Corona Lockdown – Tag 49

So richtig lustig findet den Lockdown wohl niemand. Aber wenn ich solche Dinge lese, stockt mir der Atem.

Ich kann rechnen und lesen. Wenn ich mir die Statistiken anschaue, dann fällt mir auf: Der Aufwand in der Schweiz, um an Covid-19 erkrankte Menschen unter 60 Jahren zu retten, steht in keinem Verhältnis zum Schaden für die Wirtschaft. Bislang gab es in der Schweiz unter 200 Todesfälle in dieser Altersgruppe. Eher gewinnt man im Lotto, als dass man an Covid-19 stirbt.

Samih Sawiris im Interview der Sonntagszeitung

Ich habe mich daraufhin (obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nur die Headline hatte lesen können) klar positioniert. Ich habe auf einen Tweet von Thomas Ley, Blattmacher beim Blick und ebenfalls schockiert folgendermassen geantwortet:

In der Folge wurde ich von Lahor Jakrlin gefragt, ob ich denn auch schon Arbeitsplätze geschafft hätte. Ich wüsste nicht, warum man durch die Schaffung von Arbeitsplätzen automatisch dazu berechtigt wird, solche Aussagen zu machen und dann auch noch Applaus dafür zu bekommen. Jakrlin meinte dann, es sei halt wie im Krieg und wir müssten uns überlegen, wann wir das Leben der Soldaten riskieren würden.

Nein, ein Virus ist kein Krieg. Und nein, wir müssen uns auch nicht überlegen, wie viele Tote wir in Kauf nehmen wollen. Es ist ja nicht so, dass wir vor der Corona-Zeit einfach alle Menschen mit Vorerkrankungen und ab einem Alter von 65 einfach haben sterben lassen. Und warum nicht? Weil wir alle Menschen sind. Weil uns Empathie und Mitgefühl von anderen Tieren unterscheiden.

Wo sind sie jetzt, die Leute, die sonst immer so auf unsere «Werte» pochen? Ah, richtig, sie sind es, die den Lockdown als erste haben beenden wollen. Schaut so aus, als seien Profitgier und die Reduktion von älteren Menschen auf den Begriff Kollateralschaden eure höchsten Werte. Nein, danke, das sind nicht die meinen.

Wie es mit Lahor weiterging? Bitte:

Er versucht nun, das Ganze sogar noch in ein links-rechts-Schema zu drücken und unterliegt dabei (nicht zum ersten Mal) einem fundamentalen Irrtum. Das Retten von Menschenleben sollte rein gar nichts mit politischer Ausrichtung zu tun haben. Es sollte für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein.

Das war’s für heute – bleibt gesund!

7 Antworten auf „Corona Lockdown – Tag 49“

  1. Die Prämisse der Diskussion ist falsch: Schweden hat ebenfalls steigende Arbeitslosigkeit, und fallendes BIP. Und wenn das Sterben dort weitergeht während wir es unter Kontrolle bekommen (falls wir die entsprechenden Massnahmen ergreifen), dann sieht die mittelfristige wirtschaftliche Bilanz schon bald ganz anders aus.

    Kommt dazu dass jeder Tote einen langfristigen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Wenn ein Dreissigjähriger stirbt, gehen 40 Jahre Produktivität, die wir mit unseren Steuergeldern bezahlt haben, verloren. Gemäss den aktuellen Zahlen sterben so zwischen 0.5% und 1% aller infizierten Personen (diese Berechnung berücksichtigt die Dunkelziffer von ungetesteten Personen). Welche langfristigen wirtschaftlichen Kosten verursachen die zehntausenden von Toten, die wir ohne Lockdown gehabt hätten, und die Schweden haben wird?

    Natürlich interessiert die «Wirtschaftsparteien» nur die kurzfristige Perspektive. Schliesslich müssen die Boni im nächsten Quartal bezahlt werden.

    Aber die ganze Diskussion ist eh pervers. Wie viele der Leute, die hier grosse Reden über ein Lockdown-Ende schwingen, sitzen persönlich zu Hause und müssen nicht selbst an gefährlichen Orten arbeiten gehen? Niemand von diesen Leuten arbeitet als Pfleger in einem Altersheim und muss selber miterleben, wie täglich Menschen im Leichenwagen abtransportiert werden. Niemand von diesen Leuten arbeitet als Verkäufer in einem Kleiderladen, hat jeden Tag mit Hunderten von Menschen Kontakt, und kann den Mindestabstand nicht einhalten. Die Reichen sitzen in ihren Villen und sagen den Armen, dass sie sterben sollen, damit die Aktienkurse wieder raufgehen. Danke, aber nein danke.

    Und zum Schluss noch eins: wir hatten Glück. Das 1% Sterbewahrscheinlichkeit hat uns vor dem schlimmsten Ausgang gerettet. Wer darauf wetten will, dass es beim nächsten mal wieder so ausgeht, der wettet mit dem Untergang der Zivilisation. Und wenn dann die Anarchie los- und das Essen ausgeht, dann nützt das BIP niemandem mehr.

  2. Guter Input!
    Das würde also bedeuten, in der langfristigen Perspektive ergibt der Einsatz für die gefährdeten Menschenleben auch wirtschaftlich Sinn.

  3. Ja, der Virus verursacht zwei unterschiedliche Arten von wirtschaftlichem Schaden. Kurz- bis mittelfristig ist der Schaden, dass die Leute zu Hause bleiben, weniger arbeiten, weniger einkaufen, Restaurants nicht besuchen, nicht in die Ferien gehen, und so weiter (das passiert mit oder ohne Lockdown, aber natürlich drastischer während ein Lockdown existiert).

    Aber es gibt einen langfristigen Schaden, der auch dann noch existiert, wenn wir einen Impfstoff haben: jede Person, die tot ist, wird nie mehr arbeiten, nie mehr einkaufen, nie mehr Restaurants besuchen, nie mehr in die Ferien gehen. Auch Leute im Altersheim produzieren einen direkten wirtschaftlichen Wert, sie kaufen Dinge ein, sie schaffen Arbeitsplätze für Pfleger, und so weiter. Oft haben sie sogar mehr Geld als jüngere Menschen, mehr Freizeit, und damit unmittelbar einen grösseren wirtschaftlichen Effekt.

    Die Wirtschaft ist ja nicht magisch, sie wird von Menschen gemacht. Deshalb haben wir staatlich subventionierte Schulen und Universitäten, um den durchschnittlichen wirtschaftlichen Wert der Schweizer zu erhöhen. Wenn die Menschen frühzeitig sterben, geht diese Investition verloren. Weniger Menschen = weniger Wirtschaft. Sogar aus einer rein soziopathischen Sicht macht es also durchaus Sinn, kurzfristig den wirtschaftlichen Schaden zu erhöhen, um ihn mittel- und langfristig zu verkleinern.

    Das stimmt aber nur, wenn wir nach dem Lockdown effektive alternative Massnahmen einführen, und die Sterberate klein halten. Wenn wir die Zahlen wieder explodieren lassen und nur das Ziel verfolgen, die Spitäler nicht zu sehr zu überlasten, dann hätten wir tatsächlich besser ganz auf den Lockdown verzichtet, weil dann die wirtschaftlichen Schäden des Lockdowns vermutlich nicht durch die langfristigen Nutzen wettgemacht würden.

  4. @Lukas: Man sollte bei deiner Betrachtung zusätzlich ins Feld ziehen, dass die Wirtschaft grundsätzlich für den Wohlstand sorgt, nicht der Staat. Es ist und war der Schweiz einzig deshalb möglich in den letzten Wochen, dermassen viel Geld in Form von Subventionen und Überbrückungsleistungen zu pumpen, weil die Wirtschaft, insbesondere der Pharma- und der Finanzsektor, über Jahrzehnte (mit wenigen Einbrüchen 07/08) unglaubliche Mengen Geld in die Staatskasse gespült hat in Form von Anteilen (Nationalbank), Zinsen, direkten Steuern, lohnbasierten privaten Steuern und sonstigen Abgaben.

    Ich halte es ergo für nicht statthaft, das Spiel Wirtschaft-vs.-Menschenleben zu spielen als Gedankengang. Das eine ist mit dem anderen unteilbar verknüpft, wie du richtig ausgeführt hast.
    Der Andermatt-Standpunkt ist meines Erachtens nicht haltbar aus allgemeiner Sicht, aus Investoren-Sicht jedoch durchaus. Natürlich teile ich persönlich diese Meinung (und Haltung) grundsätzlich nicht, andererseits hat eine Gesellschaft, die von einem massiven wirtschaftlichen Elend geplagt wird, die schlimmsten Probleme einfach aufgeschoben. Auch ein solcher Zustand fordert Menschenleben, schlicht in anderer Form.

    Ergo zum zweiten bin ich der Meinung, dass es abzuwägen gilt, welche Massnahmen gemäss neustem Stand der Wissenschaft (aus allen Fachgebieten, inklusive Wirtschaftswissenschaft) getroffen werden müssen, um den Schaden an Gesundheit, Zusammenleben, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft so gering wie möglich zu halten.

    Wir sollten uns damit abfinden, dass wir eine Weile mit im Sinne von parallel zu Corona leben müssen. Coping strategies sind gefragt, nicht Verdrängungs-Mechanismen. So schnell werden wir das Phänomen Covid-19 leider nicht los allem Anschein nach.

  5. > Man sollte bei deiner Betrachtung zusätzlich ins Feld
    > ziehen, dass die Wirtschaft grundsätzlich für den
    > Wohlstand sorgt, nicht der Staat

    Das ist eine etwas seltsame Ansicht. Beide tragen dazu bei. Hat aber eh glaubs nicht viel damit zu tun, was ich oben gesagt habe.

    > über Jahrzehnte (mit wenigen Einbrüchen 07/08)
    > unglaubliche Mengen Geld in die Staatskasse gespült hat

    Na ja, so funktioniert Geld ja nicht wirklich, aber wir müssen jetzt hier auch nicht eine Diskussion darüber starten.

    > Wirtschaftswissenschaft

    Das Problem bei der Wirtschaftswissenschaft ist, dass – wie bei der Philosophie – äusserst selten breit akzeptierte Konsense entstehen. Die Nützlichkeit der Ökonomie ist deshalb in Fällen wie diesem eher begrenzt, weil alle ihre vorgefassten ideologisch motivierten Meinungen vertreten. Wessen Aussagen soll man nun vertrauen? Krugman oder Laffer? Welchen Masstab haben wir, um die Glaubwürdigkeit verschiedener Modelle zu überprüfen?

    > Coping strategies sind gefragt, nicht Verdrängungs-Mechanismen

    Ich glaube, das haben eigentlich alle begriffen. Die Frage ist wohl nun etwas konkreter. Wann müssen wir wie was machen? Und weshalb machen wir es nicht?

    1. Der Staat kann nur dann Wohlstand stützen und fördern, wenn die Wirtschaft gut funktioniert, idealerweise für viele und nicht nur für wenige, wenn man ein humanistisches Weltbild vertritt. Ausser man will den Kapitalismus per se abschaffen, was man natürlich auch in Betracht ziehen kann.

      Geld funktioniert sehr wohl so, da die Stabilität einer Währung mit dem Vertrauen in die Rückzahlbarkeit der Schulden verknüpft ist. Natürlich kann jede Bank Geld erfinden im Sinne von Bargeld oder Krediten, aber nur wenn die Fähigkeit zur Garantie und Zinsrückzahlung dieser Kredite in der Realwirtschaft gegeben ist, kann das System bestehen. So gesehen funktioniert Kapital genau so, vielleicht nicht per se «Geld».

      1. Theoretisch funktioniert Kapital vielleicht so, und manchmal auch in der Praxis, aber in den letzten paar Dekaden scheint es zumindest für die reichen Länder keine Probleme zu verursachen, wenn sie einfach Geld erfinden, oder wenn die Staatsschulden endlos wachsen. Die Schweiz hätte genau so viel Geld ausgeben können, wenn die Wirtschaft weniger Geld für den Staat generiert hätte, und der Effekt wäre am Ende vermutlich genau derselbe gewesen.

        Wie effektiv oder sinnvoll die aktuellen Massnahmen sind, wird sich eh noch weisen müssen. Bei vielen Firmen wird die Liquiditätshilfe wohl nur den Konkurs verzögern. Was nicht unbedingt schlecht wird, wenn es bedeutet dass Löhne noch etwas länger bezahlt werden, aber dann hätte man das Geld vielleicht besser gleich an den Endempfänger geschickt.

        Aber das können wir dann in ein paar Jahren beurteilen. Ich denke, wir werden in der nächsten Zeit mehr über die Wirtschaft lernen als in den letzten Jahrzehnten.

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