Wie Boulevard funktioniert

Schritt 1 – Man finde ein geeignetes Thema

Ein Schiedsrichter gibt ein Tor für Schalke gegen den FC Basel, wobei der Torschütze eindeutig im Abseits gestanden hatte. Weil es zuvor schon eine rote Karte gegeben hatte, über die man mit viel FCB-Fan-Brillen-Dioptrien allenfalls diskutieren kann, ist die Story geboren.

Schritt 2 – Man gebe dem Kind einen Namen

Tomaten-Schiri

Tomaten-Schiri? Ok, der Blick war nicht sonderlich einfallsreich, zumal nicht er es war, der die Abseitsposition nicht sah, sondern sein Assistent an der Linie. Weiter macht man sich mit dem Wort «rasiert» über den Beruf des Schiedsrichter lustig; er ist Coiffeur.  Im Rahmen dieses Schrittes wird nun möglichst viel auf das Opfer eingehauen. Es muss nicht gross reflektiert werden, denn die hungrige Leserschaft ist, wenn man das Thema richtig angeht, sowieso auf Seiten des Schreibenden.

Schritt 3 – Man gebe sich möglichst entsetzt ob dem Medienecho

Morddrohungen

Ohne einzusehen, dass man selbst massiv dazu beigetragen hat, stellt man erstaunt (bis entsetzt) fest, mit welchen Reaktionen das Opfer umzugehen hat. Im vorliegenden Fall sind das dann Morddrohungen. Wie die SVP in der Politik sieht sich auch der Blick hier nicht als Teil des Systems. Im Gegenteil, das Opfer wird sogar weiter mit Bezeichnungen wie Pfeife und Tomaten-Schri [sic!] eingedeckt. Je nach Fall würde man hier noch einen Exponenten der Gegnerschaft zu Wort kommen lassen. Bei Morddrohungen geht wohl kaum.

Schritt 4 – Man erlaube dem Opfer letzte Worte

Hier fehlt leider noch die Schlagzeile, aber sie wird bestimmt bald zu lesen sein. Ich denke, als Titel wird man den Satz «Jetzt spricht Tagliavento» verwenden. In der Regel ist mit Schritt 4 der Zyklus des Boulevardthemas durch. Allenfalls wird bei künftigen «Vergehen» des Opfers noch mit einem kleinen Text reagiert, wobei dann natürlich wieder die ganze Vorgeschichte hervorgeholt wird.

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