Kiss Bang Love

Ja, ich gebe es zu, ich schaue sie alle. Big Brother, Germany’s next Topmodel, The Voice, Bauer ledig sucht, Frauentausch, Bachelor… und jetzt eben Kiss Bang Love. Meistens tue ich mir nur eine einzelne Sendung an, aber manchmal auch eine ganze Staffel. Mich interessierten solche TV-Experimente schon immer. Zum einen, weil ich wissen will wie das jeweilige Format genau funktioniert, wie gefilmt, kommentiert und vertont wird. Was wird inszeniert, wo wird gefilmt, was ist tatsächlich echt? Zum anderen aber natürlich auch, weil einen eine gewisse Ekelfaszination geradezu an den Bildschirm fesseln kann. Man kann nicht wegschauen, wir zum Voyeur wider Willen. Genau das bezwecken viele dieser Sendungen natürlich.

Wenn ich mich an die frühen Staffeln Musicstar zurückerinnere, oder auch an die jüngste Bachelor-Staffel, dann war jeweils das Zusammenschauen viel wichtiger als das Schauen an sich. Wir haben uns bei gewissen Szenen vor Lachen fast vom Sofa gekugelt.

Jetzt also Kiss Bang Love. Die Sendung auf Pro7 folgt wie alle Realitysoaps oder Casting Shows einem einfachen Konzept: Singlefrau küsst Singlemänner. Richtig: Mehrzahl. Zwölf, um genau zu sein. Und das ganze mit verbundenen Augen. Nach einer ersten Kussrunde erfolgt eine Auswahl, dann noch eine, bis am Ende noch zwei Jungs übrig sind, die je ein Date mit der holden Maid kriegen. Natürlich mit inzwischen geöffneten Augen. So weit, so witzig. Fanden aber nicht alle. Der offenbar etwas prüde «TV-Checker» des Blick nennt das ganze in branchenüblicher Sprache einen Knutsch-Gangbang und streut auch regelmässig das Wort Porno in seinen Verrissartikel ein. Er stellt sogar einen Zusammenhang mit den sexuellen Übergriffen in Köln und der Sendung her. So nach dem Motto: Wenn sich eine Frau von mehreren Männern küssen lässt, verstehen wir dass so, dass sie sowieso mit jedem alles macht. Für meinen Geschmack geht er damit gleich mehrere Schritte zu weit.

Denn die erste Ausstrahlung von Kiss Bang Love hatte nichts Anrüchiges an sich, war eher auf Romantik gepolt. Auch wenn es – das ist schliesslich der Sinn der Sendung – von Anfang an gleich ans Küssen ging. Mit allem und scharf und so. Tatsache ist, man schaut dem Treiben gerne zu, weil es halt einfach spannend ist, welchem Typen sie am Ende den Vorzug gibt. Weil die Locations in Amsterdam gut gewählt waren. Oder kanntet Ihr das Faralda Kranhotel in der holländischen Metropole schon? Eben. Kostet übrigens um die 500 Euro pro Nacht.

Wer die Sendung von gestern noch im Replay TV anschauen möchte, lässt diesen Abschnitt gleich weg. Vorsicht Spoiler. Am Ende wählte die süsse Pia dann nämlich den Mann, den sie vom Sehen bereits kannte. Philipp wurde durch ihre beiden Freundinnen in die Sendung eingeschleust. Die Reaktionen dieser Damen waren jeweils auch recht witzig, auch wenn sie manchmal etwas mit ihrer Freundin mitleiden mussten.

Natürlich muss niemand Kiss Bang Love schauen. Schlauer wird man dadurch ja bestimmt nicht. Aber als Sendekonzept im Datingbereich gibt es nun wirklich Schlimmeres. Ok, das ist jetzt nicht das ultimative Kompliment für die Pro7-Show, aber immerhin. Logisch, dass es bei so einem Konzept nicht um tiefsinnige Gespräche gehen kann. Aber ein übles Porno-Gang-Bang-Rumgeknutsche wie es der Blick-Mensch gesehen hat, war’s eben auch nicht. Nein, es war teilweise richtig «herzig» den Protagonisten zuzuschauen. Vielleicht auch, weil vor allem die Münchner Studentin Pia sehr natürlich wirkte. Ausserdem war der Fremdschämfaktor erstaunlich tief. Drüben bei Welt.de beklagt sich der Autor, dass die Generation Tinder wohl einfach dermassen oberflächlich sei. Etwas grossspurig meint die Stimme aus dem Off am Ende, Pia habe jetzt über einen blinden Kuss die grosse Liebe gefunden. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall unterhält das Format bestens, wenn man kein Problem damit hat, wildfremden Menschen beim Knutschen zuzuschauen. Die nächste Ausstrahlung gibt’s am 18. Februar.

6 Antworten auf „Kiss Bang Love“

  1. Wenn sich eine Frau von mehreren Männern küssen lässt, verstehen wir dass so, dass sie sowieso mit jedem alles macht.

    Was nebenbei gesagt auch nicht schlimm wäre, und sexuelle Übergriffe in keiner Weise rechtfertigt.

    Der TV-Checker tut mir ja ein bisschen leid. Ich weiss nicht, wo der sich seine Pornos besorgt, aber wenn die sich da wirklich bloss küssen, und er deshalb alle Leute, die sich küssen, gleich mit Pornos assoziiert, dann wurde er von seinem Porno-Händler wohl betrogen. Der hat ihm vermutlich für gutes Geld eine Staffel GZSZ angedreht.

    Abgesehen davon ist sein Beitrag komplett daneben. Zitat:

    In einer Zeit, in der Deutschland nach den Vorfällen in Köln das Frauenbild neu diskutiert, durften gestern zwölf Machos einer jungen Frau ihre Zunge in den Hals stecken.

    Ich würde ja gerne etwas dazu sagen, aber ich weiss nicht, wie eine adäquate Antwort aussehen könnte, die mehr als bloss eine Aneinanderreihung von Schimpfwörtern ist.

    Weiteres Zitat:

    Warum macht eine Frau das alles mit? Aus Fun? Aus Freude am Experimentieren? Oder ist sie das Opfer von feucht-fröhlichem Gaga-TV, ohne es selber zu merken?

    Was für ein sexistischer Bullshit. Oh nein, die arme Frau tut es sich an, Männer zu küssen. Als ob die Option, dass sie sich nichts antut, sondern freiwillig in einer TV-Serie mitmacht, die ihr Spass macht, gar nicht in Frage käme. Und natürlich ist sie zu dumm, um selber zu merken, wobei sie hier mitmacht… Mein Gott, wurde dieser Artikel im Mittelalter verfasst, und in einer Zeitkapsel gefunden?

    Und wer denkt denn an die armen Männer? Skandal! Weshalb tun sich diese Männer das an, eine Frau zu küssen! Eine derartige Ausnützung von naiven Männern!

    Sehr seltsam, dass bei den Männer nicht spekuliert wird, ob sie vielleicht dumme Opfer von Gaga-TV sind.

    Und zum Schluss der Knaller:

    Man fragt sich, was sich Rudi Carrell im Himmel gedacht hätte, wenn er das gesehen hätte.

    Oh ja. Denn früher war alles besser. Da wussten die Frauen noch, dass sie in die Küche gehören, und nicht in aller Öffentlichkeit Männer küssen dürfen!

    Echt peinlich. Aber in der Schweiz hat regressive Mittelalters-Politik mit der CVP-Initiative ja gerade eine Renaissance. Antifeministischer Steinzeit-Dumpfsinn passt also perfekt ins aktuelle Bild der Schweiz.

  2. PS: Ich freue mich bereits auf den Followup-Artikel, wo sich der TV-Checker darüber ärgert, dass Frauen öffentlich mit Miniröcken herumlaufen, und was das mit Köln zu tun hat. Vielleicht wird der dann in der Erotik-Sektion der Blick-Website veröffentlicht.

  3. Kann mir kurz jemand erklären, wie der Titel gemeint ist? Ich dachte zuerst, Küssen, Bum5en und wenn’s gut war, Liebe – aber das Bang ist wohl eher ein BANG! KAWUMM! PÄNG! RUMMS! ZACK! , das «Einschlagen» des «Amors Pfeils» beschreibend? Naja, immerhin danke für das offene Bekenntnis. Irgendjemand muss ja so Zeug gucken, sonst wär das Genre längst ausgestorben und Rudi könnte in Frieden ruhen.

  4. Ja, das mit dem Bang ist wohl eher nicht als Kopulieren (schönes Wort) gemeint. Dein zweiter Interpretationsversuch kommt wahrscheinlich näher, obwohl ich es auch nicht sicher weiss. Mich hat der Titel an den Film https://amade.ch/2005/11/kiss-kiss-bang-bang/ Kiss Kiss, Bang Bang erinnert.

    Ja, gell, schon nett, dass ich mir das Zeug für Dich antue und dann auch noch darüber schreibe. 😉 Und Rudi geht’s doch gut, die Herzblattidee wird immer ein wenig weiterentwickelt. Vielleicht wäre eine Neuauflage nahe am Original auch noch lustig.

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