I want to believe – oder eben nicht

Der Spruch ist kein Zufall: In den 1990ern war ich wie Viele meines Alters ein Fan der X-Files. Scully und Mulder sind für mich Legenden, die beiden Schauspieler sowieso. (Toll in Californication und Hannibal) Aber das sollte ja nur der Einstieg werden. Den wer die Serie kennt, kennt auch das Poster, das bei Fox Mulder an der Bürowand hing. I want to believe stand da drauf. Und mir ging es damals ja selbst ein bisschen so. Ich wollte die abstrusesten Dinge glauben, die einem da aufgetischt wurden. Im Abspann stand ja auch immer, die Erfolgsserie sei von wahren Ereignissen inspiriert. So ist es auch mit den Verschwörungstheorien, die uns tagtäglich um die Ohren gehauen werden. Das wäre nicht schlimm, würden wir filtern und darüber grinsen. Cool, was da wieder jemandem eingefallen ist. Ja, darüber könnte man einen tollen Film machen. Vielleicht eine (abermalige) Fortsetzung der X-Files zum Beispiel. Aber das Zeug für bare Münze nehmen? No thanks.

Es passiert mir momentan täglich, dass irgendjemand findet, «den Medien» könne man ja sowieso nicht glauben. Da hakt es bei mir natürlich nur schon beim Begriff «die Medien» ziemlich mächtig. Die Medienlandschaft der Schweiz ist nun wirklich nicht mehr die heterogenste. In Luzern führte die Entwicklung die letzten 30 Jahre über von 3 Tageszeitung zu einer, die irgendwie auch keine mehr ist. Trotzdem gibt es verschiedene Verlagshäuser, die sich gerne die Primeurs vor der Nase wegschnappen. Die AZ-Gruppe, Tamedia, die NZZ-Gruppe und Ringier beherrschen den Markt bei jenen Zeitungen, die noch nicht gratis aufliegen. Dann gibt es noch politisch gefärbte Bezahlzeitungen und -magazine wie die Weltwoche, die BaZ oder auch die WOZ. Alles in allem ein doch recht bunter Kanon, oder? Dazu kommt natürlich die Berichterstattung des dominanten Marktteilnehmers im TV- und Radio-Bereich: SRF. Dazu kämen noch die Agenturen, die den genannten Meldungen zur Verfügung stellen.

Nun meine Fragen zum Thema:

Inwiefern hätte diese deutschschweizer Gruppe aus wichtigen Medienhäusern nun ein Interesse, hinter dicken Stahltüren eine Strategie auszuhecken, um uns mit den genau gleichen News sozusagen fernzusteuern?

Angenommen, es gäbe die immer wieder implizierten Absprachen tatsächlich, in welche Richtung würden sie gehen?

Und vielleicht der zentrale Punkt: Wer würde das ganze steuern?

Zu guter Letzt hätte ich dann gerne auch noch ein paar Beweise für die offenbar als gross angelegte Verschwörung agierende Medienlandschaft. (Ja, das war keine Frage, sondern eine Hausaufgabe, I know)

Meine drei kurzen Thesen:

Die Welt ist nicht bloss schwarz und weiss, aber wir hätten gerne, dass sie es wäre. Einfache Erklärungen sind uns lieb. Sie sind das Erfolgsgeheimnis von Populisten… und «alternativen Medien».

Während von den «Zweiflern» sehr hohe Ansprüche gestellt werden, wenn es um Seriosität und Recherchearbeit von Mainstreammedien geht, glaubt man den «kritischen Medien» nur schon deshalb, weil sie etwas Abweichendes schreiben.

Es ist irgendwie auch ein bisschen cool, die «geheime Wahrheit» über 9/11 zu wissen.

Grundsätzlich bin ich für einen kritischen Umgang mit Informationen. Einfaches Glauben hat die Menschheit noch nie weiter gebracht. Dass man nun aber primär einfach jenen Glauben schenken will, die etwas Anderes als die Mehrheit der Medien berichten, halte ich für eine ziemlich dämliche Strategie. Ich würde behaupten, dass diese «alternativen Medien» weit intransparenter und abhängiger von Geldgebern agieren, als die oben genannten.

Die Welt ist nicht so einfach zu erklären. Und in Zeiten einer weiter fortschreitenden Interdependenz wird sich das auch nicht ändern. Ein Mensch, der offenbar in der Welt einfacher «Tatsachen» lebt, ist der aktuelle US-Präsident. Ein besonders schönes Beispiel waren die geplanten Strafzölle für ausländische Autobauer. Die Deutschen sollen mal lieber in den USA Fabriken bauen, meinte er. BMW konterte mit etwas, was ihm jeweils abgeht: Mit Fakten. Die Bayern sind offenbar der grösste Autoexporteur der USA.

Vielleicht verhält es sich mit den geäusserten Verschwörungstheorien ein bisschen wie mit der Partizipation in einer Demokratie. Ich höre nicht selten, dass die da in Bern oben ja sowieso machen würden, was sie wollten. Dies obwohl wir ein System haben, das eine sehr starke Mitbestimmung am politischen Prozess erlaubt. Kommt dazu, dass wir «die in Bern oben» ja auch noch wählen. Trotzdem fühlen sich viele SchweizerInnen ohnmächtig, was die Mitbestimmung anbelangt. Umgemünzt auf Informationen und Presse würde ich sagen, dass man gerade in einer Welt, in der man fast alles live miterleben kann, was sich so tut, immer weniger das Gefühl erhält, tatsächlich informiert zu sein. Und da liegt es natürlich nahe, nicht dem eigenen beschränkten geistigen Vermögen, sondern einer gezielten Verschwörung die Schuld zu geben. So nach dem Motto: Ich möchte mich ja informieren, werde hier aber nur mit strategisch vorgefertigten Artikeln abgefertigt, mit denen man mich gefügig machen will. (Und ja, ich weiss, wie abstrus das klingt. Es handelt sich um einen Erklärungsversuch)

Ich weiss noch, wie wir Ende der 1990er-Jahre gedacht haben, die Informationslage werde nun für alle besser. Am Anfang wurde sie das vielleicht sogar. Inzwischen ist zwar der Zugang zu Information tatsächlich für sehr viele Menschen einfach geworden. Schwieriger ist nur das, was gerade bei heiklen Informationen sehr weit oben auf der Prioritätenliste stehen sollte: Die Überprüfung der Quellen. Wem können wir glauben, wem nicht? Weshalb sagt jemand das, was er sagt und wieso deckt sich das nicht mit dem, was jemand anderes sagt? Nein, einfacher ist der Umgang mit Information definitiv nicht geworden. Aber wir sollten der Versuchung widerstehen, die Mainstreammedien als ferngesteuert zu betrachten. Weiter sollten wir gerade bei «alternativen Medien» kritisch sein, wenn diese Informationen anderer Medien als unwahr darstellen; besonders natürlich dann, wenn keine offenkundigen Beweise dargelegt werden. Und wir sollten immer dann vorsichtig sein, wenn uns jemand eine einfache Wahrheit erklären will. Meistens ist diese dann weder wahr noch einfach.

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