als ich zum ersten mal vom schuhwerfenden journalisten al-zaidi hörte, reagierte ich wie die meisten in meinem kulturkreis: amüsiert. nein, wir mögen bush nicht und wir mögen es, wenn sich jemand auf (relativ) gewaltlose art gegen ihn auflehnt. ein geworfener schuh hat etwas lustiges und erinnert irgendwie an die ansprache nikita chruschtschows 1960 vor der uno, bei der laut legende zwar kein fliegender aber immerhin ein klopfender schuh im spiel war.
[bild: ap]
auf den zweiten blick, der mir durch einen beitrag von andré marty aufgezeigt wurde, ist die sache gar nicht mehr so lustig. der irakische journalist muntadar al-zaidi ist ein unbeherrschter mann, der seinem ärger auf unakzeptable weise luft gemacht hat. zusammen mit dem wurf schrie er «hier ein abschiedskuss, du hund». sowohl hunde als auch schuhe gelten in der arabischen kultur als unrein. die aktion des 29-jährigen ist als grobe beleidigung zu sehen, auch wenn wir nur einen schuh und einen spruch mit einem tier wahrnehmen mögen. ein journalist ist eben journalist und sollte sich nicht mit einem widerstandskämpfer verwechseln. ich denke, gerade in einer krisengeschüttelten region ist das eine schwierige angelegenheit. doch wenn ein schreiberling seine beherrschung derart verliert, verlieren auch seine worte jegliche relevanz.
unglücklicherweise ist die geschichte hier noch nicht zuende. während man im internet und vielerorts auch auf der strasse den mut von al-zaidi feiert, wurde dieser von der irakischen polizei verhaftet. danach wurde festgestellt, dass ihm ein zahn fehlt. ausserdem sei sein linkes auge blutunterlaufen und er habe mehrere blutergüsse. es ist offensichtlich: al-zaidi wurde während der haft misshandelt. die ist – unabhängig von kultur und herkunft – zu verurteilen. und doch braucht es nur wenig fantasie, sich vorzustellen, was mit al-zaidi passiert wäre, wenn er seinen schuh bei einer konferenz auf diktator saddam hussein geschmissen hätte.
somit kann mal bestimmt sagen, dass der simple wurf eines schuhs mehr facetten hat, als man auf den ersten blick meinen würde. inzwischen hat die sache auch politische konsequenzen: der parlamentspräsident, der al-zaidi verteidigte ist zurückgetreten nachdem er unter anderem das irakische parlament das mieseste überhaupt genannt hatte. wie ernsthaft die beleidigung tatsächlich war, kann man teilweise bestimmt auch am zu erwartenden strafmass ablesen. 5 – 15 jahre haft sollen dem journalisten drohen. am 31. dezember beginnt sein prozess.