Nils Altaus› Reaktion auf Paris

Machtlosigkeit ist das Gefühl, das mich bei solchen Schlagzeilen übermannt. Und bei vielen anderen Schlagzeilen auch. Manchmal auch bei den fehlenden Schlagzeilen – fehlende Schlagzeilen über die unerträgliche Folter der Massentierhaltung, über die zunehmenden Toten durch den Klimawandel, über täglich 20’000 Kinder, die an vermeidbaren Ursachen sterben. Und dann will ich reagieren. So wie nach Paris. Aber wie reagiert man auf einen Terroristen, der 40 Unschuldige tötet? Ein Unschuldiger kann nicht 40 Terroristen töten. Jedenfalls nicht, wenn er unschuldig bleiben will.

Hollande hat die Antwort schon: «gnadenlos reagieren». Und mit ihm tausende Stimmen in der Politik, auf Twitter, Facebook. Sie forden: Flieger hoch, Bomben raus. Chirurgisch präzis natürlich. Stärke zeigen. Und dann wird’s besser.

Wohl kaum. Die Eskalation ist der Zweck dieser Attentate. Die Grenzen schliessen? Die Schlepper verdienen noch mehr, wenn die Flucht gefährlicher wird. Moderate Muslime überwachen und ausgrenzen? Ausgegrenzte Menschen sind leichter zu radikalisieren. Drohnenangriffe starten und ein paar unschuldige Tote in Kauf nehmen? Nichts vereint zerstrittene Kräfte besser als eine gemeinsames Feindbild. Nicht für die 130 Toten in Paris haben sich die Extremisten in die Luft gesprengt – sondern für unsere Antwort darauf.

Wir sollten ihnen die Antwort geben, die sie verdienen. Nicht mehr Zäune ziehen, mehr Bomben schicken, mehr Präventionskriege, sondern das Gegenteil. Mit jedem Attentat sollten wir mehr aufeinander zugehen. Mit jedem Schuss sollten wir einander mehr zuhören. Mit jeder hasserfüllten Botschaft sollten wir lauter lachen und länger tanzen. Unsere Welt ist nur deshalb besser als die der Extremisten, weil wir Dinge unterlassen, die sie tun. Wir sollten sie noch mehr unterlassen.

Niemand kann sämtliche Attentate dieser Welt verhindern. Aber wir können diese Gesellschaft zu dem machen, was wir lieben und was die Extremisten hassen – zu einer noch freieren, noch glücklicheren und noch gerechteren Gesellschaft.

Gesehen auf Facebook.

Hört auf zu beten – Paris is about life

Schon vor eineinhalb Jahren habe ich hier geschrieben, dass beten jetzt das falsche Mittel sei. Damals ging es um die Krise in Israel. Heute liegt der Herd des Terrors viel näher. Manche mögen die Anschläge von gestern Nacht als eine Art Fortsetzung des Angriffs auf Charlie Hebdo verstehen. Doch anders als damals richteten sich die Aktionen nicht gegen spezielle Akteuere, sondern gegen Zivilisten und im Endeffekt gegen unseren Lebensstil.

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Doch genau jener Lebensstil hat mit Beten nun so gar nichts zu tun. Er beruht auf den Werten der Aufklärung. Immer wieder wurden die religiös begründeten Regeln zugunsten von mehr persönlicher Freiheit beschnitten. Darum wäre es nun auch völlig falsch, mit mehr Einschränkungen zu reagieren. Wir brauchen noch mehr Demokratie, Empathie, Freiheit. Und zwar für alle in gleichem Masse. Unabhängig von Religion oder Herkunft.

Begehen wir nicht den Fehler, die Ereignisse als Angriff der einen Religion auf die andere zu verstehen. Ebenfalls sollte man nicht dem Irrtum unterliegen, die Flüchtlinge für solches Tun verantwortlich zu machen. Denn, guess what: Genau vor so einer Scheisse flüchten die ja hierher.

Was die Menschen in Paris erleben mussten, geht uns alle an, denn: This was an attack on all of humanity and the universal values we share. Ich sehe das genau gleich, wie Präsident Obama.

In diesem Zusammenhang muss ich einmal mehr Jens Stoltenberg zitieren:

The Norwegian response to violence is more democracy, more openness and greater political participation.

Dieser und nur dieser Weg muss eingeschlagen werden, wenn wir «gewinnen» möchten.

Risiko Handgepäck

​Wir müssen akzeptieren, dass die Kontrolle von Handgepäck ein aussichtsloser Kampf ist. Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema Flugsicherheit auseinander setzt, weiss das. Es ist ja nicht so, dass diese Leute die Bombe einfach in ihrem Koffer verstauen. Es gibt unzählige Wege, sie zu tarnen. Es gibt die Möglichkeit, die Bombe auf mehrere Koffer aufzuteilen oder sie im Koffer eines anhnunglosen Mitreisenden unterzubringen. Das Personal an den Sicherheitskontrollen soll all das in weniger als einer Minute zuverlässig aufspüren. Mit Verlaub, niemand schafft das.

Diese Aussagen kommen nicht von irgendwem, sondern von Rafi Sela, dem ehemaligen Sicherheitschef des Ben Gurion Flughafens in Tel Aviv. Im Interview mit watson.ch lässt er sich sogar dazu verleiten, zu sagen, dass der Germanwings-Pilot in Israel gestoppt worden wäre. Ich war selbst schon auf diesem Flughafen und wünsche die Abfertigung bei der Ausreise eigentlich niemandem, denn sie kann sehr mühsam und vor allem auch lang andauernd sein. Andererseits stimme ich ihm zu, wenn er sagt, dass diese Art der Sicherheitskontrolle mehr bringt als das Scannen der Koffer.

Wer mehr Sicherheit will, wird auf der Komfort- bzw. Freiheitsseite verlieren. Er wird mehr Zeit einberechnen müssen und zudem weitaus mehr von seinen persönlichen Daten preisgeben. Und: Selbst dann gibt es die absolute Sicherheit natürlich noch lange nicht. Also… wer von uns möchte am Flughafen ZRH schon gerne eine Stunde länger einplanen müssen, weil die Checks einfach so lange dauern? Eben.

Mein Editorial

watson.ch hat die User aufgerufen, ein Editorial zu schreiben. Nicht für sich, sondern für 20 Minuten. Dies als Reaktion auf eine als Editorial getarnte Anzeige der SVP, die die ganze Frontseite des Gratismagazins einnahm. Natürlich konnte ich dann nicht anders als selbst in die Tasten zu hauen. Voilà:

Alle vier Jahre haben wir die Gelegenheit, die Zukunft unseres Landes entscheidend mitzuprägen. Das ist ein enormes Privileg, auf das wir ruhig ein wenig stolz sein dürfen. Ich sage „ein wenig“, weil Hochmut bekanntlich vor dem Fall kommt. Und fallen möchten wir ja nicht, oder? Viel zu schön ist es hier, wo man sich fast alles leisten kann, obwohl die Preise im internationalen Vergleich ein hohes Niveau aufweisen. Wir haben uns diesen Lebensstandard erarbeitet. Mit einer innovativen Wirtschaft, die nur mit wenigen Schranken zu kämpfen hat und darum zu denn wettbwerbsfähigsten weltweit gehört. Aber auch mit einem gut funktionierenden sozialen Netz, das einen auffängt, wenn es dann mal eben doch nicht so richtig gut läuft. Dazu kommen hervorragende Möglichkeiten, sich aus- und weiterzubilden. Und auch wenn man uns ständig etwas Anderes beibringen möchte: Wir sind richtig gut in Sachen Integration. Wann hast Du die letzte Pizza gegessen, wann den letzten Döner? Schmeckt das Curry beim Thai um die Ecke?

Dies waren und sind die Erfolgsgaranten der Schweiz. Setzen wir uns dafür ein, dass wir sie nicht selber aus einer unbegründeten Angst heraus abbauen. Weiter sollten wir dafür kämpfen, ein offenes Land zu bleiben, das die Stärke der Vielfalt der Bevölkerung zum eigenen Vorteil nutzen kann. Denn wie steht es in der Kuppel des Bundeshauses? Unus pro omnibus, omnes pro uno – Einer für alle, alle für einen.

Selbstverständlich war der Text zu lang. Nur gerade 790 Zeichen waren nämlich zugelassen. Das mag für ein paar markige Worte aus einer extremen politischen Ecke langen, für mich eher nicht. Trotzdem habe ich das Ding dann so weit gekürzt, dass es doch noch auf watson.ch publiziert werden konnte. Hier nämlich.

Obama im Rolling-Stone-Interview

Barack Obama gibt dem Rolling Stone ein langes Interview. Hier ein Ausschnitt zum Thema Klimaschutz bzw. Climate Change.

So that’s why I continually go back to the notion that the American people have to feel the same urgency that I do. And it’s understandable that they don’t, because the science right now feels abstract to people. It will feel less abstract with each successive year. I suspect that the record wildfires that we’re seeing, the fact that half of the West is in extreme or severe drought right now, is making people understand this better. If you talk to people in Washington state right now, I suspect, after having tragically lost three firefighters, and seeing vast parts of their state aflame, that they understand it better. If you go down to Florida, and neighborhoods that are now flooding every time the tide rises, they’re understanding it better.

And part of what’s happening is a recognition that it is going to be cheaper to take action than not. That’s one of the hardest things in politics to convince people of: to make investments today that don’t pay off until many years from now.

But what’s now happening — and that’s part of what I’ve been trying to highlight — is that the costs are starting to accrue right now. We’re spending about a billion dollars a year on firefighting, and the fire season extends now about two and a half months longer than it did just a few decades ago. And that’s money that could be spent on schools. That’s money that could be spent on fixing roads. That’s money that people could spend in their own households.

Die Anstalt

Ich mag Die Anstalt ja sowieso. Aber was die gestern da abgeliefert haben, war schon ganz grosses Kino. Weit über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus wurde da bitterböse über den Umgang mit den Flüchtlingen philosophiert. Aber keine Angst, es wurden auch Lösungen präsentiert. Total unmögliche zwar, aber immerhin. 😉 Hier gibt’s die ganze Sendung für all jene, die am TV keine Replay-Funktion haben.

This is huuuuuge

Donald Trump übt schon mal seinen Auftritt in Jimmy Fallons Tonight Show. Dafür hat er auch echt grossartige Antworten auf Fragen wie «How are you gonna create jobs in this country» parat: I’m just gonna do it. Wer solch überdachte Lösungen bereithält, den muss man einfach wählen, oder?