Israel – Schwarz und Weiss?

Ich muss vorausschicken, dass ich mich nicht als Israel-Experte verstehe. Die Diskussion in den letzten Wochen hat mich aber enttäuscht. Das Land liegt mir am Herzen, weil ich es schon besucht habe und es mir schlicht den Atem verschlagen hat. Und weil meine Sicht in keinen Tweet passt, hier ein paar Ausführungen dazu.

Ich lese momentan eigentlich nur zwei verschiedene Meinungen in hiesigen Kommentarspalten. Beides sind letztlich Extrempositionen, bei denen es mich überraschen würde, wenn sie zur Lösung des Konflikts einen Beitrag leisten könnten. Hier die beiden Positionen:

  1. Hamas ist eine Terrororganisation
  2. Israel ist in diesem asymmetrischen Konflikt massiv überlegen

Und ja, auf den ersten Blick sind beide Positionen nachvollziehbar und auch aus meiner persönlichen Sicht korrekt. Das Problem ist nun aber, was jeweils davon abgeleitet wird.

Aus der ersten Position wird dann meistens gefolgert, dass die Hamas zusammen mit Syrien, Irak und Iran die Zerstörung Israels anstreben. Mit Terroristen könne und dürfe man nicht verhandeln. Darum sei es nur folgerichtig, dass Israel sich verteidige und dies auch in dem massiven Ausmass, das wir in den vergangen Wochen gesehen haben.

Die zweite Position führt dazu, dass man Israel als Aggressor wahrnimmt und die Angriffe auf die Palästinensergebiete als völlig übertriebene Verteidigung des eigenen Landes versteht. Weil man derart übermächtig sei, müsse man den «Kleineren» ein bisschen machen lassen und nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen.

So verkürzt ich diese beiden Positionen nun dargestellt hab, so wenig taugen sie dafür, irgendwas zu verbessern. Man wird diesen Konflikt mit keiner von ihr nur ansatzweise lösen können. Er schwelt und eskaliert mittlerweile schon so lange, dass es unmöglich ist, jemandem die Schuld daran zu geben. Ausser, man gibt sie allen Beteiligten, begreift, dass das Eingestehen selbiger Voraussetzung dafür sein dürfte, sich auch nur in die Nähe des Verhandlungstisches zu begeben. Von aussen betrachtet sollte das doch immer noch das Ziel sein, oder? Tatsächlich ist diese Frage mehr als reine Rhetorik. Wenn ich mir die letzten Wochen so anschaue, bekomme ich den starken Eindruck, dass die Entscheidträger auf beiden Seiten nicht wirklich ein Interesse an Frieden haben. Ihre Macht basiert auf dem Antagonismus zwischen den beiden Konfliktparteien. Solange der politische Wille dafür nicht nur fehlt, sondern sogar in die andere Richtung geht, kann und wird diese Region nun jeweils kurzfristig zur Ruhe kommen. Die aus der Ferne betrachtet erstrebenswerte Zwei-Staaten-Lösung ist weiter entfernt als der Mars. Leider. Jede neue Siedlung auf eigentlich palästinensischem Gebiet und jeder Selbstmordattentatversuch eines Palästinensers vergrössert diese Distanz noch ein wenig mehr.

Aber genau weil es so ausichtslos ist, sollten wir nicht den Fehler machen, bei der reinen Schwarz/Weiss-Betrachtung mitzumachen. Bleiben wir differenziert, können wir vielleicht einen Beitrag leisten.

Alex Baur, George Floyd und die Fairness

Alex Baur ist ein intelligenter Mensch. Bestimmt intelligenter als ich. Trotzdem schreibt er für die Weltwoche. 😉 Aber wir wollen fair bleiben, denn darum soll es in diesem Beitrag ja gehen. Und darum sollten wir vielleicht zuerst anschauen, was Fairness überhaupt bedeutet. Gibt man „Fairness Definition“ bei Google ein, erscheint folgendes Resultat:

Substantiv, feminin [die] 1. anständiges Verhalten; gerechte, ehrliche Haltung andern gegenüber 2. Sport den [Spiel]regeln entsprechendes, anständiges und kameradschaftliches Verhalten beim Spiel, Wettkampf o. Ä.

Die online Version des Cambridge Dictionary meint:

the quality of treating people equally or in a way that is right or reasonable.

Mir ist diese Version näher. Es mag aber bezeichnend sein, dass es keine vorherrschende Definition des Begriffs gibt. So bastelt so mancher sich seine eigene Version.

Nun zu George Floyd. Er war definitiv kein Heiliger. Es ist relativ mühsam, sich über ihn zu informieren, weil die meisten Quellen in die eine oder andere Richtung gefärbt zu sein scheinen. Mein Punkt ist aber ein ganz anderer: Unabhängig davon, wie jemand aussieht, wie er sich verhält, die Staatsgewalt soll ihn verhältnissmässig und fair behandeln. Vor dem Gesetz sind wir alle gleich. Ansonsten können wir uns nicht auf den Staat und seine ausführenden Kräfte verlassen. Das stiftet Unsicherheit, Angst und ein Klima, in dem das Verfolgen persönlicher Ziele schwer bis unmöglich zu drohen wird. Es schwächt die Gesellschaft als Ganzes.

Nun gibt es Hinweise (The Guardian, CNN, CNBC) darauf, dass die Polizei in den USA dunkelhäutige Menschen generell schlechter behandelt und sogenanntes Racial Profiling betrieben wird. Im speziellen Fall von George Floyd ist bekannt, dass dieser minutenlang ein Knie auf seinem Hals erdulden musste. Obwohl er wiederholt geäussert hatte, er könne so nicht atmen, wurde das Knie nicht gehoben. George Floyd ist gestorben. Die Black-Lives-Matter-Bewegung wurde geboren. Auch sie hat nicht nur Gutes getan. Doch ihr Ruf nach Gleichberechtigung und Gleichbehandlung dunkelhäutiger Menschen, speziell in den USA aber auch weltweit, wurde gehört. Er war und bleibt leider berechtigt.

Als vorgestern verkündet wurde, der fragliche Polizist werde tatsächlich für die Tötung Floyds zur Rechenschaft gezogen, gab es Leute, die gejubelt haben. Ich gehörte nicht dazu. Gestern habe ich getweetet, das heute und immer #BlackLivesMatter gelte.

Doch mir war klar, unter welchem enormen Druck die Verantwortlichen bei diesem Prozess gestanden haben mussten. Alex Baur nennt es als Zitat von Candace Owens „Mob Justice“. Das ist natürlich falsch. Denn hier wurde niemand durch die Gassen getrieben, aufgehenkt, gevierteilt oder verbrannt. Dessen ist sich Alex Baur natürlich auch bewusst. Nicht weiter zu differenzieren ist aber halt billig, unfair und falsch. Dass er sogar noch vorausschickt, das sei alles, was es zum Prozess zu sagen gebe, macht es noch ein wenig lächerlicher. Es gäbe so viel mehr zu sagen.

So bin ich selbst auch fest davon überzeugt, dass dieser Polizist keinen fairen Prozess erhalten hat. Das war unter diesen Umständen einfach praktisch unmöglich. Der Umkehrschluss, dass hier ein Unschuldiger zu langer Haft verurteilt werden könnte, dürfte aber ebenfalls falsch sein.

[Hier der Link zum Tweet]

Und jetzt kommen wir zu Alex Baur. Er wirft mir plakativ und auch etwas unkreativ vor, ich sei ein „fieser Fries“. Solche wie mich gebe es noch viel auf dieser Welt. Es ist etwas enttäuschend, dass er sich nicht mehr Mühe mit der Beschimpfung gibt. Aber was soll’s, vielleicht fällt ihm für den nächsten Kontertweet etwas Besseres ein. Vielleicht ja sogar ein echtes Argument. Problematisch ist, dass er nun auf Basis dieses einen Prozesses mithilfe der höchst parteiischen Fox-Berichterstattung meint, er habe das Problem geortet. Das ist einseitig und mangels Einbettung in einen grösseren Kontext eines Journalisten unwürdig. Es mag ein bisschen nach Whataboutism klingen, doch es kann und darf an dieser Stelle einfach nicht unerwähnt bleiben, dass in den USA nun über Jahre immer wieder Polizeigewalt gegen Dunkelhäutige praktisch ungestraft blieb. Das war unfair, ungerecht und dies systematisch. Logisch macht dies den unfairen Prozess gegen den Polizisten Chauvin nicht ungeschehen und auch nicht besser. Aber es kann als Erklärung für den Druck dienen, unter dem nun die Justiz nun stand. Und was brauchen wir nun, damit dieser Druck nachlässt? Das ist zum Glück sehr einfach. Es braucht Fairness.

Mir scheint es generelles Kalkül Alex Baurs zu sein, lieber die Ausnahme en detail zu besprechen, als über die grösseren Zusammenhänge nachzudenken. Das wäre an sich nicht tragisch. Doch in aller Regel versucht er dann, vom einen Spezialfall einen generellen Trend abzuleiten, was halt einfach ein Fehlschluss ist. Gerade weil er wahrscheinlich weiss, dass dem so ist, handelt es sich dann nicht um Unvermögen, sondern um absichtlich gelebte Unfairness. Vielleicht ist es falsch von mir, von jemandem, der für ein politisches Magazin wie die Weltwoche schreibt, Fairness zu erwarten. Aber so ganz mag ich die Hoffnung nicht aufgeben.

Come on Alex, Du kannst es besser! 👍🏾

Corona und kein Ende

Einerseits ist die Zeit seit März wie im Fluge vergangen, andererseits habe ich das Gefühl, wir seien schon ewig in dieser Pandemie. So oder so haben sich in meinem Kopf einige Themen angestaut, zu denen ich gerne etwas loswerden möchte. Wenig erstaunlich haben sie alle irgendwie mit «Corona» zu tun.

Versagen in der zweiten Welle

Es war für mich unglaublich, wie unterschiedlich man in der Schweiz auf die zweite Welle verglichen mit der ersten reagiert hat. War in der ersten noch wenig über das Virus bekannt, so waren die Massnahmen doch klar und griffig. Der Lockdown war nicht lustig, hatte aber dazu geführt, dass wir relativ «schlank» durch die erste Welle kamen. Mir schien es, das Risiko wurde nicht nur von der Bevölkerung, sondern vor allem von Bundesrat und Parlament katastrophal unterschätzt. Dementsprechend kamen wir unter die Räder. 100 Tote pro Tag hatten wir über einen langen Zeitraum zu beklagen. Einhundert. Ein Wahnsinn. Zumal ein Wahnsinn, der zumindest in diesem Ausmass zu verhindern gewesen wäre. Aber nein, der Bundesrat übergab das Zepter an die Kantone:

Föderalismus in der Krise

Ein doppeldeutiger Titel, bemerkt? Zum einen hat sich gezeigt, dass in der Krise die falsche Zeit ist, um auf Föderalismus zu setzen. Zum anderen würde ich sagen, dass auch die Abstimmung unter den Kantonen mangelhaft war und sich diesbezüglich auch für die Zukunft gewisse Fragen stellen.

Es war ein spezieller Zufall, dass genau in jener Phase auch noch eine Abstimmung aufgrund des Ständemehrs entschieden wurde. Ich glaube weiter an den Minderheitenschutz und stehe hinter der Idee dieses Instruments. Trotzdem muss man die Entwicklung im Auge behalten.

Im Restaurant essen?

Im Lockdown war alles klar. Die Restaurants waren zu. In der zweiten Welle blieben sie offen, gleichzeitig galt aber die Empfehlung des Bundesrates, besser zuhause zu bleiben. Warum dieser Widerspruch nicht mehr Entsetzen ausgelöst hat, ist mir nicht ganz klar. Ich bin der Meinung, dass man die Restaurants unterstützen muss, solange es keine verordnete Schliessung und damit Ausgleichszahlungen gibt.

Warum sehe ich nur noch Verschwörungstheoretiker*innen?

Ging es Euch in diesem Jahr auch so? Gefühlt die Hälfte der online vertretenen Kontakte verbreitete irgendwelche kruden Ansichten. Lange habe ich mich gefragt, wie es zu dieser Häufung kommen konnte. Irgendwann kam ich zur überraschend einfachen Antwort.

Der ernüchternde Part: Diese Leute haben schon immer geglaubt, 9/11 sei ein Inside Job gewesen oder Bill Gates wolle uns alle chippen. Vielleicht haben wir das nicht bemerkt, weil bis dato keine Themen zur Sprache kamen, wo sich solche Theorien offenbart hätten. Nun gibt es dieses Jahr halt eben nur ein Thema und das ist nunmal Corona. Darum überschneiden sich nun deren abstruse Gedankengänge mit «unseren» Interessen. As simple as that.

Brauchen wir eine Impfpflicht?

Hätte man mir diese Frage vor einem Jahr gestellt, hätte ich sie mit einem deutlichen Nein beantwortet. Wie kann man nur auf eine solche Idee kommen? Inzwischen sehe ich, wie die Bereitschaft, sich zu impfen seit März um etwa 10 Prozentpunkte abgenommen hat. Und ich höre von vielen Leuten, dass sie sich sicher nicht impfen lassen würden. Klar, das ist nur meine Bubble, aber trotzdem. Ohne einen grossen Anteil von Geimpften in der Bevölkerung, werden wir kaum ein baldiges Ende der Corona-Massnahhmen erleben. Demnach würde es also eine Impfpflicht brauchen.

Aber: Ich glaube nicht, dass diese in der Schweiz eine Chance hat. Nur schon die stete Betonung der «Eigenverantwortung» in den vergangenen Monaten hat gezeigt, dass man möglichst nicht auf die Karte Zwang setzt, was ja im Prinzip erfreulich ist. Ein indirekter Zwang wird mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Fluggesellschaften kommen. Sehr gut möglich, dass man nur mit bestätigter Impfung ins Flugzeug steigen darf. Ähnliches wäre theoretisch auch für Konzerte oder Sportveranstaltungen möglich. Der dadurch erzeugte soziale Druck mag nicht angenehm sein, anders werden wir aber die benötigte Impfquote kaum erreichen.

Und ja, ich persönlich werde mir den Shot sobald wie möglich holen.

Ueli Maurer

Der Zürcher Oberländer hat sich hier einen eigenen Abschnitt verdient. Kein anderer Bundesrat hat sich in diesem Jahr dermassen unkollegial und asozial verhalten. Er wollte die SwissCovid App nicht benutzen, weil er keine Ahnung von solchem Zeug habe. Er hat Covid-19 wiederholt als Grippe bezeichnet, obwohl längst klar ist, dass es sich eben nicht um eine konventionelle Grippe handelt. Er hat gesagt, man habe in der zweiten Welle eine Güterabwägung gemacht. Klingt harmlos. Die Aussage dahinter: Die über 100 Toten pro Tag seien in Kauf zu nehmen, damiit die Wirtschaft normal weiterlaufen könne. Solches Verhalten ist einem Bundesrat nicht würdig, weshalb ich finde, Ueli Maurer sollte zurücktreten. Dass an seinem 70. Geburtstag dann noch ein stehendes Geburtstagslied im Parlamant angestimmt wurde, wobei viele keine Maske trugen, passt leider nur zu gut zu ihm.

Angela Merkel

Sie ist so etwas wie der Gegenentwurf zu Ueli Maurer. Führungsstark, intelligent, empathisch. Sie zeigt dieser Tage, warum man sie in den kommenden Jahren wohl noch sehr vermissen wird. Mit ihrem Background weiss sie, wie man Statistiken interpretiert. Etwas, das man von unserem Bundesrat leider nicht behaupten kann. Sie knickt zudem nicht vor den Lobbies ein, die in Deutschland bestimmt nicht schwächer sind als in der Schweiz. Und sie ist sich nicht zu schade, auch einmal einen etwas emotionaleren Ton zu wählen. Letzendlich vertraut sie der Wissenschaft, was sie gerade heute gegenüber dem intellektuell am stärksten benachteiligten Teil der deutschen Politik einmal mehr deutlich mitgeteilt hat.

Ähnliches lässt sich auch über Neuseelands Jacinda Adern oder Finnlands Sanna Marin sagen. Frage mich gerade, welche andere Gemeinsamkeit diese drei Personen teilen… 😉

Sonderbehandlung der Kirchen

Dass Kirchen 2020 immer noch eine Spezialbehandlung geniessen, ist eine Beleidigung für alle, die im Kultur- oder Gastrobereich mit grossen Einschränkungen umgehen müssen. Konkret hiess es gestern:

Öffentliche Veranstaltungen werden mit Ausnahme von religiösen Feiern sowie Versammlungen von Legislativen verboten.

BZ

Gerade die Sportclubs haben aufwändige Schutzkonzepte erarbeitet (und für eine sehr kurze Zeit auch umgesetzt). Sie dürfen anders als Kirchen weiterhin keine Zuschauer in ihre Stadien lassen.

Das Bild

Daniel Probst alias @skepteis auf Twitter hat nicht nur die tolle Informationsseite corona-data.ch zu verantworten, er hat auch diese imposante Grafik erstellt:

Es handelt sich um rote Quader. 5593 rote Quader. 60 x 60 x 200 cm pro Stück.

Bleibt gesund!

Immer wieder Greta (oder doch «Klimahysterie»?)

Wieder so ein Beitrag, der schon seit Monaten in mir schlummert. Ich werde mal versuchen, einigermassen strukturiert zu bleiben.

Der Greta-Effekt
Wir zäumen das Pferd mal von der verkehrten Seite auf und beginnen quasi am Ende. Was hat Greta gebracht? War alles nur Show und hat dem Issue Klimawandel gar nichts gebracht? Ich kann es kurz machen, nein, war es nicht. Die folgende Grafik zeigt, wie sich das Interesse am Thema seit Gretas Aktivität verändert hat:

Google-Suchen-Klimawandel

Der Ausschlag am weltweiten Klimastreiktag ist gemäss diesen Daten deutlich höher als an der doch nicht ganz unwichtigen Klimakonferenz von Paris. Sie hat das Thema also in den Vordergrund gebracht. Und vielleicht hat sie auch all den Desillusionierten ein wenig gezeigt, doch, auch als einzelne, sehr junge Person kann man Dinge bewegen. Wie nachhaltig der Effekt sein wird, wird sich zeigen.

Die Klimahysterie
Von den Gegnern Gretas wird nun gerne von einer Klimahysterie gesprochen. Besonders «schlaue» Köpfe haben sogar schon Baseballcaps mit diesem Schlagwort anfertigen lassen. Es mag auf diese Menschen tatsächlich wie eine Hysterie wirken, weil sie sich dem Thema über Jahrzehnte verschlossen haben. Die Tatsachen sehen ein wenig anders aus. Hier ein Ausschnitt aus der Einführung in die Erklärung von Rio 1992:

UNCED made it plain that we can no longer think of environment and economic and socialdevelopment as isolated fields. In addition to major international treaties and agreements concludedat the Earth Summit on issues of global climate change, biological diversity, deforestation, anddesertification, the Declaration of Rio contains fundamental principles on which nations can base theirfuture decisions and policies, considering the environmental implications of socio-economicdevelopment.

Schon vor 27 Jahren herrschte da also ein Konsens darüber, dass etwas getan werden muss. Die über 350 Seiten lange Agenda 21 (Punkt 9) gibt konkrete Handlungsanweisungen, wie unter anderem gegen den Klimawandel vorgegangen werden soll. Von einer Hysterie, Panikmache oder von einem Trend kann also nicht gesprochen werden. Der Vorteil an diesen Schlagworten ist, dass man sofort erkennt, wer gar nicht über die Sache diskutieren will.

Das Klima und das Wetter
Ja, wir erleben gerade einen relativ kühlen Mai 2019. Und ja, manchmal schneit es sogar im späten Frühling. Solche Phänomene nennt man Wetter. Ein paar kühle Tage im Sommer oder eben eine warme Phase im Winter haben nichts mit einem Nichtstattfinden des Klimawandels zu tun, sondern sind alltägliche Abweichungen des Wetters.

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Die Grafik (von Wikipedia) zeigt die Veränderung der Temperatur seit 1850. Der Temperaturanstieg ist ebenso deutlich sichtbar wie jener der CO2-Emissionen.

Richtig, Temperaturschwankungen hat es ebenfalls schon immer gegeben. Aber: Nicht solche enormen Ausschläge in so kurzer Zeit. Es ist zudem davon auszugehen, dass sich Wetterphänomene wie tropische Stürme (Hurricanes bzw. Zyklone) aufgrund des Klimawandels häufen.

Das Klima und die Austern
Nun könnte man natürlich sagen: «Cool, ich mag warmes Wetter, Flip-Flops an den Füssen und das Faulenzen in der Hängematte im Schatten der Palmen». Der Mensch wird tatsächlich kaum grössere Probleme mit dem generellen Temperaturanstieg haben, die Natur aber sehr wohl. Es gibt viele Beispiele (schmelzende Gletscher, schwindender Permafrost, schmelzende Eisberge), die wir bestens kennen. Ein sprichwörtliches Luxusproblem bahnt sich aber ebenfalls an: Ist das Meer zu warm, gedeihen Krankheitserreger besser, welche die Meeresdelikatesse schlechthin hinwegrafft. Austern sind durch den Klimawandel bedroht. Wer’s lieber kuschlig statt schleimig mag: Auch die Koalas sind durch den Klimawandel bedroht. Die Liste liesse sich fortsetzen, doch geht es vielmehr um das grosse Ganze. Wie eingangs dieses Abschnitts gesagt: Während der Mensch gute Möglichkeiten hat, sich anzupassen, brauchen Flora und Fauna unter Umständen länger oder schaffen es gar nicht.

Aber, was ist mit den anderen Theorien?
Es gibt praktisch zu jeder von Experten vertretenen Theorie eine Gegentheorie, die wiederum von andere Experten gestützt wird. So ist das auch beim Klimawandel. Gerade jene Wissenschaftler, die abweichende Theorien stützen, werden gerne zitiert. Nun ist es aber so, dass (laut NASA) 97% der Wissenschaftler in diesem Bereich den Klimawandel als nicht nur vorhanden, sondern auch menschengemacht verstehen. Theoretisch könnten auch die 3% der Wissenschaftler im Recht sein, die Wahrscheinlichkeit dürfte aber relativ klein sein. Und genau weil mit an Sicherheit sehr nahe grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass der Klimawandel menschengemacht ist, sollten wir nun endlich Lösungen suchen. Das haben auch die Wählenden in Europa verstanden:

Europawahl 2019
Eine Steigerung des Anteils der Grünen durch die gerade erfolgte Europawahl 2019 um immerhin etwas mehr als 2 Prozentpunkte stimmt zuversichtlich.

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Während die Populisten weiter von «Klimahysterie» schreien werden, kann man als halbwegs neutraler Beobachter durchaus zur Ansicht gelangen, dass die Wählenden die Zeichen der Zeit erkannt haben. Die italienische Zeitung Repubblica spricht von einem Greta-Effekt.

Und was hat nun Greta damit zu tun?
Sie ist – gewollt oder nicht – zur Gallionsfigur einer Bewegung geworden, die nicht nur begriffen hat, dass der Klimawandel ein dringliches Problem ist, sondern die auch entsprechende Lösungen fordert. Wenn diese (noch nicht wahlberechtigte) Generation dafür ein paar Schulstunden geschwänzt hat: So fucking what. Schauen wir heute auf Martin Luther Kings legendäre Rede in Washington zurück und reden darüber, wer dafür die Schulstunden verpasste?

Tatsächlich hat es in der Schweiz Fälle gegeben, in denen Lehrer die SchülerInnen quasi zur Teilnahme an solchen Events «gezwungen» haben sollen. Wenn dies stimmt, wäre es natürlich nicht nur falsch, sondern auch schädlich für die Glaubwürdigkeit der Bewegung. Gleichzeitig weiss jeder, der für seine Ideale einstehen will, dass es mit der Konsequenz nicht immer so einfach ist. Wer das Gegenteil behauptet, werfe den ersten Stein. 😉

Im Kern zeigt sich aber, dass eine Bewegung wie jene für den Kampf gegen den Klimawandel viel schlagkräftiger wird, sobald sie ein Gesicht hat. Genau das ist mit Greta nämlich passiert. Klar wird sie als Person angreifbar, als grosser Vorteil bleibt aber die Möglichkeit der Identifikation. Wie gut die Dame aus Schweden dafür geeignet ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Für mich ist aber zentral, dass es eine Identifikationsfigur gibt. Es ist nicht wichtig, dass genau sie es ist, sondern das wofür sie steht und dass sich tatsächlich etwas ändert. Auch die Kantonalwahlen in der Schweiz geben diesbezüglich Grund für einen gewissen Optimismus. Wichtig ist vor allem, dass der grüne Gedanke nicht den Linksparteien überlassen wird, sondern dass auch in der Mitte angesiedelte wie die GLP von diesem Schwung profitieren können. Ob die leicht anbiedernd wirkende Kehrtwende der FDP wirklich ernst genommen werden kann, wird sich derweil zeigen. Sicher ist, dass momentan auch deren Mitglieder den Klimawandel als zentrales Thema verstanden haben.

Was soll man da noch sagen? Vielleicht: Danke, Greta.

Schwulsein 2019

Nein, das wird nicht mein Coming-Out. 😉 Und eigentlich habe ich das Gefühl, das Thema sei längst durch. Aber dann gibt es diese Momente, in denen ich mich tief ins letzte Jahrtausend zurückversetzt fühle. Welche Momente? Drei Beispiele:

  1. Die sogenannte Heiratsstrafe sollte per Abstimmung abgeschafft werden. So weit, so logisch. Nur hatte die CVP damals einen Passus in den Gesetzestext geschmuggelt, der die Ehe strikt zwischen Mann und Frau definierte. Darum verlor man die damalige Abstimmung. Nun wird sie eventuell wiederholt, weil die Informationen im Abstimmungsbüchlein nicht korrekt waren. Würde sie in dieser Form dann angenommen, wäre der Weg für die längst fällige Ehe für alle blockiert.
  2. Der Rahmen der Antirassismusstrafnorm soll weiter gefasst werden und künftig auch sämtliche sexuelle Orientierungen schützen. Generell kann man gegen dieses Gesetz sein, weil es die Meinungsäusserungsfreiheit einschränkt. In der Diskussion um die Erweiterung fällt aber auf, dass praktisch nur jene Parteien und Exponenten dagegen sind, denen Homosexuelle ein Dorn im Auge sind.
  3. Im Rahmen eines Promi-TV-Formats hat Sven Epiney «um die Hand seines Partners angehalten». (Anführungs- und Schlusszeichen, weil in der Schweiz eine Heirat aktuell nicht möglich ist) Der Hass dem das schwule Paar sich danach auf Social Media ausgesetzt sah, war laut Boulevardblatt Blick enorm.
  4. Ja, ich weiss, drei habe ich gesagt… Der Sultan von Brunei, der Schwule sogar steinigen lassen will, sei hier auch erwähnt. Es ist ziemlich offensichtlich, dass so etwas Wahnsinn ist.

How hard can it be? Können wir uns nicht auf wesentliche Probleme – wie zum Beispiel den Klimawandel – konzentrieren und die Menschen lieben lassen, wen sie eben lieben? Irgendwie ist es mir fast ein wenig peinlich, 2019 noch einen Beitrag darüber schreiben zu «müssen».

Solange es (mindestens via Social-Media-Kommentare) einen Skandal auslöst, wenn ein Schwuler seinem Partner einen Antrag macht, so lange haben wir noch viel Arbeit vor uns. Und offenbar braucht es solche eigentlich ziemlich doofen Events, die uns als Gesellschaft nicht nur immer wieder zeigen, dass es Homosexualität gibt, sondern auch, dass sie völlig «normal» ist. Schwule Lehrer «machen» ebensowenig schwule Schüler, wie das Hören von George Michaels Faith schwul macht. Machen wir uns locker, akzeptieren die Vielfalt nicht nur, sondern geniessen sie. Bei letzterem sind vielleicht auch die Homosexuellen selbst angehalten, etwas offener zu werden. Nur wenn sie auch sichtbar sind, können sie jemals den angestrebten Status jener Belanglosigkeit erlangen, die jedes Heteropaar längst kennt. Zwei Männer schlendern händchenhaltend der Seepromenade entlang? So fucking what.

Schon beim Schreiben dieses Textes fällt mir auf, wie wenig Verständnis ich für die negativen Einstellungen gegenüber Homosexuellen habe. Mir ist es komplett egal, welche Frau mit welchem Mann ins Bett geht, warum sollte es mich dann stören, wenn es Frau und Frau oder Mann und Mann miteinander tun? Aus Erfahrung weiss ich, dass lesbische Frauen generell mit weniger Gegenwind zu kämpfen haben als schwule Männer. Und das wiederum liegt vor allem an uns Männern. Nicht selten habe ich den Satz gehört «Schwule sind mir doch total egal, aber die sollen mich einfach nicht anmachen». Lange habe ich nicht gecheckt, warum das so ein Problem sein sollte. Irgendwann stellte ich für mich dann aber die These auf, dass es von einer Spiegelung des jeweils eigenen Flirtverhaltens herkommen musste. Ja, wer selbst superflach flirtet und im Club seine Hände nicht bei sich behalten kann, der hat vielleicht etwas mehr «Angst» vor flirtenden Schwulen. Aber wessen Problem wäre das denn, wenn diese These zutrifft? Eben.

 

PEACE

Der Ex-Eishockeygoalie und die SVP-Propaganda

So langsam wird es zur Gewohnheit, dass ich über jede SVP-Abstimmung etwas schreiben «muss». Dieses Mal wollte ich es bleiben lassen. Ehrlich. Aber dann ist mir etwas passiert, das mir auf sehr bildhafte Weise gezeigt hat, wie sich die SVP-Propaganda gewandelt hat.

Früher (und vielleicht bei anderen Abstimmungen dann auch wieder) waren es stark überzeichnete Karikaturen, die selbst Kleinkindern klar gemacht hatten, dass die Schweiz in grosser Gefahr sei und man deshalb eben das gewünschte Wörtchen auf den Abstimmungszettel schreiben müsse. So weit, so durchschaubar. Oft haben wir über Motive (schwarze Hände, schwarze Schafe, etc.) diskutiert und ihre absichltich diskriminierende Darstellung kritisiert. Nun ist alles anders. Rot, Schwarz und Weiss wurden durch ein neutrales Orange abgelöst, das eher zu einer biederen CVP-Gemeinderatswahl von Toni Huber passen würde. Und genau das ist natürlich der Trick: Mit gefälliger, sympathischer und vermeintlich positiver Darstellung wird die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative (SBI) zur Annahme empfohlen.

Obwohl ich eigentlich immer wieder andere Erfahrungen gemacht habe, dachte ich mir, dass diese Taktik nicht aufgehen würde. Die mündigen Menschen in diesem Land würden doch sofort durchschauen, dass sie hier an der Nase herumgeführt würden. Aber mitnichten. Letzte Woche bin ich auf Facebook dann in eine Diskussion geraten, nachdem ich auf der Timeline eines ehemaligen Eishockeygoalies einen von ihm geteilten Beitrag kommentiert hatte. Es war die flammende Rede von Roger Köppel für die SBI.

Disclaimer: Es war nicht dieses Video. Leider finde ich es nicht mehr. Die Stossrichtung hier ist aber die gleiche.

Ich habe leider nur noch einen Teil der Kommentare als Screenshots:

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Die Antwort des Ex-Eishockeygoalies: Das macht mir Angst.

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Ich habe dann höflich (echt jetzt) nachgefragt, vor was genau man dann eine solche Angst habe. Ich wurde in der Folge vom Ex-Eishockeygoalie mit Vorwürfen eingedeckt:

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Meine Antwort darauf war (aus der Erinnerung): Ich traue der Schweiz zu, dass sie sowohl mit einer Annahme als auch mit einer Ablehnung der Initiative umgehen kann. Aber ich bin es nicht, der hier Angst verbreitet. Ich habe dann nochmals konkret nachgefragt, was genau bei einer Ablehnung wahnsinnig Schlimmes passieren würde. Eine Antwort darauf erhielt ich nie. Dafür das:

Screenshot at Nov 05 09-34-26

Ich wurde von ihm dann unfriended und offenbar auch geblockt. Es enttäuscht mich immer wieder, wenn jemand sich zuerst aus dem Fenster lehnt (hier im Falle des geteilten Videos) und dann aber nicht ansatzweise seine Einstellung begründen mag, sondern nur mit Aggressivität und Gesprächsverweigerung reagiert. Aber vielleicht lernt man das in der PR-Schulung als Profisportler.

Etwas lange Rede, sehr kurzer Sinn: Die SVP-Propaganda der neuen Art funktioniert.

Wer sich etwas umhört und nicht nur ebenjene Propaganda konsumiert, wird schnell verstehen, dass uns hier eine ziemlich undurchsichtige Initiative zur Abstimmung vorliegt. NGOs wie Amnesty International beziehen Position gegen die Initiative. Auch die rechts von der Mitte politisierende FDP stellt sich klar gegen die Initiative. Wollen die also tatsächlich «fremde Richter»? Ähm, nein… aber das mit den fremden Richtern ist sowieso nicht ganz so einfach, wie man es vielleicht vermuten würde. Michael Elsener hat das ziemlich treffend in einem Video zusammengefasst:

 

Also, hey: Lasst Euch nicht verarschen. Immer, wenn ein Parlamentarier über die «Elite» schimpft (zu der er ja ganz offensichtlich selber gehört), sollte man hellhörig werden. Wenn eine teure nationale Plakatkampagne gänzlich ohne das Logo der verantwortlichen Partei auskommen, sollte man ebenfalls hellhörig werden. Über einen EU-Beitritt stimmen wir bei der SBI auch nicht indirekt ab. Zum Schafott wird ebenfalls niemand geführt. Und wenn jemand das anders sieht: Ich bin gerne zu einer Diskussion bereit. Und nein, ich werde Dich nicht unfrienden. 😉

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Einen interessanten Artikel zum Thema gibt es auch in der Republik zu lesen.

Laut diesem Artikel der NZZ könnte es am Abstimmungstag noch knapp werden.

Von Hymnen und Adlern und Ehre

Not again. Wie oft haben wir darüber «diskutiert», wer nun die Nationalhymne singe und wer nicht? Ah ja, es geht natürlich um unsere Fussball Nationalmannschaft, die Nati, die gestern Serbien mit 2:1 geschlagen hat. Das ist grossartig, doch wird uns nicht der Sieg, sondern die Jubelgeste unserer Torschützen in Erinnerung bleiben.

Die Vorgeschichte ist bekannt, in Serbien träumt man noch immer von «Grossserbien» und versteht jede Abspaltung von jenem erträumten Reich als Affront. In der Schweiz gibt es einen grossen Anteil unter der zugewanderten Bevölkerung, die aus Albanien oder dem noch jüngeren Kosovo stammt. Dementsprechend finden sich auch Spieler jener Abstammung in der Nationalmannschaft der Schweiz. So weit, so intergriert. Klar singen nicht alle die Hymne mit. Aber seien wir ehrlich: Wer von uns beherrscht auch nur den kleinen Teil, der jeweils vor dem Spiel zu singen wäre? Textlich und vor allem gesanglich? Und wer würde sie dann vor Millionenpublikum noch lauthals singen? Eben. Trotzdem könnte man das von den 11 natürlich erwarten. Im Endeffekt sollen sie aber mit ihrer Leistung auf dem Platz zeigen, dass sie sich für unser Land einsetzen wollen.

Jene Spieler haben ebenso zwei Herzen in ihrer Brust, wie Ricardo Rodrigues oder früher vielleicht Ciriaco Sforza oder Kubi. Auch das versteht im Prinzip jeder, der nicht bei jeder Gelegenheit meint, er müsse zwischen Schweizern und «Eidgenossen» unterscheiden. (Hier habe ich zu jenem Quatsch bereits einmal etwas geschrieben) Was niemand versteht, ist ebenjene Geste, die unsere Nummern 10 und 23 nach ihren tollen Toren gestern präsentiert haben. Der albanische Doppeladler wird mit den Händen geformt. Und gestern wurde er vor allem geformt, um die Fans des Gegners aus Serbien zusätzlich zu provozieren. Abgesehen davon, dass man in der Schweizer Nationalmannschaft eben die Schweiz und nicht Albanien oder den Kosovo an der Weltmeisterschaft vertritt, ist so etwas einfach überaus infantil und peinlich.

Nach dem Spiel wollten Xherdan und Granit dann nicht wirklich viel von der Geste wissen, wenn man sich die Interviews so anhört. Das sei ja gewesen und man solle doch das Resultat und das tolle Spiel anschauen. Gut und recht. Nur: Die ganze Geschichte mit der Abspaltung von Serbien ist auch «gewesen». Der Anspruch der Serben, der von der Schlacht bei Amselfeld herrührt ist auch «gewesen». Wenn ihr so verdammt gut im Vergessen seid, warum vergesst ihr diese historisch glorifizierte Kacke nicht endlich mal? Ich gehe nicht davon aus, dass ich mit euch jemals ein Gespräch darüber führen werde. Aber ich stelle mir die Antwort bei der Konfrontation so vor, dass ihr mit irgendeiner «Ehrengeschichte» kommen würdet. Und das wäre dann natürlich wichtig und so. Hier meine Replik darauf:

Habt ihr euch schon mal überlegt, dass es eine Ehre sein könnte, für die Schweiz an der WM mit dabei zu sein? Habt ihr euch schon mal überlegt, dass Dutzende Spieler gerne an eurer Stelle wären, aber genau ihr den Platz in der besten Elf gekriegt habt? Habt ihr euch schon mal überlegt, welches Land euch eure grossartigen Fussballerkarrieren überhaupt erst ermöglicht hat? Und habt ihr euch schon mal überlegt, dass zuhause in der Schweiz (mindestens) ein Drittel der Bevölkerung nur darauf wartet, bis ihr so eine behämmerte Adlergeste macht, damit ihr das Klischee der Nichtintegrierten wieder richtig schön bewirtschaftbar macht? Denkt ihr darüber nacht, dass ihr damit viele bestens intergrierte Menschen aus dem Balkan in die genau gleiche Erklärungsnot bringt, in der ihr euch selbst befindet? Ihr braucht mir auf all diese Fragen nicht zu antworten. Aber wenn ihr es wirklich so mit der Ehre habt, dann strengt euch gopfertamminomol gefälligst an und zwar in jeder einzelnen Sekunde, in der ihr für unser Land auf dem Rasen steht. Dann gewinnen wir am Ende noch den Pokal. Wir. Zusammen. Ehrenvoll und so.

Hopp Schwiiz!!!

Begrenzungsinitiative – meine 5 Rappen

Wie gerne würde ich hier nur über Friede, Freude und Eierkuchen schreiben. Obwohl, nee, Eierkuchen mag ich einfach nicht. Und es gibt ja sowieso die SVP, unsere Lieblingspartei vom Dienst, die solche Gedanken bereits in Ansätzen zerstreut. Der neueste Wahnsinn von Rechtsaussen ist die sogenannte Begrenzungsinitiative.

Damit man versteht, warum diese Initiative total verkehrt ist, ein paar Fakten.

Seit 4 Jahren nimmt die Zuwanderung aus dem europäischen Raum in die Schweiz ab. (vgl. NZZ)
Illegale Einreisen haben 2017 massiv abgenommen. (vgl. NZZ)
Der Bestand an Leerwohnungen nimmt seit 2014 zu. (vgl. Bundesamt für Statistik)

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Die Erwerbslosenquote ist seit Jahren stabil. (vgl. Bundesamt für Statistik)
Die Wirtschaft braucht die Zuwanderung. (vgl. Seco)

Diese Fakten sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich die Idee der Begrenzungsinitiative zu Gemüte führt. Das Abkommen zur Personenfreizügigkeit, ein fundamentaler Pfeiler unseres Verhältnisses zur Europäischen Union, soll gekündigt werden. Dann käme automatisch die Guillotine-Klausel zur Anwendung: Sämtliche mit der EU abgeschlossenen Abkommen im Rahmen der Bilateralen I würden gekündigt.

Angesichts der eindeutigen Faktenlage stellt sich natürlich die Frage, wie man überhaupt auf die bescheuerte Idee kommt, eine solche Initiative zu lancieren. Für mich gibt es drei mögliche Erklärungen, die (so viel sei schon vorher verraten) allesamt nicht wirklich zu überzeugen vermögen. 1. Striktes Befolgen früher festgelegter Strategien: Schon seit Jahren will die Partei gegen die Einwanderung vorgehen. Auch jetzt, wo diese offenbar abnimmt geht man darum diesen Kurs einfach stur weiter. 2. Pure Wahlpropaganda: Mit der Bekämpfung der Zuwanderung war es schon immer besonders leicht, Wähler zu mobilisieren. 3. Fremdenfeindliche Haltung: Man ist wirklich gegen die ausländischen Menschen, die hierher kommen.

Was sagen eigentlich die Urheber der Initiative? Der Präsident der SVP wird in der Aargauer Zeitung folgendermassen zitiert:

SVP-Präsident Albert Rösti (BE) warnte vor einer Schweiz mit 10 Millionen Einwohnern, vor fehlenden Arbeitsplätzen, unbezahlbaren Mieten, verstopften Züge und Autobahnen und verschuldeten Sozialwerken. Dass die Zuwanderung Wohlstand bringe, sei ein Märchen, sagte Rösti. Der Kuchen werde zwar grösser. Geteilt durch eine immer grössere Anzahl Leute blieben die Kuchenstücke immer gleich gross.

Was an den 10 Millionen so gefährlich ist, wird nicht wirklich klar, aber es klingt natürlich nach viel. Tatsache ist, dass die Altersstruktur in der Schweiz so ist, dass die Zahl der Arbeitenden (und damit jener, die in die Sozialwerke einzahlen) im Verhältnis zu den Pensionierten abnimmt. Diese Tendenz kann nur durch Zuwanderung gebremst werden. Das mit den Arbeitsplätzen ist erwiesenermasen falsch, das mit den Mieten ebenfalls. Die Infrastruktur im öffentlichen Verkehr und bei den Strassen muss so oder so weiter verbessert werden, was bereits geplant ist. Das Argument mit den Sozialwerken habe ich bereits widerlegt. Somit führt mich auch Röstis Begründung zu den drei möglichen Erklärugen von oben zurück. Welche soll es denn sein?

SRF – Billagdiskussion

Vor bald zwei Jahren habe ich das Thema hier schon einmal umrissen. Inzwischen liegt eine Initiative zur Abstimmung vor, über die wir bereits Anfang März befinden werden. Auch wenn es bis zur Abstimmung nicht mehr lange dauert, so erstaunt der frühe Rummel irgendwie doch. Schaut man sich die Sache etwas näher an, wird aber schnell klar, weshalb das so ist. Im Grunde geht es um die totale Demontage der heutigen SRG. Niemand mit einem Mindestmass von Kenntnissen im Bereich der Medienökonomie wird etwas Anderes behaupten. Ein paar Gedanken zu lose miteinander verbundenen Themen:

Das Netflix-Argument

«Bei Netflix bekomme ich Hunderte Serien in höherer Qualität als bei SRF und ich kann dazu noch die Sprache bzw. jene der Untertitel wählen. Das ganze kostet nur läppische 15 Stutz im Monat. Wozu brauche ich dann noch SRF?» So oder ähnlich habe ich das in den letzten Wochen und Monaten öfters gehört. Zuerst zu meiner Situation: Ich habe nicht nur Netflix, sondern auch Amazon Prime, Spotify und DAZN im Abo. Im Gegensatz zu den meisten, die dieses «Argument» einbringen, kenne ich mich mit diesen Streamingdiensten inzwischen ein wenig aus. Nur hat das eine eben nix mit dem anderen zu tun. Diese Plattformen haben weder eine gescheite Informationssendung, noch befassen sie sich in irgendeiner Weise mit der Schweiz und bis jetzt habe ich auch noch keine rätoromanische Serie auf Netflix entdeckt. Wer blosse Unterhaltung sucht, ist mit diesen Diensten bestens bedient, weshalb sie für mich ein perfekter Ersatz für die Privatsender sind.

Das Ich-will-nicht-für-etwas-bezahlen-das-ich-nicht-nutze-Argument

Schon mal das Wort Solidarität gehört? Aber ich will mal nicht so sein und Euch nicht bloss Schlagworte um die Ohren hauen. Mit unseren Steuern bezahlen wir ständig Dinge, die wir nicht selbst nutzen. Schulen, die wir nicht (mehr) besuchen, Autobahnen, die wir nicht befahren, ja selbst eine Fussballeuropameisterschaft, an der wir selbst nicht mitspielen durften. Nebenbei leisten wir uns auch noch eine Armee, die der Bedrohungslage in keinster Weise gewachsen ist. Sie frisst im Gegenteil der Privatwirtschaft viele Tausend Stunden an Arbeitszeit weg, in denen Angestellte Munition auf einen Hügel ballern, damit sie nächstes Jahr wieder das gleiche Budget beantragen dürfen. Ziemlich sinnlos. SRF dagegen ist nicht sinnlos. Die verschiedenen Sender bieten ein breites Informationsangebot, das auf die Schweiz angepasst ist. Gerade auch bei politischen Themen wird umfassend und fair berichtet. In der Politsendung Arena wird sogar darauf geachtet, dass Befürworter und Gegner eines Themas jeweils möglichst gleich viel Redezeit erhalten.

Müssten wir ständig nur genau das bezahlen, was wir nutzen, wir kämen nicht aus der eigenen Hausausfahrt heraus, ohne das Portemonnaie zu zücken. Es gibt Dinge, bei denen es sinnvoll ist, wenn sie durch den Staat zur Verfügung gestellt werden. Da die Schweiz sehr klein ist und dann noch vier verschiedene Sprachregionen umfasst, könnten gänzlich privat finanzierte Medien qualitativ hochwertige Medieninhalte für unser Land unmöglich auch nur kostendeckend produzieren.

Das Zwangsgebühr-Argument

Nun, das ist eigentlich gar keines. Denn eine Gebühr ist immer mit dem Zwang verbunden, selbige zu entrichten. Es handelt sich lediglich um ein Stilmittel, hier noch das negativ konnotierte Wort Zwang miteinfliessen zu lassen. Nur schade, dass sich die Gegner der Vorlage inzwischen ähnlicher Methoden bedienen (müssen?).

Das alles-SRF-Journis-sind-links-Argument

Ich kenne die politische Gesinnung der meisten SRF-Journis nicht. Tatsache ist, dass Journalisten (nicht nur jene der SRG) generell eher links eingestellt sind. Somit also auch jene bei SRF. Dass es auch Gegenbeispiele gibt, zeigt der ehemalige Arena-Moderator Filippo Leutenegger, der selbst in der FDP eher am rechten Flügel zu verorten ist. Sollte tatsächlich einmal tendenziös berichtet werden, gibt es immer noch die Möglichkeit, an die Ombudsstelle zu gelangen.

Das SRF-ist-nicht-unabhängig-Argument

Einmal wird von Staatsmedien geschrieben, dann wieder wie links SRF eben sei. Natürlich stimmt beides nicht. Wer sich echtes Staatsfernsehen anschauen will, schaltet vielleicht einmal auf RT (vormals Russia Today). Wenn man sich das Parlament anschaut und dann in der Annahme, dass es sich bei SRF wirklich um ein Staatsfernsehen im engeren Sinne handelt auf die Gesinnung desselben schliessen müsste, wäre diese kaum links. Insofern ergibt dieser Vorwurf sehr wenig Sinn.

Sinnvoll aus Sicht der Initianten ist aber der Angriff auf ein unabhängiges Medium wie es SRF eben darstellt. Denn es ist weitgehend unbeeinflussbar. Man braucht kein Verschwörungstheoretiker zu sein, um zu begreifen, worum es hier mitunter auch geht: Ist SRF erst einmal aus dem Weg geräumt, könnte der mediale Meinungsbildungsprozess viel stärker beeinflusst werden. Und wenn man die Vorgänge in der Printwelt der Schweiz in den letzten Jahren anschaut, ist klar, in welche Richtung es gehen wird. Nach der Übernahme der BaZ und jener der Zehnder Medien, dürfte dann auch im TV die Stossrichtung klar sein. Während SRF tatsächlich unabhängig ist, blüht uns nach einer Annahme der Initiative ein rechtsdominiertes Fernsehen blocherscher Prägung.

Fazit

Seien wir ehrlich, niemand bezahlt gerne Billag (oder Serafe, wie es bald heissen wird). Aber wenn wir weiterhin von gut gemachten, neutralen Berichten profitieren möchten, wenn wir die viersprachige Schweiz weiterhin fördern möchten und wenn wir weiterhin Freude an Eigenproduktionen wie «Der Bestatter» haben möchten, müssen wir diese Vorlage bachab schicken. Im Sinne der Solidarität, die unser Land auszeichnet, kann es keine andere Antwort als ein fettes «Nein» auf dem Stimmzettel geben.

AuFwieDersehen Demokratie – Gedanken nach dem Wahlerfolg der AfD

Das war mein Tweet gestern Abend. Mehr mochte ich nicht, konnte ich nicht dazu schreiben. Prompt wurde ich aufgrund meines mutmasslich mangelnden Demokratieveständnisses mit  Rückfragen konfrontiert. Völlig zurecht. Und doch mag ich mich nicht vom Tweet distanzieren. Aber ich werde versuchen, den Gedanken dahinter darzulegen.

  1. Jeder soll wählen, wen und was er will. Ich bin weiterhin für die Demokratie. Sie ist, wie schon so oft zitiert, die beste aller schlechten Regierungsformen.
  2. Man sollte aufhören, den Fehler zu machen, aus einem demokratischen gefällten Entscheid den Rückschluss zu ziehen, er sei dadurch automatisch richtig. Die Demokratie dient lediglich der Legitimation einer Entscheidung. Eine Demokratie kann also falsch entscheiden.
  3. Wer demokratiefeindliche Parteien wählt, sollte sich der Konsequenzen bewusst sein. Dass man gerade in Deutschland eine antidemokratische Partei wählt, die schamlos tief im braunen Spektrum politisiert, sollte zu denken geben.
  4. Die AfD wurde zu einem grossen Teil aus rassistischen Motiven und Frust gewählt. Wer auch nur knapp in der Realität lebt, sollte schnell begreifen, dass die AfD keine Probleme lösen will. Sie wird weiter Hass schüren, um an Macht zu gewinnen. Was haben die Wähler davon? Richtig: Nichts.
  5. Natürlich wurde die AfD vor allem dort gewählt, wo wenige Ausländer wohnen. Dieses Kuriosum kennen wir von Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz bereits bestens. Trotzdem sollte man dieser Tatsache stets das richtige Gewicht beimessen.
  6. Es heisst ja immer, man müsse die Ängste der Wähler ernstnehmen. Ich hoffe, man nimmt auch jene wahr, die Angst vor dem Aufkeimen einer Bewegung hat, die Deutschland und Europa in die Katastrophe geführt hat.

Ja, nur 1/8 der wählenden Bevölkerung hat sich von der Demokratie verabschiedet. Trotzdem sind die Zeichen eindeutig. Und weil die Zeichen eindeutig sind, werde ich auch weiterhin eine eindeutige Sprache verwenden.