raserinitative stammt, als massnahme zur bekämpfung des «raserproblems»:

Ausländer und frisch Eingebürgerte (bis 5 Jahre danach), welche rasen, werden postwendend nach der Verbüssung allfälliger Haftstrafen ausgeschafft. Ohne Gnade.

macht es mich zum gutmenschen, wenn ich sage, dass ein eingebürgerter mensch als schweizer zu behandeln ist? und zwar unabhängig davon, ob er gestern oder vor 20 jahren eingebürgert wurde.

– alkoholverbot für neulenker. auch das ist ein vorschlag, der in der im frühling zu erwartenden «raserinitiative» steckt. dazu habe ich mich schon vor eineinhalb jahren geäussert. ich halte rein gar nichts davon, dass man die neulenker in dieser beziehung härter angeht. wenn, dann soll ein totales alkoholverbot alle fahrer treffen. mir war sowieso nie klar, warum man mit einer begrenzten menge alkohol im blut fahren darf.

moritz leuenberger macht noch 10 jahre weiter

die 10. frage eines von der zeitung nicht veröffentlichten sonntagszeitungs-interview lautete:

Werden Sie bei der nächsten Konzessionsvergabe in zehn Jahren noch Medienminister sein?

die antwort des sp-bundesrates kommt kurz und bündig:

Ja, selbstverständlich.

das ganze interview, welches der sonntagszeitung offenbar auf einmal unheimlich wurde, findet sich auf dem blog von moritz leuenberger. also ich freue mich auf zehn weitere jahre mit solchen antworten in interviews… 😉

typisch schweizerisch

Hüten wir uns aber, «typisch Schweizerisches» zu einem Klischee erstarren zu lassen. «Typisch schweizerisch» ist nicht die Bewahrung eines idealisierten und erstarrten Urbildes, sondern bedeutet, den grundsätzlichen, tiefen Gehalt der direkten Demokratie überall wahrzunehmen, auch weltweit. Die Grundidee unseres Systems ist, dass Alle teilnehmen können und sich einsetzen sollen. Statt Angst zu haben, dass unsere Eigenheiten gefährdet werden könnten, sollten wir unsere Teilnahme an der Weltgemeinschaft als eine logische Fortsetzung unserer Überzeugungen verstehen. Wir tun das im Rahmen der UNO: Menschenrechtsrat in Genf, Vermittlungsrolle in vielen Konflikten. Wir werden unser Verhältnis zur EU auch immer wieder unter diesem Aspekt überprüfen müssen. Gegen die Solidarität mit den neuen EU-Ländern Rumänien und Bulgarien ist das Referendum bereits angekündigt worden und wir wissen noch nicht, welche Parteien welche Parolen beschliessen werden, (selbst wenn sie selber das Referendum nicht unterstützen). Wir wissen auch noch nicht, wer die Referendumskampagne mit welchen Mitteln finanzieren wird. Bedenken wir: Mit den Beitragszahlungen an die beiden neuen Länder steht auch unser ganzer bilateraler Weg mit der EU zur Diskussion. Wir können uns eine weitere Isolation unseres Landes nicht leisten, nicht nur wirtschaftlich nicht, sondern auch politisch nicht. Schon heute fragen wir uns, warum Kolumbien unsere Unterhändler für die Geiselbefreiung kritisiert, nicht aber diejenigen der EU-Mitglieder Spanien oder Frankreich. Und wieso gerät gerade die Schweiz für die rechtstaatliche Verhaftung des Sohnes von Ghaddafi unter Druck, während Libyen kein Aufhebens machte, als Hannibal in zwei EU-Staaten mit dem Gesetz in die Quere kam (2001 Festnahme in Italien wegen einer Prügelei, 2004 Verurteilung wegen Gewalt und unerlaubtem Waffenbesitz in Frankreich)? Wenn wir schon nicht Mitglieder der EU sind, so ist es doch unter keinen Umständen denkbar, dass wir nicht einmal bilateral mit ihr verbunden bleiben. Solidarität müssen wir uns gegenseitig erbringen, denn auch wir sind darauf angewiesen. Diese Erkenntnis haben wir in vielen Volksabstimmungen regelmässig immer wieder zum Ausdruck gebracht und ihr müssen wir uns in unserer direkten Demokratie weiterhin verpflichten.
ausschnitt aus der 1.-augustrede von moritz leuenberger.

gerangel um den ueli-verhinderungs-platz

richtig peinlich ist er, der kampf um den einen platz, den eine kandidatin für den zweiten zürcher ständeratssitz einnehmen möchte. sowohl verena diener (glp – grünliberale) als auch chantal galladé (sp – sozialdemokraten) möchten verhindern, dass a) svp-mann maurer den zweiten zürcher sitz bekommt und dass b) der andere ueli, der schlüer nämlich, wieder in den nationalrat nachrutscht. aktuell ist der arme nämlich abgewählt. der tagi hat die situation der sp gestern recht treffend mit einer karikatur bedacht.

es versteht sich von selbst, dass verena diener die weitaus besseren chancen hätte, den verbleibenden sitz zu schnappen. warum? im gegensatz zu galladé bringt sie eine enorme erfahrung mit. sie ist viel weniger weit links ausgerichtet, was sich nicht zuletzt auch in ihrem wechsel von der grünen zur grünliberalen partei manifestiert. selbst, wenn diener am linken rand nicht allzu viele stimmen holen würde, könnte sie immer noch auf eine breite unterstützung der mitte-wähler vertrauen. wenn beide, oder nur galladé kandidieren ist eigentlich klar, was passiert: der horror nimmt seinen lauf.

corinnes beitrag zu diesem affentanz