Von Hymnen und Adlern und Ehre

Not again. Wie oft haben wir darüber «diskutiert», wer nun die Nationalhymne singe und wer nicht? Ah ja, es geht natürlich um unsere Fussball Nationalmannschaft, die Nati, die gestern Serbien mit 2:1 geschlagen hat. Das ist grossartig, doch wird uns nicht der Sieg, sondern die Jubelgeste unserer Torschützen in Erinnerung bleiben.

Die Vorgeschichte ist bekannt, in Serbien träumt man noch immer von «Grossserbien» und versteht jede Abspaltung von jenem erträumten Reich als Affront. In der Schweiz gibt es einen grossen Anteil unter der zugewanderten Bevölkerung, die aus Albanien oder dem noch jüngeren Kosovo stammt. Dementsprechend finden sich auch Spieler jener Abstammung in der Nationalmannschaft der Schweiz. So weit, so intergriert. Klar singen nicht alle die Hymne mit. Aber seien wir ehrlich: Wer von uns beherrscht auch nur den kleinen Teil, der jeweils vor dem Spiel zu singen wäre? Textlich und vor allem gesanglich? Und wer würde sie dann vor Millionenpublikum noch lauthals singen? Eben. Trotzdem könnte man das von den 11 natürlich erwarten. Im Endeffekt sollen sie aber mit ihrer Leistung auf dem Platz zeigen, dass sie sich für unser Land einsetzen wollen.

Jene Spieler haben ebenso zwei Herzen in ihrer Brust, wie Ricardo Rodrigues oder früher vielleicht Ciriaco Sforza oder Kubi. Auch das versteht im Prinzip jeder, der nicht bei jeder Gelegenheit meint, er müsse zwischen Schweizern und «Eidgenossen» unterscheiden. (Hier habe ich zu jenem Quatsch bereits einmal etwas geschrieben) Was niemand versteht, ist ebenjene Geste, die unsere Nummern 10 und 23 nach ihren tollen Toren gestern präsentiert haben. Der albanische Doppeladler wird mit den Händen geformt. Und gestern wurde er vor allem geformt, um die Fans des Gegners aus Serbien zusätzlich zu provozieren. Abgesehen davon, dass man in der Schweizer Nationalmannschaft eben die Schweiz und nicht Albanien oder den Kosovo an der Weltmeisterschaft vertritt, ist so etwas einfach überaus infantil und peinlich.

Nach dem Spiel wollten Xherdan und Granit dann nicht wirklich viel von der Geste wissen, wenn man sich die Interviews so anhört. Das sei ja gewesen und man solle doch das Resultat und das tolle Spiel anschauen. Gut und recht. Nur: Die ganze Geschichte mit der Abspaltung von Serbien ist auch «gewesen». Der Anspruch der Serben, der von der Schlacht bei Amselfeld herrührt ist auch «gewesen». Wenn ihr so verdammt gut im Vergessen seid, warum vergesst ihr diese historisch glorifizierte Kacke nicht endlich mal? Ich gehe nicht davon aus, dass ich mit euch jemals ein Gespräch darüber führen werde. Aber ich stelle mir die Antwort bei der Konfrontation so vor, dass ihr mit irgendeiner «Ehrengeschichte» kommen würdet. Und das wäre dann natürlich wichtig und so. Hier meine Replik darauf:

Habt ihr euch schon mal überlegt, dass es eine Ehre sein könnte, für die Schweiz an der WM mit dabei zu sein? Habt ihr euch schon mal überlegt, dass Dutzende Spieler gerne an eurer Stelle wären, aber genau ihr den Platz in der besten Elf gekriegt habt? Habt ihr euch schon mal überlegt, welches Land euch eure grossartigen Fussballerkarrieren überhaupt erst ermöglicht hat? Und habt ihr euch schon mal überlegt, dass zuhause in der Schweiz (mindestens) ein Drittel der Bevölkerung nur darauf wartet, bis ihr so eine behämmerte Adlergeste macht, damit ihr das Klischee der Nichtintegrierten wieder richtig schön bewirtschaftbar macht? Denkt ihr darüber nacht, dass ihr damit viele bestens intergrierte Menschen aus dem Balkan in die genau gleiche Erklärungsnot bringt, in der ihr euch selbst befindet? Ihr braucht mir auf all diese Fragen nicht zu antworten. Aber wenn ihr es wirklich so mit der Ehre habt, dann strengt euch gopfertamminomol gefälligst an und zwar in jeder einzelnen Sekunde, in der ihr für unser Land auf dem Rasen steht. Dann gewinnen wir am Ende noch den Pokal. Wir. Zusammen. Ehrenvoll und so.

Hopp Schwiiz!!!

7 Antworten auf „Von Hymnen und Adlern und Ehre“

  1. Oder aber, als Alternative: wir könnten zur Abwechslung mal selber Stolz auf die Schweiz sein, stolz darauf, dass sie Flüchtlinge aus einem schrecklichen Kriegsgebiet aufgenommen hat, stolz darauf, dass diese Menschen – und ihre Kinder – in der Schweiz aufwachsen konnten, hier zur Schule gehen konnten, eine Karriere haben konnten. Statt ständig zu kontrollieren, ob alle anderen stolz genug sind, könnten wir ja auch mal selber ein bisschen stolz sein?

    Und nicht die idiotischen, hirnlosen, zynischen Parolen der Rechten unterstützen, indem man ein enormes Theater über etwas macht, was nicht nur völlig verständlich, sondern auch völlig irrelevant ist.

  2. Ich finde es noch immer nicht verständlich, dass nach einem selbst geschossenen Tor die allererste Handlung nicht ein Ausdruck der Freude, sondern einer der Aggression und Provokation gegen den Gegner ist.

    Den Teil mit dem Stolz unterschreibe ich aber vorbehaltlos.

  3. >Das kann ich nicht wissen. Reine Interpretation.

    Vielleicht wären die Schweizer an der WM ja ein bisschen besser gewesen, wenn zu Hause etwas anders «interpretiert» worden wäre.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.