habermas über die eu und die schweiz

jürgen habermas dürfte allen, die sich ab und zu ein wenig mit philosophie beschäftigen (müssen) ein begriff sein. er ist einer der ganz wenigen deutschsprachigen philosophen (mir fiele da sonst nur noch peter sloterdijk ein), der bereits zu lebzeiten von grosser bedeutung ist. ausserdem mischt sich habermas immer wieder in aktuelle politische diskussionen ein. vor ein paar wochen, gab er dem tagesanzeiger ein interview. da er in dieser beziehung als ziemlich scheu und vorsichtig gilt, tut er das praktisch ausnahmslos nur in schriftlicher form. das interview ist als ganzes lesenswert, speziell interessant finde ich aber die antwort auf folgende frage bezüglich der schweiz.

tagesanzeiger: haben sie eigentlich verständnis für die schweiz, die sich sehr schwer tut, der eu beizutreten?

habermas: ich habe das allergrösste verständnis für diese zurückhaltung. ich bewundere die republikanische form von demokratie, die die schweizer bürger praktizieren – aber wie viele der politisch relevanten entscheidungen werden denn heute noch in diesem basisdemokratischen rahmen gefällt? wie viele werden längst hinter unser aller rücken gefällt? die schweiz ist keine insel. ich frage mich, ob nicht die eingliederung in das noch sehr unvollständig demokratisierte mehrebenensystem der eu die abhängigkeiten, die jetzt schon bestehen, nur transparenter machen würde. schon jetzt muss sich die schweiz an viele regelungen anpassen, die in brüssel beschlossen werden, ohne dass sie an der diskussion über diese regelungen beteiligt gewesen ist. was ist besser: als kleines land von vornherein mit dabei zu sein oder nachher doch ja und amen sagen zu müssen? es ist gut, dass den schweizer bürgern diese in den folgen tatsächlich schwer überschaubare entscheidung niemand abnehmen kann.

[quelle: tagesanzeiger vom 11. juni 2008, s.49]

interview mit habermas

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