ist die direkte demokratie gescheitert?

Beunruhigend jedoch ist, dass nach dem Minarettverbot in der Schweiz jetzt schon zum zweiten Mal offen Ausländerfeindliches in Recht und Gesetz eingeht. Könnte sein, dass hier direkte Demokratie am Fremdenhass scheitert.
irene brickner, kommentar, der standard.

es könnte schon sein, dass die scapegoat-praktiken der svp in ihrer populistischen, fremdenfeindlichen art schlussendlich unser ganzes system der direkten demokratie in frage stellen. wenn die mehrheit ständig zuungunsten von minderheiten drastische regeln auf legale weise einführen kann, rüttelt man am einst so vorbildlichen minderheitenschutz unseres landes. peter bichsel mag etwas gar schwarz malen, aber im endeffekt ist der svp auf ihrem weg zur totalen macht in der schweiz offenbar jedes legale mittel recht. moralische bedenken, ja unsere eigenen werte, spielen eindeutig keine rolle mehr. jene werte, die doch gerade vor einem jahr mit dem bauverbot für gewisse türmchen hätten gestärkt werden sollen. es bleibt höchstens die frage, wie lange man das bislang sehr ergiebige feld des rassismus› noch weiter beackern kann, um noch anteile dazu zu gewinnen. oder wird es irgendwann einen moment geben, in der sich die masse von der reinen sündenbockschiene abwendet? nur dann hat die direkte demokratie noch eine chance.

samuel eto’o antwortet mit tor


samuel eto’o in den farben des fc barcelona

beim spiel gegen cagliari calcio wurden die dunkelhäutigen inter-fussballer eto’o, maicon und biabiany rassistisch beschimpft. der schiedsrichter unterbrach das spiel daraufhin nach nur drei minuten, mit der drohung ganz abzubrechen. schliesslich erzielte samuel eto’o in der 39. minute das siegestor für die internazionale milano – die richtige antwort.

spiegel online

das weisse schaf – nomen est omen?

seit längerem hat’s mich gestern abend wieder mal in die luzerner ausgangsszene verschlagen. später wusste ich dann auch, wieso ich da eigentlich so selten hin gehe. es war ziemlich genau halb eins, als ich das weisse schaf – eine hübsche bar beim bahnhof – betreten wollte. das lokal war, wie man von aussen durch die schaufenster sehen konnte, einigermassen gut gefüllt. da ich drinnen einige leute kannte, wollte ich trotzdem kurz rein. ok, früher hätte man geradewegen einer gut gefüllten bar auch noch hinein wollen. aber diese zeiten sind ja definitiv vorbei. egal, jedenfalls stoppte mich der türsteher mit den worten: «schn nur für stammgäscht!» völlig perplex wendete ich mich ab, um zu sehen, wie laufend leute das lokal betreten durften. alles stammgäste? come on! tatsächlich wurde ausser mir niemandem der eintritt verwehrt. mit dem kleinen feinen unterschied natürlich, dass alle eintretenden weisse haut hatten.

schliesslich gesellten sich einige bekannte von drinnen zu mir raus. sie konnten gar nicht glauben, dass ich nicht rein durfte. selbst keine regulars im weissen schaf, kam ihnen das argument mit den «stammgästen» reichlich spanisch vor. obwohl ich nicht wollte, überzeugten mich zwei von ihnen, zusammen mit ihnen einen weiteren versuch zu wagen. natürlich liess der türsteher die beiden ohne murren hinein. bei mir fuhr er dann wieder seinen arm raus. da half auch wirklich intensives nachhaken einer freundin nichts.

anscheinend ist «weisses schaf» inzwischen mehr als nur der name der bar. 😉

2009 – my best of

und wieder ist ein jahr um. also wird es zeit, meine topthrees von 2009 zu krönen. 2005 und 2006, 2007, und 2008 und deren ranglisten findet man natürlich weiterhin online. im jahr 2009 war ich nur 31 mal im kino, was unter anderem auch mit der miesen sprachpolitik der kitag zu tun hat. andererseits kamen auch dieses jahr ein paar richtig gute streifen in die kinosäle. in sachen musik war sicher milow der grosse abräumer, der nicht nur das cover ayo technology sondern gleich ein ganzes album voll mit gefühlvollem sound abgeliefert hat. sportlich war natürlich das barrage-rückspiel des fc luzern mein highlight, nachdem ich zuvor die schmach im cornaredo miterlebt hatte. bei den autos wartet man immer noch auf die grosse elektrifizierung. bis dahin küre ich mal den kompakten bmw 123d zu meinem lieblingsauto 2009 und freue mich auf zahlreiche neuerscheinungen 2010. mal sehen, was wir für zündung.ch so alles fahren dürfen.

– movies
1. inglourious basterds – ein echter tarantino – it’s a bingo!
2. slumdog millionaire – farbig, traurig, fröhlich, verstörend… brilliant!
3. gran torino – clint eastwood als grantiger alter mann mit starkem sinn für gerechtigkeit. weltklasse.
auch gut: the curios case of benjamin button, milk, doubt, [frost / nixon,|http://watashi.amade.ch/history/forum/5566 the international, defiance, district 9, machan, up.
bester comic-verfilmung: the watchmen.
lustigste komödie mit ernster botschaft: bruno.
bester michael-jackson-film: this is it.

– songs
1. ayo technology von milow
2. uprising von muse
3. 21 guns von green day
auch gut: the funeral von der band of horses, hippiekacke von ian constable und save us all von jeff austin black.

– alben
1. the resistance von muse – von rockig bis hymnisch einfach nur grossartig.
2. 21st century breakdown von green day – wenn punk zu pop wird ist das nicht nur schlecht. im gegenteil. phänomenales konzert im hallenstadion.
3. give me fire von mando diao
ebenfalls grossartig: this is war von 30 seconds to mars.
beste best of: up to now von snow patrol mit zwei versionen von run.

-sportveranstaltungen
1. fc luzern vs. fc lugano 5:0 – im barragerückspiel wurde der ligaerhalt auch dank eines phänomenal spielenden davide chiumiento realisiert. es war auch das letzte spiel auf der luzerner allmend.
2. fc luzern vs. fc basel 4:5 – es sind genau solche spiele, für die es sich lohnt fussballfan zu sein.
3.der fc barcelona gewint die champions league – und den cup und die meisterschaft und….
auch gut: fc barcelona vs. olympique lyonnais 5:2 live im stadion, jenson button wird weltmeister, usain bolt verbessert den 100m-weltrekord auf 9,58, roger federer gewinnt endlich das french open.

– cars
1. bmw 123d – ein diesel das beste auto des jahres? yep!
2. ford focus rs – so gut kann frontantrieb sein.
3. lamborghini gallardo lp 560-2 valentino balboni
auch gut: lotus europa 807 hemi, lincoln concept c, abarth 500, [alfa romeo sz & lancia delta integrale 8v im doppeltest,|http://watashi.amade.ch/history/forum/5693 lada 2105 gladkov edition, audi r8 v10, vauxhall vxr8 bathurst, citroën ds3, bmw vision efficitient dynamics concept, lexus lf-ch, vier elektroautos von renault, toyota ft-86 concept, bmw z4 sdrive 23i.
ambivalentestes fahrerlebnis: bmw x6.
bester event: goodwood festival of speed, we’ll be back!

– newcomer
1. burim kukeli – nach langen verletzungspausen kann die sympathische nummer 22 endlich durchspielen. und wie!
2. jenson button – ok, neu ist der nicht, aber als siegfahrer und weltmeister eben schon.
3. faht mit dem hovercraft in portsmouth – ok, selbst gefahren sind wir natürlich nicht. aber schon die mitfahrt war ein wahnsinnserlebnis.
auch neu: [mc laren versucht sich (wieder) als autohersteller,|http://watashi.amade.ch/history/forum/5942 kamui kobayashi überzeugt mit zwei beherzten auftritten in der formel 1 und ergattert sich eine platz beim sauber team, ich am blogcamp.

– enttäuschungen
1. annahme der minarettinitiative – rassismus und unwissenheit siegen.
2. bmw lässt sauber fallen – einfach nur peinlich.
3.religionsfreiheit in gefahr – atheisten dürfen ihre plakate vielerorts nicht aufhängen.
auch schlecht: unsportliches verhalten von ciriaco sforza nach dem «becherwurf», auto-übergabe bei nissan progress, harley davidson schliesst buell, ueli gegenschatz stirbt, immer mehr synchronisierte filme in luzern, rassismus im italienischen fussball, umgang mit schwulen in uganda, miserables spiel der schweizer nati gegen israel zur wm-qualifikation, [die orange/sunrise fusion verunmöglicht echten wettbewerb im schweizer mobilfunkmarkt,|http://watashi.amade.ch/history/forum/6119 samuel eto’o verlässt den fc barcelona.

– blog-beiträge
1. rassismus in der schweiz – interviews mit debora amacker, burim kukeli und raphael bachmann.
2. the day after – ein paar gedanken am tag nach der annahme der minarettinitiative.
3. geheimtipps für barcelona – der kleine reiseführer für den barça-neuling.
auch interessant: erlebnisse in israel, mac vs. pc – ein notebookvergleich, anleitung fürs «time-lapsen» mit der canon 50d, ferien und ferien, avis london luton und die congestion charge, die schweiz wird aufgeteilt, kakapo, was ist mit roger köppel los?, raucher und das rauchverbot, diese apps machen mein phone special, [iphone mit über 50% marktanteil.|http://watashi.amade.ch/history/forum/6179

die bösen italiener

für alle, die stets wiederholen, die integration der italiener sei damals viel reibungsloser abgelaufen hat die nzz einen spannenden artikel parat.

[…] Bald war die Rede von Überfremdung – die Italiener könnten sich in der Schweiz nie integrieren, die Kultur der südlichen Nachbarn sei niemals vereinbar mit der eigenen, hiess es mahnend.

[…] Vor dem Ersten Weltkrieg erreichten die Klagen wegen drohender «Überfremdung» ihren Höhepunkt. Schwarzmaler rechneten aus, dass die Schweizer in ihrem eigenen Land bald in der Minderheit sein würden.

bin ich der einzige, oder kommt das euch auch irgendwie bekannt vor? mittlerweile gibt es wohl keinen schweizer, der nicht einen freund oder bekannten hat, der von italienischen einwanderern abstammt. ganz zu schweigen davon, dass wir alle pizza und spaghetti lieben. fremdes ist bekannt geworden. die ängste sind weg. allerdings ist dieser prozess offensichtlich sehr lang andauernd.

raphael bachmann – rassismus in der schweiz

raphael bachmann wurde 1981 in kegalle (sri lanka) geboren. nach drei tagen wurde er in einem waisenhaus in colombo von seinen adoptiveltern in empfang genommen. aufgewachsen ist er in neftenbach, wo er die schule durchlief. seine beiden schwestern wurden ebenfalls aus sri lanka adoptiert. aktuell ist er als pastor der chrischona gemeinde liestal tätig.

in der schweiz gibt es keinen rassismus. was sagst du menschen, die diese ansicht vertreten?
ich erzähle dann meistens aus meinem leben. rassismus ist in der schweiz sehr wohl präsent. die meisten leute sind ob meiner erfahrungen extrem erstaunt.

fühlst Du Dich gleichberechtigt und gleich behandelt? wie äussert sich das?
dort wo ich mich momentan vor allem aufhalte, ist meine hautfarbe sogar eher ein vorteil. häufig werde ich gefragt, wie es denn dazu komme, dass ein dunkelhäutiger pastor werde. dann kann ich erzählen, was ich erlebt habe, wie ich mit rassismus umgehe. dadurch erhalte ich respektvollen umgang.

wie alt warst Du, als Du zum ersten mal gemerkt hast, dass Du anders als die anderen bist?
natürlich merkt man schon im kindergarten, dass man eben anders ausschaut. negative erlebnisse kamen aber erst viel später, als ich für ein jahr nach winterthur in eine privatschule ging. als ich aus dem postauto ausstieg wurde ich von einer alten frau mit dem regenschirm attackiert, währenddem sie sich lautstark über «die ausländer» aufregte. da begriff ich erst, dass sie damit mich meinte. ich konnte das überhaupt nicht einordnen. aber in der stadt passierten mir dann solche zwischenfälle relativ häufig.

wie häufig passiert Dir so etwas im alltag?
wie gesagt, in meinem heutigen umfeld eigentlich praktisch gar nicht. mein letzter übergriff war vor drei jahren in der weihnachtszeit. ich ging in winterthur durch die spitalgasse, als ich aus der entfernung einen typen auf mich zugehen sah. ich wollte ausweichen, doch er steuerte bewusst ind ie gleiche richtung und rammte mir wortlos seinen ellbogen unter das kinn.

war das früher schlimmer? in welchem alter war das für dich am schwierigsten? weshalb?
ich glaube nicht, dass sowas vom alter abhängt. gut möglich, dass eher das erscheinungsbild eine rolle spielt. wenn ich heute unterwegs bin, so meist in fröhlicher laune und mit lauter deutlicher schweizerdeutscher sprache. möglich, dass dadurch gar nicht erst negative gefühle beim gegenüber aufkommen.

wie reagierst Du auf rassistisch motivierte verbale übergriffe?
bei mir ist das meist so, dass ich die übertriebene faszination für das fremde von meinem gesprächspartner als rassistisch auslege. nicht selten werde ich sehr schnell auf sehr persönlicher ebene ausgefragt. natürlich ist das nicht böse gemeint. doch dann geht es meistens weiter mit der aussage «ich kenne da auch einen tamilen», «willst Du denn nicht mal zurück?» oder «ich find’s toll, wie die tamilen in der schweiz so fleissig arbeiten». damit werde ich als nicht «schweizerisch» abgestempelt.

meidest Du bestimmte orte oder veranstaltungen aus angst vor übergriffen?
heute nicht mehr. früher habe ich z.b. den winterthurer stadtpark gemieden, weil ich dort vor skins und rechtsextremen angst hatte, die mich auch ein paar mal verfolgten.

kann Deine herkunft auch ein vorteil sein? wann, wie?
hm.. ja, ich weiss nicht ob das positiv ist, aber ich werde nicht von bettlern angesprochen. auch nicht von leuten, die umfragen machen oder so.

und natürlich hat man in gewissen situationen auch einen art «exotenbonus». sehr schnell hat man mich wohl auch aufgrund der hautfarbe sehr gerne oder ist einfach fasziniert.

warum denkst du reagiert man in der schweiz auf andersartige menschen skeptisch oder gar ablehnend?
ich denke, das hat viel mit der geschichte der schweiz zu tun. wir definieren uns über die abgrenzung von den anderen. fragt man beispielsweise, was typische schweizer eigenschaften sind, kommen meist antworten wie «pünktlichkeit, bünzlitum» und ähnliches. fragt man aber was den schweizer stolz mache, dann heisst es z.b. dass wir ebennicht bei der eu sind oder dass wir ebennicht so sind wie die deutschen oder andere völker.

was kann man tun, um den rassimus in der schweiz zu bekämpfen? was tust Du selbst?
ich denke, wir müssen einfach selber immer wieder orientieren, wie wir uns fühlen und was uns passiert. letztes jahr habe ich in vierzig verschiedenen orten der schweiz gepredigt, wobei häufig auch rassismus das leitthema war. als erstes sagte ich dann immer: «als ihr hier rein gekommen seid und mich gesehen habt, dachtet ihr, dass etwas nichts in das übliche bild passt, oder?» so rege ich ein erstes mal zum denken an. danach erkläre ich den ganzen prozess, wie ich hierher gekommen bin und wie ich auch immer wieder ablehnung erfahren habe. so merken die zuhörer, dass ich einer von ihnen bin und ihre ablehnung aufgrund meiner dunklen hautfarbe nicht verdiene. trotzdem haben sie mich mit ihrem ersten gedanken versucht zu kategorisieren und genau das hinterfragen sie dann. grundsätzlich geht es also darum, das denken in dieser beziehung zu verändern.

multikulti im italienischen fussball

wer die italienische nationalmannschaft kennt weiss, alle spieler sind weiss. oder höchstens etwas bräunlich. einen dunkelhäutigen spieler hat man noch nie gesehen im blauen dress unserer südlichen nachbarn. nun gibt es einen, der sich seine nomination verdienen würde: mario balotelli. der artikel von oliver meiler im heutigen tagesanzeiger befasst sich mit ihm:

Ein Mario, sozusagen

Oliver Meiler, Marseille

Sie haben schon Bananen nach Mario Balotelli geworfen. Wann immer er den Ball berührt, und das tut der Teenager mal elegant und mal unter Einsatz seiner ganzen imposanten Körperkraft, meistens jedenfalls mit bestaunenswertem Können, dann steigt aus den Kurven in Turin, in Rom und in Bergamo der dumpfe Chor der Rassisten: «Uuh, uuh, uuh!» Oder: «Es gibt keine italienischen Neger.»

Ein historischer Slogan, abgeschaut im Rassenmanifest der Faschisten. Mario Balotelli, 19, geboren in Palermo, ist der Sohn von Einwanderern aus Ghana, die ihr Kind mit zwei Jahren in einem Krankenhaus in Brescia abgaben. Für immer. Mario wuchs bei den Balotellis auf, seiner neuen Familie, nahm deren Namen an. Alles sehr italienisch, im Nebel Brescias. Er sagt: «Ich bin Italiener, ich fühle mich wie ein Italiener.»

Die Ultras hören das nicht gerne. Keine Disziplinarstrafe, keine Drohung des Verbands und der Politik bringt sie von ihrem Gegröle gegen «Super Mario» ab, wie ihn die Sportpresse nennt. In den meisten Fällen bleibt es bei den Drohungen. Sie haben nicht viel zu befürchten. Und sie wollen verhindern, dass der Mittelstürmer in Diensten von Inter Mailand, einer der besten Spieler seiner Generation mit Angeboten aus Barcelona, Liverpool und London, in die italienische Nationalmannschaft aufgenommen wird. Für das nationale Nachwuchsteam hat er schon oft gespielt. Für die Azzurri aber, die amtierenden Weltmeister, noch nie.

Nun appellierte am Montag der «Corriere della Sera», Italiens grösste Zeitung, in einem Kommentar auf der ersten Seite an den Nationaltrainer, er möge Mario Balotelli in die erste Mannschaft aufnehmen, mitnehmen an die Weltmeisterschaften in Südafrika: «Das ist die beste Antwort auf die Chöre aus den Kurven», schreibt die Zeitung, «die Nationalmannschaft ist der Spiegel Italiens.» Mal sehen, was stärker ist: der Mut des Trainers oder die Pfiffe der Ultras.

Der «Corrier» stellt es wie einen Akt der Zivilcourage dar, was natürlich grotesk anmutet. Die italienische Gesellschaft ist längst viel multikultureller, als es die Idioten in den Kurven und die fremdenfeindliche Lega Nord wahrhaben wollen. Das frühere Emigrations- ist zum Immigrationsland mutiert. Und es hat noch viel Mühe damit – gerade im Fussball. Balotelli ist nur das prominenteste Beispiel. Ausgepfiffen werden alle Spieler mit dunkler Hautfarbe.

Doch Balotelli reagiert. Mit Trotz, mit arrogantem Gehabe auf dem Platz, mit Selbstschutz. Balotelli hält sich auch schon mal den Zeigefinger auf die Lippen im Torjubel und schaut herausfordernd, den Kopf wippend, hinauf zu den Rängen. Als wollte er sagen: «Seht her, eure Pfiffe kümmern mich nicht, ich zeigs euch allen!»

Das sollte er natürlich nicht tun, weil die Ultras dann noch lauter grölen. Aber wer kann es ihm verdenken? Er legt sich auch oft mit dem Schiedsrichter an, als würde der junge Mann ihm vorwerfen, dass er ihn nicht besser schütze. Er wurde dafür auch schon vom Platz gestellt. Sein Trainer bei Inter, der Portugiese José Mourinho, hält Balotelli zwar für ein grosses Talent, rät ihm aber zu mehr Fassung und Haltung. Auch der «Corriere» kann sich einige schulmeisterliche Bemerkungen zu Balotelli nicht verkneifen: «Er fährt mit seinem Auto 240 Stundenkilometer schnell und brüstet sich damit. Er führt sich auf wie ein Grossmaul.»

Nun ist es ja nicht so, dass er sich als Aufschneider sonderlich unterscheiden würde von anderen Marios seines Alters, zumal nicht im beruflichen Milieu, in dem er gerade versucht, gross und erfolgreich zu werden. Mario Balotelli sind unter den Pfiffen aber mildernde Umstände einzuräumen – und ein Platz im Nationalteam.

debora amacker – rassismus in der schweiz

vor langer zeit angekündigt, kann ich nun das erste interview der geplanten reihe «rassismus in der schweiz» veröffentlichen. besten dank an debora, die sich mir als erstes «versuchskaninchen» zur verfügung gestellt hat. ich hoffe mal, dass noch ein paar weitere betroffene ihrem beispiel folgen werden. ideen für weitere interviewfragen oder andere anregungen sind sehr willkommen. wie das kommentieren funktioniert, wisst ihr ja.

debora amacker kam in jegenstof (be) zur welt. sie ist das kind einer schweizerin und eines angolaners. sie hat vier geschwister mütterlicherseits, auf der seite des vaters weiss sie von mindestens zwei geschwistern. sie arbeitet als public relations assistant bei ford schweiz.

wie reagierst Du, wenn jemand sagt, in der schweiz gäbe es keinen rassimus?
grundsätzlich diskutiere ich mit leuten, die so eine meinung vertreten gar nicht. höchstens der spruch «dann lasse ich dich doch in deinen illusionen» kommt mir dann über die lippen. wenn es sich doch lohnen sollte, also mit leuten, die sich ernsthaft damit auseinandersetzen wollen, artet es meist in stundenlange diskussionen aus. rassismus gibt es, vielleicht nicht mehr in klassischer ausprägung, aber er ist auf jeden fall da. wer das nicht sieht, geht mit geschlossenen augen durchs leben.

fühlst Du Dich gleichberechtigt und gleichbehandelt?
gleichbehandelt fühle ich mich bestimmt nicht wirklich. man könnte sagen, dass es mich gleich in zweierlei hinsicht trifft: einerseits wegen der hautfarbe, anderseits wegen der konstellation hautfarbe und frau. gleichberechtigt fühle ich mich als frau schon einmal nicht. als schwarze frau sowieso nicht. denn schwarze frauen werden sowohl unter schwarzen, als auch unter weissen oft bloss als ware gesehen. natürlich ist das etwas überspitzt formuliert. aber dennoch gilt bei vielen die überzeugung, dass gerade schwarze frauen zu tun haben, was der mann sagt. fürs bett sind sie dann gerade gut genug. da hat wohl die geschichte ein gewisses klischee kreiert.

wenn ich tatsächlich gleichberechtigt behandelt werden will, muss ich mir das immer zuerst erarbeiten. denn im büro bin ich beispielsweise auf jeden fall gleichberechtigt mit anderen mitarbeitern. in einer gewissen weise musste mich aber zuerst beweisen, um akzeptiert zu werden. anfangs wurde ich von einer arbeitskollegin nicht einmal gegrüsst, heute gehen wir oft gemeinsam mittagessen. als ich sie einmal nach dem grund für dieses anfängliche schweigen fragte, entgegnete sie, dass es einfach wegen der hautfarbe gewesen sei. sie würde bei «solchen» leuten immer erst auf abstand gehen. obwohl dies nicht gerade nette worte waren, war es dennoch eine ehrliche antwort, die ich sehr schätzte.

wann immer ich jemanden kennenlerne erlebe ich grosse skepsis mir gegenüber. um mich keinen vorurteilen stellen zu müssen, isthäufig sozusagen ein guter leumund nötig. wenn ich beispielsweise von meinem chef als seine assistentin vorgestellt werde, hat nie jemand ein problem mit mir. wann immer ich jedeoch jemanden nur als «debora» gegenüber stehe und neue kennenlerne, erlebe ich grosse skepsis meine person betreffend.


debora amacker

wie alt warst Du, als Du merktest, dass Du anders bist?
das kann ich nicht ganz genau sagen, denn das war sehr früh. mit fünf, sechs vielleicht. ich bin auf einem schweizer bauernhof aufgewachsen. den landwirtschaftlichen betrieb führten zwar die nachbarn, doch wir halfen oft mit, denn der nachbarschaftliche zusammenhalt war gross. denn mein leiblicher vater war nie da. insofern kannte ich auch nur die schweizer kultur. ich wusste nicht eimal, dass es da noch eine andere kultur gab, die mich hätte interessieren sollen. als baby war ich natürlich das herzige dunkelhäutige mädchen. erst kurz vor oder im kindergarten tauchten die ersten probleme auf. ich weiss nicht mehr genau, was damals passiert ist. aber ich weiss, dass ich danach zuhause vor dem spiegel stand und mich betrachtete. da realisierte ich, hey, ich sehe ja anders aus als die anderen in der familie. das hat allerdings nichts mit rassismus zu tun, was ich damals erlebte. Ich habe mich damals vielmehr zum ersten mal bewusst selbst betrachtet.

erst später in der schule fing es mit eindeutigen sprüchen an. auf dem schulweg wurde ich beinahe täglich zusammengeschlagen. wenn ich nach dem grund fragte lautete die antwort nur: Du bist halt ein nigger.

wie häufig erlebst Du rassistische übergriffe?
rassimus hat natürlich verschiedene gesichter. da gibt es direkte anfeindungen, verbaler, schriftlicher oder auch handgreiflicher art. dann erlebe ich auch die indirekte art, die auf ihre weise genauso verletzend ist. man wird im restaurant oder beim metzger einfach nicht bedient. oder als ich meine lehrstelle suchte: ich bekam auch absagen mit der begründung, es würden nur schweizer eingestellt. dabei habe ich den schweizer pass seit geburt, bin nicht mal doppelbürgerin. erleben tue ich zwar beide arten, aber die indirekte art ist fast noch verletzender. denn indirekten dingen steht man oft einfach ohnmächtig gegenüber. man spürt es, aber wirklich etwas dagegen machen kann man nicht.

wie reagierst Du auf verbale übergriffe?
auch das ist sehr situationsabhängig. heute kommt bestimmt zuerst der selbstschutz. schliesslich hat mich meine art, der ein gewisser gerechtigkeits- und verteidigungsdrang zu grunde liegt, oft genung in sehr unangenehme situationen gebracht. lieber einmal mehr schweigend leiden, aber dafür gesund nachhause gehen. bei ganz jungen leuten suche ich sicher eher das gespräch. ich frage sie, wie sie es finden würden, wenn sie in ähnlichem stil beleidigt würden. aber wie gesagt, heute versuche ich eher, solche situationen zu ignorieren. werde ich allerdings aufgrund meiner hautfarbe benachteiligt oder nicht bedient, wenn ich wirklich etwas brauche, wie beispielsweise eben beim metzger, mache ich den betreffenden darauf aufmerksam, und beginne selbstverständlich für mein recht zu kämpfen.

meidest Du bestimmte orte oder veranstaltungen?
ja. offizielle 1.-august-feiern sind für mich tabu. zu oft habe ich sprüche wie «schweiz den schweizern» und «ausländer raus» an solchen orten hören müssen. obwohl ich ja wie gesagt schweizerin bin und sogar unsere nationalhymne mitsingen kann – zumindest die erste strophe. ausserdem meide ich grosse veranstaltungen wie konzerte im hallenstadion oder die street parade. das vor allem weil ich an solchen orten schon wiederholt massiv auf primitivste weise angemacht, für käuflich gehalten und auch so behandelt wurde.

hast Du manchmal das gefühl, im bezug auf rassismus fast schon paranoid zu sein?
ja. gerade wenn ich auf jobsuche bin, habe ich grosse angst aufgrund meiner hautfarbe abgelehnt zu werden. deswegen sende ich nur ungern bewerbungen, bei denen ein foto beiliegen muss. da haben mich die erfahrungen bei der lehrstellensuche wohl doch stärker geprächt, als gedacht. ausserdem ist es bestimmt auch eher übertrieben, an gar keine dieser grosserveransaltungen zu gehen. und wenn ich dann hingehe, denke ich ständig, dass etwas passieren könnte und natürlich passiert dann eben auch etwas. «whatever can go wrong, will go wrong» – murphy’s law lässt grüssen! es gibt bestimmt einige situationen, in denen das gefühl primär selbstgemacht ist.

kann die hautfarbe auch vorteile haben?
ja. aber auch das ist für mich eine art indirekter rassismus. niemand sollte aufgrund seiner hautfarbe benachteiligt, oder eben auch bevorzugt werden. als ich beispielsweise beruflich in afrika war, hatte ich als dunkelhäutige grosse vorteile. ich bezahlte unter anderem für esswaren immer weniger als meine hellhäutigen kollegen. das ist genauso falsch wie der umgekehrte fall.

rassismus bedeutet ganz und gar nicht weiss gegen schwarz, schwarz gegen weiss etc. rassismus hat immer etwas mit herrschafts- und machtverhältnissen zu tun, mit einer klassifizierung – egal in welcher hinsicht. So gesehen ist auch jeder von uns davon betroffen.

was schlägst Du vor, um rassismus zu bekämpfen?
gegen rassismus kann man nur dann etwas machen, wenn sich die leute mehr gedanken über ihre vorurteile machen. warum denkt man bei einem schwarzen auf der strasse sofort an einen dealer? nur weil er schwarz ist? das reicht doch einfach nicht. jeder einzelne sollte versuchen, sich immer zuerst in die situation des anderen, des ausländers, des fremden hineinzuversetzen. ausserdem könnten auch die medien ihren beitrag leisten, indem sie über positiv auffallende ausländer berichten und nicht primär ihre fehltritte und verbrechen gross schreiben. jeder einzelne sollte versuchen, sich immer zuerst in die situation des ausländers oder des dunkelhäutigen menschen hineinzuversetzen. meiner meinung nach kann der staat zum jetztigen zeitpunkt gegen rassismus nicht viel tun. Man muss sogar zugeben, dass gerade der staat in den letzten jahrhunderten und jahrzenten in dieser hinsicht viel getan hat. gerade die schweiz ist fremdem gegenüber grundsätzlich positiv und offen eingestellt. für meinen geschmack manchmal sogar schon zu offen.

das ist zwar eine andere geschichte, aber trafficking ist bestimmt ein problem, bei dem der staat vermehrt mit massnahmen eingreifen sollte – das zum thema frauen und «ware». Was jedoch den rassismus betrifft, so ist es für mich ganz klar, dass es jetzt an uns ist, an jedem einzelnen, mit einem umdenken anzufangen. Nur so lässt sich rassismus bekämpfen.

rassismus in der schweiz

aktuell ist der begriff «rassismus» in aller munde. kein wunder, findet doch in genf die antirassismuskonferenz der un statt. für uns schweizer ist rassismus immer etwas, das es in anderen ländern gibt. viele halten sogar das antirassismusgesetz in der schweiz für überflüssig. schliesslich gibt es sowas bei uns ja nicht. warum also etwas regeln, das faktisch nicht existiert?

ich sehe das etwas anders: es wäre wirklich zu schön, würden wir ein solches gesetz nicht benötigen. doch meine erfahrungen zeigen leider, dass der rassismus in der schweiz für andersfarbige, anderssprachige oder einfach sonst irgendwie andersartige real existiert. als dunkelhäutiger mensch erlebe ich das noch immer viel zu oft. das müssen nicht explizite beleidigungen sein. es beginnt damit, dass man im restaurant immer länger warten muss als gleichzeitig angekommene «normale» gäste. es geht weiter um die blicke, die man kassiert, wenn man als «gemischtes» paar ein lokal betritt. oder wenn man an der fleischtheke ansteht und partout einfach nie bedient wird. ja, das sind alles kleine dinge, was aber nicht heissen soll, das keine grossen geschehen würden. und: auch im keim ist rassismus etwas, das man nicht akzeptieren sollte.

doch ich will hier nicht rumjammern, bin ja schliesslich zum bloggen hier. meine idee wäre es, dass ich hier andere ähnlich betroffene in form eines interviews zu wort kommen lasse. primär geht es mir darum der schweizer bevölkerung klar zu machen, dass rassismus ein auch hier real existierendes problem ist, unter welchem viele menschen leiden. es wäre schön, wenn die interviewten auch mit namen und gesicht zu ihren aussagen stehen würden, aber ich würde auch über ein anonym geführtes interview berichten.

rassistischer tagi?!

update: der tagi entschuldigt sich

kurzer datumscheck, nein, heute ist der 2. april. ein witz kann’s also nicht sein. es wäre auch kein guter. der artikel im tagesanzeiger zum besuch der obamas bei der queen in england wird von folgendem bild begleitet.

/solche/ /leute?/ was sind solche leute? und was soll der spruch mit den dienstboten?

sorry, ich versteh’s nicht.