Mein Editorial

watson.ch hat die User aufgerufen, ein Editorial zu schreiben. Nicht für sich, sondern für 20 Minuten. Dies als Reaktion auf eine als Editorial getarnte Anzeige der SVP, die die ganze Frontseite des Gratismagazins einnahm. Natürlich konnte ich dann nicht anders als selbst in die Tasten zu hauen. Voilà:

Alle vier Jahre haben wir die Gelegenheit, die Zukunft unseres Landes entscheidend mitzuprägen. Das ist ein enormes Privileg, auf das wir ruhig ein wenig stolz sein dürfen. Ich sage „ein wenig“, weil Hochmut bekanntlich vor dem Fall kommt. Und fallen möchten wir ja nicht, oder? Viel zu schön ist es hier, wo man sich fast alles leisten kann, obwohl die Preise im internationalen Vergleich ein hohes Niveau aufweisen. Wir haben uns diesen Lebensstandard erarbeitet. Mit einer innovativen Wirtschaft, die nur mit wenigen Schranken zu kämpfen hat und darum zu denn wettbwerbsfähigsten weltweit gehört. Aber auch mit einem gut funktionierenden sozialen Netz, das einen auffängt, wenn es dann mal eben doch nicht so richtig gut läuft. Dazu kommen hervorragende Möglichkeiten, sich aus- und weiterzubilden. Und auch wenn man uns ständig etwas Anderes beibringen möchte: Wir sind richtig gut in Sachen Integration. Wann hast Du die letzte Pizza gegessen, wann den letzten Döner? Schmeckt das Curry beim Thai um die Ecke?

Dies waren und sind die Erfolgsgaranten der Schweiz. Setzen wir uns dafür ein, dass wir sie nicht selber aus einer unbegründeten Angst heraus abbauen. Weiter sollten wir dafür kämpfen, ein offenes Land zu bleiben, das die Stärke der Vielfalt der Bevölkerung zum eigenen Vorteil nutzen kann. Denn wie steht es in der Kuppel des Bundeshauses? Unus pro omnibus, omnes pro uno – Einer für alle, alle für einen.

Selbstverständlich war der Text zu lang. Nur gerade 790 Zeichen waren nämlich zugelassen. Das mag für ein paar markige Worte aus einer extremen politischen Ecke langen, für mich eher nicht. Trotzdem habe ich das Ding dann so weit gekürzt, dass es doch noch auf watson.ch publiziert werden konnte. Hier nämlich.

9 Antworten auf „Mein Editorial“

  1. Die WOZ ist bereits die digitale WOZ: http://www.woz.ch/

    Was du bemerkst, Limi, ist nicht die Tatsache, dass watson.ch so links wie die WOZ ist, sondern schlicht die Tatsache, dass die meisten Schweizer weit links von dir sind. Dass die Medienlandschaft das reflektiert, ist nicht verwunderlich.

    Und noch was: Dass du eine Kritik daran, dass eine Werbung als Editorial präsentiert wird, als politische Kritik interpretierst, sagt in diesem Kontext auch mehr über dich aus, als über die politische Motivation der Kritik 🙂

  2. dass die meisten Schweizer weit links von dir sind

    Das mag wohl stimmen. Bitte dabei aber auch berücksichtigen, dass es rechts von mir auch noch sehr viele gibt. 😉

    Den letzten Absatz musst du mir aber kurz erklären. Den versteh ich nicht.

  3. Den letzten Absatz musst du mir aber kurz erklären. Den versteh ich nicht.

    Nicht jede Kritik ist politisch motiviert. Dass eine Anzeige als Editorial getarnt publiziert wird, wäre auch dann ein Problem, wenn die SP die Anzeige finanziert hätte. Dass Politiker ihre Geldgeber nicht veröffentlichen, ist auch dann ein Problem, wenn SP-Politiker das tun. Dass ein Politiker eine Frau vergewaltigt, ist auch dann ein Problem, wenn ein SP-Politiker es tut. Und so weiter.

    Wer diese Dinge politisch interpretiert, tut niemandem einen Gefallen. Und sagt damit mehr über sich aus, als über das diskutierte Thema. Nämlich, dass ihm Ideologie und Dogma wichtiger sind als Fakten, und dass er derart dogmatisch ist, dass jede Diskussion als ideologischer, dogmatischer Kampf ausgeführt werden muss.

  4. Aha, ja, jetzt check ich’s.

    Mich nervt an der Geschichte nur, dass diese Editorial-Aktion (die ich nota bene nicht mitbekommen habe) ein Medium dazu verleitet, einen Gegenangriff zu lancieren. Nenn mich kindisch, aber hätte die SP ein solches Tarnkappen-Editorial verfasst, hätte sich niemand dagegen geäussert. (Okay, vielleicht irgend ein NZZ-Journi in einer selten gelesenen Kommentarspalte.)

    Aber in der Sache bin ich mit dir einig, ausser dem Punkt mit der Veröffentlichung der Geldgeber.

  5. Es war eigentlich die Idee eines Einzelnen, einen Gegenangriff zu starten. Watson hat die Sache einfach aufgenommen und dann mit den «Editorials» der anderen Präsidenten und einiger User ergänzt. Im Gegensatz zu anderen Medien ist dieser Weg bei watson.ch auch ziemlich klar nachzuvollziehen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.