Es sieht nicht gut aus für die NZZ

Drüben bei watson.ch gibt es einen Artikel über die Nachfolge von Markus Spillmann als Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung. Es sieht alles danach aus, als verliesse der liberale Geist die Alte Dame.

Der NZZ-Verwaltungsrat hat sich für «Basler Zeitung»-Chefredaktor Markus Somm als Nachfolger des geschassten NZZ-Chefs Markus Spillmann ausgesprochen.

Offenbar hat der Verwaltungsrat vergessen, was die NZZ auszeichnet. Nun drohen einige Mitarbeiter (z.B. Rene Zeller, Inlandchef) mit der Kündigung. Ob das reichen wird?

Die andere Frage: Womit ersetzt man die NZZ, wenn Somm tatsächlich Chefredaktor wird?

Peter M. Birrer zur NLZ

Nein, das ist keine Tatsache. Es ist ein blosser Wunsch. Ein frommer, zugegeben. Denn was Peter M. Birrer für den Tagesanzeiger über David Zibung geschrieben hat, ist besser als alles was Daniel Wyrsch je für die NLZ geschrieben hat. Kumuliert. Die Qualität der Berichterstattung über den FC Luzern hat mit Wyrsch das Niveau des Boulevards erreicht und teilweise unterschritten. Dass die «Mutter» aus Zürich, die hochwohlgeborene NZZ, dem Treiben in Luzern schon so lange zuschaut, hat wohl auch mit einer anständigen Portion zürcherischer Ignoranz zu tun. Wer auch nur ein Spiel live (und einigermassen objektiv) verfolgt und danach den entsprechenden Bericht in der Monopolzeitung gelesen hat, weiss ganz genau, was ich meine.

Ziemlich traurig, dass man objektive Berichte über den wichtigsten Luzerner Sportverein nur einer Zürcher Zeitung entnehmen kann. Trotzdem besten Dank an Peter M. Birrer für die gelungenen Zeilen.

Onlineredaktionssünden – 5

Tweet NZZ

Tja, so ein Tweet ist halt schnell geschrieben. Die NZZ schreibt im Artikel von 17 Wohnungen, die noch frei seien. Insgesamt handelt es sich um 121 Luxuswohnungen. Im Tweet wurden daraus dann 17’121 leerstehende Einheiten. War bestimmt nur ein Vertipper, schliesslich sitzt das ‹ gleich neben der von-Taste. 😉

das höchste gut der journalisten

Medien sollten daher primär der Aufklärung dienen, nicht der Verführung. Keine klare Grenze zwischen journalistischer Ethik und dazu in Konflikt stehenden Interessen zu ziehen, endet meist in der Käuflichkeit und damit Gefügigkeit gegenüber Inhalten nach dem Gusto Dritter. Solches zu fordern, zuzulassen oder gar zu fördern, pervertiert nicht nur publizistische Werthaltungen, sondern gefährdet letztlich auch das höchste Gut des Journalisten: die eigene Glaubwürdigkeit.
nzz-chefredaktor markus spillmann in einem kommentar über journalisten in krisenregionen. lesenswert.

wertpapier zeitung

[…] Da heisst es immer, viele Journalisten würden sich gegen Online-Journalismus sperren, weil sie Angst vor Bedeutungsverlust hätten. Quatsch! Viele Journalisten sperren sich gegen Online-Journalismus, weil sie die Kraft des Gedruckten lieben, das Gewichten, das Gestalten. Sie lieben ein Wertpapier: die Zeitung.
der kommentar von christof moser in «der sonntag» zur entscheidung der nzz, print- und online-redaktion zusammenzulegen.

irgendwie liest sich das wie ein mini-pamphlet gegen die online-zeitung an sich. man hat fast das gefühl, der schreiber hätte angst, dass man ihm seine gedruckte zeitung wegnehmen möchte. ich dagegen glaube, dass wir online und print noch lange in (mehr oder weniger) friedlicher koexistenz erleben werden. dass man bei der nzz nun die redaktionen zusammengelegt hat, macht vor allem hinsichtlich der bald zu erwartenden paywall sinn. schliesslich erwartet ein zahlender kunde bestimmt mehr, denn ein gratis durchsurfender nutzer. während ein blättchen wie 20min online ihre kundschaft mit ein paar lustigen videos bei der stange halten kann, erwartet man vom zürcher urgestein des qualitätsjournalismus› multimediale hintergrundinformationen in höchster güte. man darf gespannt sein, wie die nzz diesen erwartungen gerecht zu werden versucht.

ten years after

im tv kann man momentan gerade mitverfolgen, wie die weltmeister des pathos ihr bestes geben. auch weitere fünf jahre nach den anschlägen in new york und washington reissen die verschwörungstheorien nicht ganz ab. vor 12 jahren war ich in new york und vor 5 monaten war ich wieder da. wenn sich in dieser zeit etwas in der welthauptstadt geändert hat, dann das bemühen um sicherheit. will man beispielsweise die freiheitsstatue besichtigen, muss man vor dem einsteigen in die fähre einen sicherheitscheck im fluhafenstil über sich ergehen lassen. so weit so gut. doch das gleiche prozedere gibt es dann nochmals auf der insel zu überstehen. da fragt man sich, ob der name freiheitsstatue nicht etwas veraltet sein könnte.

new york hat sich also – zumindest in meiner wahrnehmung – gar nicht so sehr verändert. und wenn es nach professor ruloff von der uni zürich geht, waren auch für die welt andere ereignisse viel bedeutender. in einem interview der nzz beantwortete er die frage, ob die al-kaida letztlich gescheitert sei wie folgt:

Terror ist die Verbreitung von Angst und Schrecken, wahllos und masslos, zur Durchsetzung vermeintlich politischer Ziele. Al-Kaida hat ihre Ziele nicht erreicht. Die Terroristen haben im Sicherheitsbereich die Welt verändert, haben der westlichen Welt ein Stück Freiheit weggenommen. Aber die Herzen der muslimischen Weltbevölkerung haben sie nicht gewonnen. Der arabische Frühling hat weit mehr bewegt als 9/11.

ich hoffe und glaube, dass er recht hat. allerdings müssen wir darauf achten, dass wir damit aufhören unsere freiheiten, auf die wir zurecht stolz sind, nach und nach abzubauen. ein gewisses mass an unsicherheit ist nicht gefährlich, sondern in erster linie nötig für die eben erwähnten freiheiten. weiter sollten wir fremdem und andersartigen nicht mit abgrenzung und aggression gegenübertreten. denn nur wenn wir toleranz und offenheit konsequent leben, können westliche demokratien weiterhin als vorbild für andere länder sein.

wie man die london riots auch lesen kann

[…] Die Krawalle sind auch als deutliche Absage an die institutionalisierte Politik und an die Eliten zu lesen, die zuletzt durch den Politiker-Spesengeldskandal, die Abhöraffäre der Murdoch-Presse, die damit verbundene Bestechung der Polizei, die Exzesse des Finanzplatzes und durch Banker-Habgier fragwürdige Vorbilder schufen und sich um ihre Glaubwürdigkeit brachten. Wiewohl dieser Vergleich hinkt: Denn die Todesopfer und Zerstörungsorgien mit den materiell Geschädigten der Boni-Exzesse und des Spesenbetrugs kurzzuschliessen, opfert Leid und Verlust der Opfer auf dem Altar einer politischen These.
marion löhndorf in der nzz online über die london riots. der artikel ist so gut, dass ich ihn am liebsten ganz hier gepostet habe. das hier zitierte resümee wird dem wohl nur eingeschränkt gerecht. lesen und nachdenken.

die verantwortung der politiker

*nzz:* Der norwegische Attentäter verfolgte eine abstruse islamkritische und fremdenfeindliche Ideologie. Wie kann es überhaupt zu einer so extremen Geisteshaltung kommen?

*Cederman:* Wir wissen, dass die Themenfelder Immigration und Globalisierung von rücksichtslosen Populisten ausgenützt werden, um kurzfristige Wahlziele zu erreichen. Manchmal führt das zu einer missgeleiteten Überzeugung. Politiker haben die direkte Verantwortung, keinen Hass zu verbreiten. Sie dürfen Xenophobie und Rassismus nicht instrumentalisieren. Jede öffentliche Person, die sich Gewaltrhetorik zunutze macht, erhöht die Wahrscheinlichkeit terroristischer Taten. Jede öffentliche Person sollte der Gewalt absprechen. Von Repräsentanten islamischer Organisationen wird das ohnehin erwartet. Auch von rechtsextremen Organisationen sollte verlangt werden, dass sie in ihren eigenen Rängen aufräumen. Menschen, die Gewalt gutheissen, sollen aus jeder Organisation ausgeschlossen werden.

das ganze interview mit dem konfliktforscher lars-erik cederman gibt’s auf nzz online.

die kehrseite der nicht-mitgliedschaft bei der eu

interessanter kommentar in der heutigen nzz am sonntag. hier ein auszug:

[…] Wenn Firmen die Preise senken, um wenigstens Umsätze zu generieren, sinken die Gewinne. Und wenn die Gewinne sinken, werden die Unternehmen Ende Jahr geringere Lohnerhöhungen gewähren können. Von einer derartigen Entwicklung könnten insbesondere die Wähler der SVP betroffen sein, die im Durchschnitt in den tieferen Lohnsegmenten angesiedelt sind. Doch diese Zusammenhänge verschweigt die Partei geflissentlich. Für sie gibt es nur eine Botschaft: Der Alleingang ist fraglos gut, die EU ist der reine Schlamassel.

Die Brüsseler Gemeinschaft bietet zwar derzeit tatsächlich ein klägliches Bild. Aber statt deswegen in Triumphgefühlen zu schwelgen, müsste die Schweiz sich wünschen, dass die EU rasch wieder Tritt findet und der Euro wieder Halt. Denn dann schwächt sich der Franken endlich ab, was der Schweizer Exportwirtschaft neuen Schub verleihen wird. Und der Schweizer Arbeitnehmer hätte Ende Jahr bestimmt mehr Lohn im Portemonnaie, als wenn der Franken weiter steigt und steigt.