Täglich grüsst das Fuchsentier

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Brauche wohl ein weiteres Objektiv an meinem iPhone. So richtig gut erkennt man den Fuchs nicht, der mich jetzt schon zwei Tage auf der Wiese begrüsst. Sonderlich scheu scheint er nicht zu sein.

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Ja, Happy New Year halt… das Bild zeigt die furchtbar kitschige Weihnachtsdeko des Hotel Seeburg in Luzern am Silvesterabend.

Achselzucken & Hyperventilieren

In Syrien werden seit Monaten tausende Menschen massakriert oder verrecken zu Hunderten auf der Flucht – und medienmässig herrscht selbst angesichts der Tragödie von Aleppo Achselzucken. Obwohl der Westen dort seinen Part spielt. Kaum fährt ein Laster in Berlin in einen Weihnachtsmarkt ist Hyperventilieren, Sondersendung und Best of Terror in Europe-Rückblick angesagt. Nicht ohne die permanente Mahnung loszuwerden, dass es noch zu früh für Spekulationen sei. Versteht mich nicht falsch. Die neun toten Berliner tun mir herzlich Leid. Aber so eine Gleichgültigkeit einerseits und dann diese Überbetroffenheit andererseits ist kaum zu ertragen. Krieg ist offenbar nur dann berichtenswert, wenn er nationale Emotionen bedient. Goodbye Newsberichterstattung bis auf weiteres. Ich werd mich einem Nachrichten fernen Zeitvertreib zuwenden, bis die Heimatfront sich wieder beruhigt hat.

Hansi Voigt, Medienprofi gestern Abend via Facebook.

Man könnte spotten und sagen, dass gerade er als Medienmensch die Sache mit dem Nachrichtenwert bestens kennen sollte. Und das tut er ganz bestimmt. Aber er hat trotzdem recht.

Natürlich berühren traurige Nachrichten noch stärker, wenn sie das nähere oder sogar nächste Umfeld betreffen. Und doch: Wir sollten die Relationen wahren. Wir sollten begreifen, was da in Syrien wirklich abgeht. Während bei uns ein schrecklicher Anschlag den Alltag unterbricht und zum Nachdenken anregt, ist der Terror, ist der Krieg dort Alltag.

Und ja, man sollte wohl vor Ort helfen, wie das die rechten Kräfte jeweils feststellen, wenn die Flüchtlinge an der Grenze stehen. Vorher tut man lieber gar nichts. Aber es bleibt die Frage, wie man das tun könnte. Darauf habe ich keine Antwort. Denn von den Grossmächten ist nur Russland wirklich aktiv und das in einer höchst zweifelhaften Art.

Wie kann man diese verlogenen Idioten wählen?

Nein, der Titel ist nicht nett. Soll er auch nicht sein. Denn sie sind es auch nicht. Wer? Jene Politiker, die wir Schweizer mit langsam aber sicher beunruhigender Regelmässigkeit zu über 30% ins Parlament wählen. Die grösste Partei der Schweiz. Jene, die vorgibt, sich für unsere Werte einzusetzen. Jene, die sagt, sie habe Lösungen für Probleme, die Andere nicht einmal ansprechen würden. Jene, die auch mal ohne Hemmungen Stimmung gegen Ausländer macht. Jene, die sich auch mit einer klaren Mitte-Rechts-Mehrheit im Parlament von einer eingebildeten «Elite» regiert fühlt. Genau diese Partei führt ihre Wähler nun derart offensichtlich an der Nase herum, dass dieser Titel schlicht gerechtfertigt ist.

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Nein, der Blick ist nicht meine bevorzugte Quelle. Aber: Hier wird Klartext gesprochen, also so, dass der selbst der geneigte SVP-Wähler merken könnte, dass er verarscht wurde. Nur ein Jahr nach der Reise in den Tessin und der Kampagne, man wolle die Grenzen mit mehr Personal sicherer machen, kommt nun der Rückzieher. Und natürlich ist auch der Schluss von Halbeis richtig: Die SVP-Politelite wird am lautetsten bellen, wenn es dann wieder opportun ist.

Einen ähnlichen Trick wendet man ja in der Flüchtlingsthematik auch in einem anderen Bereich an. Als die Menge an Flüchtenden zunahm, war die SVP bemüht zu sagen, man müsse eben vor Ort helfen. Das klingt plausibel. Schliesslich muss sich jemand, dem es dort wo er lebt gut geht, gar nicht erst auf die Flucht machen. Unglaublich logisch. Aber wer ist in der sich anbahnenden Debatte nun wieder für eine Senkung der Ausgaben für Entwicklungshilfe? Natürlich die Lautsprecher der SVP. Hilfe vor Ort war und wird nie etwas sein, was diese Partei wirklich will.

Diese Partei will nur eines: Macht. Die Ängste der Bevölkerung sind ihr so egal, wie sie es den anderen Parteien stets vorwirft. Aber sie nutzt die Ängste gern, um bei Wahlen und Abstimmungen zu punkten. Die Elite, die sie andernorts wittert, ist sie häufig selbst. Sie kümmert sich nicht um Lösungen, sabotiert jene der anderen Parteien bei jeder Gelegenheit.

Es wäre also schlau, wenn ihr diese verlogene Partei nicht mehr wählen würdet. Merci.

Verhüllungsdiskussion

Standardsätze in Verhüllungsdiskussionen:
Die sollen sich anpassen.

Wenn wir in der Türkei eine Moschee besuchen wollen, müssen sich unsere Frauen verschleiern.
Die Frauenrechte werden durch ein Verbot der Vollverschleierung gestärkt.

Es ist eine schwierige Diskussion. Und ich möchte gleich zu Beginn dieses Posts klar sagen, dass ich alles andere denn ein Fan dieser Verhüllung bin. Wenn es nach mir geht, soll sich jeder und jede so anziehen können, wie es ihm oder ihr gefällt. Aber schon dieser Satz führt natürlich zum ersten Widerspruch. Was, wenn eine Frau diese totale Verhüllung wirklich will? Was, wenn sie bei Nichtbefolgung des Gebots ihres Mannes oder möglicherweise eines sonstwie autoritären Organs bestraft wird? Was, wenn sie sich ohne die Verhüllung unwohl fühlt?

Ist es nicht irgendwie arrogant, unsere Bekleidungskultur einfach über alle anderen zu stellen und sie zur Normalität zu erklären? Und vor allem: Hilft es dem Diskurs mit und letztlich der Integration von diesen Gruppen, wenn wir Verbote aussprechen? Und – damit wird ernsthaft argumentiert – verhindern wir damit irgendwelche Terroranschläge?

Es braucht wohl keine komplizierten Gedankengänge, um zu verstehen, dass wir den erklärten Zweck mit einem Verbot nicht erreichen werden. Das führt mich zu einem kurzen, leicht bösartigen Zwischengedanken: Ist der wahre Zweck eines Verhüllungsverbotes für das Gesicht nicht ein anderer? Stört uns nicht schlicht die gut sichtbare Andersartigkeit jener Menschen, die sich dann eben so verhüllen? Ich habe schon oft erlebt, dass sich Menschen über orthodoxe Juden lustig gemacht haben. Die sollen doch diese doofen Zöpfe abschneiden. Und überhaupt, was sollen diese komischen Hüte? Dass unsere Klosterfrauen und Mönche ebenso eine Uniform tragen, wird da gerne vernachlässigt. Auch, dass man noch vor 25 Jahren viele Bauernfrauen mit Kopftüchern auf den Feldern sah. Obwohl wir so gerne Offenheit propagieren frage ich also: Sind wir es denn wirklich? Oder sind wir nur gegenüber jenen offen, die so sind wie wir? Könnte es nicht sein, dass sich die Verbotsforderer einfach generell an der immer reisefreudiger werdenden arabischen Welt stören? Ist der Zweck nicht einfach simpel jener, dass diese Menschen nicht mehr zu uns kommen, damit wir sie nicht mehr anschauen müssen, da sie ja so ganz anders sind als wir?

Ich gestehe, das sind Unterstellungen niederer Absichten. Aber ich habe in den letzten Jahren so viel an solchem Gedankengut erlebt, dass mich nichts mehr überraschen würde. Auch nicht von Linken und auch nicht von einer Mehrheit der Bevölkerung bei einer Abstimmung.

Es verwirrt mich halt auch, dass gerade jene sich so vehement für die «Rechte der Frau» einsetzen, die Frauen am liebsten am Herd oder dann in Bikinis sehen. Es sind jene Männer, die sich früher bestimmt auch gegen das Frauenstimmrecht eingesetzt hätten und heute gegen die bösen Feministinnen wettern. Dass sicher gerade sie für die Frauenrechte einsetzen, mag ich nicht wirklich glauben.

Es verwirrt mich weiter, dass sich immer mehr Linke der offenbar populären Meinung, man müsse die Vollverschleierung verbieten anschliessen. Ich denke aber, dass dies schlicht damit zu tun hat, dass sich jene Exponenten für neue Wählerschichten wählbar machen möchten.

Nun mag mancher sich fragen, wie lösen wir denn nun dieses Problem? Ich frage gerne zurück: Welches Problem? Ist es nicht eine Errungenschaft der letzten Jahre, dass Menschen aus jenen Ländern zu uns reisen? Ist es nicht unsere einmalige Chance, ihnen unsere Offenheit, unsere liberalen Werte, ja schlicht unseren Lebenstil zu zeigen? Und wenn wir ein Interesse daran haben, dass sie ein bisschen mehr werden wie wir… ist das nicht genau dann am wahrscheinlichsten, wenn wir sie hier und jetzt mit Argumenten überzeugen? Wenn Offenheit und liberales Gedankengut unsere Stärken sind, wie kann dann gerade ein Verbot, das individuelle Freiheit einschränkt diese Dinge verbreiten helfen?

They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.

Ja, das über 200 Jahre alte Zitat von Benjamin Franklin mal wieder. Manche Dinge ändern sich eben nicht. Und ich möchte jeden Verbotsforderer dazu auffordern, sich zu überlegen, was er mit dem Verbot wirklich erreichen möchte. Dann sollte er sich die Folgefrage stellen, ob das Verbot zur Erreichung des Ziels wirklich förderlich ist. So wie ich es sehe, bewirkten wir mit einem Verbot der Verhüllung genau das Gegenteil. Wir zeigen einmal mehr unsere kulturimperialistische Seite, die ganz bestimmt nicht zur Verbreitung des westlichen Lebensstils beitragen wird. Ebenso wie bei Diskussionen über das Judentum ist auch beim Islam Kritik erlaubt. Es gibt keinen Grund, die massiv einseitigen Kleidervorschriften oder andere Regeln dieser Religion nicht zu kritisieren. Bereits gibt es ja auch innerhalb der durchaus heterogenen Gemeinschaft durchaus Strömungen, die sich gegen den Zwang zur Verhüllung der Frauenköpfe einsetzt.

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I decided to stand by my niece and wear the hijab because the truth is I don’t want anyone to take my freedoms away from me. I can’t be indifferent to the violation of freedoms of half of my people.

Unter dem Hashtag #MenInHijab finden sich iranische Männer, die im Kopftuch neben ihren Frauen (oder eben Nichten) stehen. Die Frauen zeigen dabei ihre Haare. Es ist also nicht so, dass es innerhalb jener Kultur keine Diskussion und keine Auflehnung gäbe. Denn ein solcher Akt ist in einem Land wie dem Iran, wo das Kopftuch für die Frau Vorschrift ist schon ziemlich mutig. Er dürfte aber auf die muslimische Welt einen viel grösseren Effekt in die «richtige» Richtung haben, als ein Verbot der Verhüllung bei uns. Dieses quasi selbstentdeckte oder sogar selbsterkämpfte Freiheit ist viel mehr wert als jene, die wir in Form eines Verbotes aufzuzwingen versuchen. (Ignorierend, dass ein Verbot wohl in den seltensten Fällen Garant für Freiheit ist)

Ja… können wir nun also gar nichts tun, um gegen die Verhüllung der Gesichter der Frauen vorzugehen. Ehrlich gesagt glaube ich, dass unsere Mittel, die wirklich nachhaltig einen guten Effekt hätten sehr beschränkt sind. Aber, es gibt sie doch. Ich kann mich erinnern, wie ich im Hotellift in Istanbul auf dem Weg zum Zmorge ein Paar aus dem arabischen Raum angelächelt hatte. Als mein Lächeln erwidert wurde, fragte ich (natürlich den Mann…) woher sie denn kommen würden. Etwas überrascht antwortete er freundlich, dass sie aus Saudi Arabien angereist seien und nun Istanbul erkunden würden. Und, was soll dieses Smalltalk-Minigespräch nun gebracht haben? Wahrscheinlich nichts. Aber ich glaube, nur wenn wir ohne Groll und negative Vorurteile auf diese Menschen zugehen, haben wir eine Chance, unsere Offenheit auf sie zu übertragen. Natürlich ist das Gutmenschenlogik at its best. Aber seien wir ehrlich, welche anderen Mittel versprechen ernsthafte Aussicht auf Erfolg? Eben. Mit Verboten werden wir nichts erreichen ausser negative und kontraproduktive Effekte. Mit Freundlichkeit, Offenheit und Gesprächsbereitschaft haben wir die Chance, bei den Menschen, die hierher kommen, etwas zu ändern. Nutzen wir sie.

Fazit: Ich bin der liberalen Überzeugung, dass es schlecht ist, wenn Frauen ihr Gesicht oder auch nur schon ihre Haare verhüllen müssen. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass ein Verbot des entsprechenden Kleidungsstück in höchstem Masse unliberal, kontraproduktiv und arrogant ist.

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Noch ein paar Worte zu den eingangs eingeworfenen Standardsätzen:

Die sollen sich anpassen. An was genau sollen sie sich anpassen? An unsere Offenheit, unsere individuelle Freiheiten, unser liberales Gedankengut? Und diese Anpassung wollen wir mit einem Verbot erreichen? I don’t think so. Verordnete Anpassung bringt rein gar nichts.

Wenn wir in der Türkei eine Moschee besuchen wollen, müssen sich unsere Frauen verschleiern. Korrekt. Und wenn ich im Vatikan den Petersdom besuche, sollten Schultern und Knie bedeckt sein. What’s the fuckin› difference?

Die Frauenrechte werden durch ein Verbot der Vollverschleierung gestärkt. Wenn es so einfach wäre. Ich stelle eine Gegenfrage: Verschlechtert ein Kopftuchgebot im Iran (auch für Besucherinnen aus dem Westen) die Frauenrechte hier? Eben.

An irgendetwas muss man doch glauben

«Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

Das ist sie, die legendäre Gretchenfrage. Für mich kann ich sie relativ einfach beantworten. Nein nicht relativ, absolut. Ich für halte für mich absolut gar nichts davon. Ich glaube nicht an die Existenz eines Gottes. Punkt.

Der Satz liest sich so einfach, stellt aber offenbar für viele Menschen ein kleines Rätsel dar. Nicht selten werde ich in der Folge gefragt, an was ich denn dann glaube. Normalerweise sage ich dann entweder «an nichts» oder «an das Gute im Menschen». Letzeres kommt ab und zu ein wenig ins Wanken. Und «nichts» klingt dann im Ohr des Fragenden auch nicht wahnsinnig aufschlussreich. Also habe ich vor einiger Zeit mal mit «an den Lamborghini-V12-Motor geantwortet.». Die Reaktion war interessant. Zuerst gab es ein Lächeln, dann einen ziemlich ungläubigen Blick hinterher. Das könne ja nicht mein Ernst sein. Man könne doch nicht an einen Motor glauben.

Natürlich war das nur ein Scherz. Doch warum daraus kein kleines Gedankenexperiment machen? Ich finde, mein V12-Gott schneidet doch gar nicht so schlecht ab, wenn ich ihn mit dem banalen Gott, den hier alle zu kennen scheinen vergleiche. Meiner hört mir jederzeit zu. Er ist aus Fleisch und Blut, ok, aus Metall und so, aber auf jeden Fall zum Anfassen. Er steckt in einer betörenden Hülle. Er will kein Geld von mir. Er will auch nicht, dass ich exklusiv an ihn glaube. Er will schon gar nicht, dass ich alle anderen Götter doof finde oder sie sogar bekämpfe. Er verlangt nicht von mir, Ungläubige in Gläubige zu verwandeln, indem ich missioniere. Er ist richtig kräftig. Das Beste an ihm ist aber definitiv sein Klang unter Volllast. Da kommt kein anderer Gott mit. Und ja, wenn ich an ihn denke, bin ich glücklich.

Religionen sind zu schonen,
sie sind für Moral gemacht.
Da ist nicht eine hehre Lehre,
kein Gott hat klüger gedacht,
ist im Vorteil, im Vorteil.

Sind sie wirklich zu schonen? Müssten sie nicht eher uns schonen? Grönemeyer, den ich für seine Musik und grösstenteils auch für seine Texte sehr schätze, liegt hier für meinen Geschmack total daneben. Wenn kein Gott im Vorteil ist, wieso und wie soll man sich dann für einen entscheiden. Und sind Religionen tatsächlich für Moral gemacht? Waren sie nicht Mittel zur Kontrolle von Untergebenen? Aber vor allem: Moralische Grundsätze brauchen keinen Gott, keine Religion. Dass man nicht töten soll wird nicht erst durch ein göttliches Element moralisch. Aber es gibt bestimmt in allen Religionen Regeln, die es nicht bis in die Moral schaffen. Warum soll sich eine Frau vor den Blicken anderer Männer verhüllen müssen, während ihr Mann neben ihr in Shorts und Hawaiihemd die Sonne geniesst? Ist das moralisch? Und nein, solche behämmerten Regeln finden sich nicht nur im Islam.

Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben.

Es braucht keine stundenlange Googlerecherche um sowas zu finden. Natürlich kann man jetzt sagen, dass man solche Stellen a) vermehrt im Alten Testament findet und b) sie nicht Wort für Wort verstehen soll. Aber wie genau soll ich so etwas denn sonst verstehen? Kurz nachgefragt, nein, der heilige Lamborghini-V12 hat nichts gegen Schwule und Lesben.

Ein grosser Nachteil an Religionen ist bestimmt, dass sie sich nicht weiterentwickeln können. Das gilt zumindest für die Bücher, auf die sie sich hauptsächlich beziehen. Wie kann ein 1000 Jahre altes Buch für heutige Probleme Lösungsstrategien bereithalten? Indem es interpretierbare Geschichten als Grundlage liefert. Genau dort liegt ein weiteres Problem; der Interpretationsspielraum wird von den Menschen ganz unterschiedlich ausgenutzt. Also ist beispielsweise ein Leben «streng nach der Bibel» gar nicht möglich, da immer eine Interpretation stattfindet. Hier kommen dann die Funktionäre der jeweiligen Religionen ins Spiel. Sie verklickern ihren Schäfchen die Message so, wie sie selbst sie verstanden haben wollen. Und da liegt bestimmt auch die grösste Gefahr. Die Überbringer der Botschaft können diese nach Gutdünken so drehen, dass sie ihnen passt. Die gläubige Masse lässt sich instrumentalisieren, tut Dinge so, wie es der Pfarrer oder Imam oder wasauchimmer befiehlt.

In Diskussionen erlebe ich auch häufig, dass mir gesagt wird, wie viel Schönes und Gutes nur dank Gott oder der Religion entstanden sei. Einverstanden, es gibt wirklich grossartige Sakralbauten. Ich denke an den Felsendom, die Blaue Moschee, die Hagia Sophia, die gotische Kathedrale von Barcelona, den Duomo von Firenze oder Mailand. Aber müsste man nicht auch an die wie Verbrauchsmaterial verschlissenen Menschen während der Bauzeit dieser grossen Häuser denken? Und abgesehen von den tollen Gebäuden… waren da nicht auch ein paar blutige Kriege, brutale Kreuzzüge und kulturvernichtende Missionierungsmassnahmen? Hat man sich nicht auch beispielsweise innerhalb des Christentums buchstäblich bis aufs Blut bekämpft? Und dies, obwohl man doch dem gleichen Gott huldigte. Ich würde sagen, auf dem Planeten Erde würde es uns heute nicht schlechter gehen, hätten wir nie damit begonnen, an eine nicht existierende Macht zu glauben.

Viele Menschen würden aber so viel Kraft aus ihrem Glauben zu Gott schöpfen. Das mag sogar sein. Aber es rechtfertigt doch nicht das ganze Brimborium, das darum herum veranstaltet wird. Ausserdem braucht es keinen Gott, um aus einem Glauben heraus positive Kräfte zu mobilisieren Da taugt auch mein Lamborghini-V12 zu, oder eine Fussballmannschaft oder ein Berg. Für mich ist Mickey Mouse so real wie jeder Gott. Nämlich gar nicht. Also könnte ich auch an die kleine Maus von Disney glauben, es würde für mich genau nichts ändern.

Dann ist da natürlich noch die Sache mit dem Beten. In Zeiten von Social Media ist nach Terroranschlägen jeweils «PrayForIrgendeineStadt» zu lesen. Dass gerade der Glauben vielerorts dafür verantwortlich ist, dass man im Nachhinein überhaupt beten «muss», spielt da anscheinend keine Rolle. Man denke z.B. an den christlich motivierten Terroranschlag an den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta. Damals hatten wir noch kein Facebook, um «Pray for Atlanta» reinzuschreiben.  Es hätte aber damals so wenig gebracht wie heute. Es bringt auch nichts, nun mit Hass, Angst und Panik zu reagieren. Was wir brauchen, hat der damalige Premierminister Norwegens nach dem Attentat auf der Insel Utoya für die Ewigkeit formuliert:

The Norwegian response to violence is more democracy, more openness and greater political participation.

Der Glaube, das Beten, die Religion kommen nicht vor. Wir schaffen es gut ohne das eingebildete Zeug, aber nur mit grossem Willen, unsere Werte nicht durch die Einschränkung der Freiheiten abzuschaffen. Ich erinnere an dieser Stelle auch gerne daran, dass die Werte, die Europa und alle industrialisierten Nationen dieser Welt gross gemacht haben, solche sind, die aus der Zeit der Aufklärung stammen. In der Regel kollidieren sie eher mit religiösen Leitlinien als dass sie in jenen begründet wären.


In diesen Tagen wird versucht, uns einzureden, der Islam führe einen Krieg gegen das Christentum. Mit Christentum ist jeweils die westliche Welt gemeint. Das ist nicht nur deshalb falsch, weil die allermeisten Terrortoten Muslime sind. Es ist vor allem deshalb falsch, weil es «den Islam» so wenig als homogene Gruppe gibt wie «das Christentum». Bei den Christen gibt es jede Menge wahnsinniger Extremisten, die sich vor allem in den USA finden. Trotzdem würden wir nicht sagen, die Christen führen einen Krieg gegen uns. Denn hier wird jeweils sehr genau unterschieden. Wenn dann etwas passiert, war es ein verwirrter, wahnsinniger, Killerspiele zockender Einzeltäter, während bei den Muslimen einfach mal alle unter Generalverdacht stehen. Dabei ist es relativ einfach: Extremisten sind gefährlich, egal welcher Religion sie zugehörig sind. Ausser natürlich jene, die extrem an den Lamborghini-V12 glauben. 😉

Gerade gestern hat Knackeboul seinem Ärger über die aktuelle Situation Luft gemacht und unter anderem das gesagt:

und nein, eine aufgeklärte gesellschaft muss eure religiösen gefühle nicht respektieren. weder muslimische, noch christliche noch die der anhänger des allmächtigen spaghetti-monsters.

Ich bin einverstanden. Zu lange haben wir gegenüber diesen intoleranten Vereinen Toleranz geübt. Wie lange hat die katholische Kirche gebraucht, um irgendwann doch zuzugeben, dass die Erde rund ist? Noch heute [der verlinkte Artikel hat leider kein Datum] hätten manche Exponenten gerne «intelligent Design» in unseren Schulen. Also eine Entstehungsgeschichte unserer Welt, die von einem Schöpfungsakt ausgeht… Dabei bräuchten wir eine noch klarere Trennung von Staat und Kirche. Auf jeden Fall im Bereich Bildung, aber auch in anderen. So gibt es keinen triftigen Grund, weshalb einzelne Kirchen in der Schweiz noch immer das Privileg geniessen sollten, dass der Staat für sie die Steuern einzieht.

Das führt uns fast unweigerlich zum Beginn der Präambel in der Schweizer Bundesverfassung:

Im Namen Gottes des Allmächtigen!
Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,

Warum sollte dort nicht stehen «Im Namen aller Menschen, die in der Schweiz leben»? Der Begriff «Schöpfung» wäre durch «Umwelt» oder einen ähnlichen Terminus zu ersetzen. Es ist grossartig, wozu der Mensch imstande ist. Man sollte ruhig auch einmal darauf stolz sein. Es braucht keine eingebildete Macht, der wir alle möglichen Taten zuschreiben. Inzwischen sind wir auch fähig, einen Grossteil unserer Welt zu erklären. Es wird künftig immer weniger Unbekanntes geben, was wir primär dem Wissendurst von uns Menschen zu verdanken haben.

An irgendetwas muss man doch glauben. Warum nicht einfach an uns Menschen?

Mehr Stimmen für die Jungen?

Gerade hat in England das Alter der Jugend die Zukunft verbaut. So sehen das viele Kommentierende aus ganz Europa. Denn es war die ältere und ländlichere Bevölkerung, die den Brexit durchsetzte. Doch wer wird mit den Folgen leben müssen? Es werden die heute noch jüngeren Menschen sein. Deshalb gibt es nun auch in der Schweiz, wo die Alten jeweils auch tendenziell konservatier stimmen, Stimmen, die eine Gewichtung beispielsweise nach Alter fordern oder zumindest diskutieren wollen. Allen voran regte Jacqueline Fehr eine solche Diskussion an. Sie betont aber, ein System in dem 18 bis 40-jährige doppelt so viel Stimmgewichtung hätten wie jene Menschen, die bereits über 65 sind nicht ihr Lieblingssystem wäre. Trotzdem ist die Aufruhr im Netz gross. Das sei total undemokratisch.

Naja… wenn man an die Griechen zurückdenkt, wo nur Besitzende und nur männliche Bürger abstimmen durften, war es auch damals schon sehr unfair. Demokratie bedeutet, dass das Volk herrscht, doch ist je nach Definition das Volk anders festgelegt. Würde man eine Stimmgewichtung einführen, wäre deswegen die Demokratie nicht weg, aber das Prinzip «one man one vote» wäre verletzt. Heute fehlen in der Schweiz die Stimmen jener, die zwar hier leben, arbeiten und Steuern zahlen aber keinen Schweizerpass haben. Weiter fehlen natürlich auch die Stimmen jener, die noch nicht 18 Jahre alt sind. Zudem fehlen die Stimmen der Nichtabstimmer bzw. -wähler. Insofern sind ganz viele verschiedene Systeme denkbar, von denen keines jeder Kritik standhält.

Ich glaube, dass es falsch wäre, das Gewicht der Stimmen der jüngeren Menschen zu erhöhen. Auch wenn man in England jetzt diesen Blödsinn den älteren Generationen anlasten mag, gibt es bestimmt auch wieder Abstimmungen, in denen sich mehr junge Menschen für die falsche Option entscheiden. Es hat eher mit unzureichender Information denn mit Alter und Erfahrung zu tun, wie jemand abstimmt. Insofern müssten wir da den Hebel ansetzen (die Briten sowieso). Dazu muss man sehen, dass Demokratie nicht dazu dient (und es auch nicht schafft), die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie dient vielmehr dazu, die gefällten Entscheidungen zu legitimieren. Vor diesem Hintergrund wäre eine Gewichtung gemäss Fehrs Vorschlag eine Verschlechterung, weil die Legitimation des Resultates nicht mehr in gleichem Masse gegeben wäre.

Warum die SVP nicht sachlich diskutiert

[war ursprünglich ein Kommentar zum letzten Post]

Ich habe noch nie einen Politiker gehört, der von sich sagen würde, dass er unsachlich argumentieren würde. Trotzdem tun es viele von ihnen. Interessant ist das Verhalten der jeweiligen Partei. Während man in den meisten Parteien die Extremen immer mal wieder auf den Boden zurückholt, gibt’s innerhalb der sehr homogenen SVP Applaus für jeden Quatsch. Das ist schade, weil Exponenten wie Limi zeigen, dass es auch die anderen SVPler gibt, die durchaus auch mal Fehler ihrer Parteigenossen einsehen. Auch wenn sie das stets anderen vorwirft: Die SVP ist vor allem gegen innen die undemokratischste Partei der Schweiz, weil sie auch in solchen Dinge keinen sichtbaren Diskurs zulässt. Für denkende Menschen bleibt sie unwählbar, weil man der Parteilinie alles andere unterordnet, selbst wenn diese Linie vor Widersprüchen nur so trieft.

Eine Diskussion mit solchen Menschen ist schwer, weil sie nicht daran interessiert sind auf Andere einzugehen. Null Empathie. Sie hämmern immer die gleichen Parolen auf völlig unterschiedliche Fragestellungen raus. Es sind keine Antworten, sondern Stereotype, die niedere Vorurteile ansprechen und wohl direkt Wählerstimmen generieren. Gerade heute, wo sich die Menschen verunsichert fühlen und um ihren Wohlstand fürchten, fruchtet dieses Vorgehen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Die SVP und ihre schönsten Exponenten haben überhaupt kein Interesse an einer “geilen Diskussionskultur”, obwohl genau das in einer konsensorientierten Demokratie das Ziel sein müsste.

Parkplatznachfrage in Luzern

Wer in den letzten Jahren in Luzern mit dem Auto unterwegs war, spürt es förmlich: Das Auto ist in der Stadt immer weniger willkommen. Fahrspuren werden weniger oder extra mühsamer geführt, Parkplätze wegrationalisiert und verteuert. Die noch immer erwünschten Shopper, Tagesausflügler und Touristen sollen doch bitte mit den ÖV anreisen. Schliesslich führt auch der Suchverkehr (also jener Verkehr, der ensteht, wenn man nach einem freien Parkplatz sucht) zu Immissionen. Zu viel Lärm, Abgase und schlimmstenfalls auch Unfälle sind das Resultat. Durchaus nachvollziehbar, dass man den motorisierten Individualverkehr in einer Stadt reduzieren will. Das heisst aber nicht, dass er deswegen einfach verschwindet. Und es heisst auch nicht, dass die Nachfrage nach Parkplätzen kleiner wird, wenn man sie nach und nach einfach wegradiert. Und nicht zuletzt gibt es auch Stadtluzerner, die mit dem Auto zur Arbeit fahren und am Abend einen Parkplatz für die Nacht brauchen.

Das hat sich offenbar auch die Helvetia gedacht, die Eigentümerin der Sentihof-Überbauung ist. Im Rahmen einer Renovation soll im Innenhof zusätzlich eine Tiefgarage für 80 Fahrzeuge entstehen. Um die Relationen aufzuzeigen: Im Sentihof gibt es an die 300 Wohnungen und 10 Ladenlokale. Bislang gibt es nicht ganz 80 Parkplätze. Nun hat das Vorhaben natürlich den VCS auf den Plan gerufen, und auch die SP sieht sich im Zugzwang.

Laut dem Artikel auf zentralplus.ch kann sich Monique Frey vom VCS nicht vorstellen, dass es weitere Parkplätze brauche. Mario Stübi, Grossstadtrat der SP will gar verhindern, dass die «ganze Stadt unterhölt» werde. Zum Glück wird der Tiefbahnhof dereinst ja oberirdisch gebaut, oder so. Aber zurück zum Thema: Ich glaube nicht, dass die Helvetia ein Parkhaus bauen würde, gäbe es für die 80 Plätze keine Nachfrage. Es könnte ja im Gegenteil so sein, dass die Verknappung der Plätze andernorts halt zu einer Nachfrage in so einer Halle führen könnte.

Der VCS und die linken Parteien sollten langsam lernen, dass es auf der Strasse und auch was die Raumplanung angeht ein Miteinander anzustreben ist. Mit ihren extremen Forderungen, die inzwischen definitiv ins Populistische abdriften erweisen sie ihrem eigentlichen Zweck einen Bärendienst. Gerade im Falle der geplanten Tiefgarage Sentihof, aber auch des Parkhauses Musegg ist es doch so, dass der Verkehr vom Stadtkern ferngehalten wird. Und wer glaubt, Luzern habe zu viele Parkplätze, der sollte vielleicht nicht (wie zentralplus) am Montagnachmittag ins Altstadtparkhaus gehen, sondern sich den Verkehr und die Parkhäuser an einem Samstagvormittag anschauen. Die Nachfrage ist definitiv da. Nicht nur von Auswärtigen, sondern auch von Stadtluzernern.