osama bin laden und das 6. gebot

ok, je nach auslegung geht es um das 5. gebot. aber man kann’s ja auch ausschreiben: Du sollst nicht töten. kurz, knapp und durchaus sinnvoll. nur wer sich des eigenen lebens sicher ist, kann auch seinen alltag ruhig gestalten.

der 2001 nach den anschlägen in den usa durch george w. bush eröffnete krieg gegen den terror hat sich im verständnis vieler längst auch zu einem kampf für das christliche werteverständnis entwickelt. natürlich wird stets die demokratie als ziel bemüht. und doch musste barack obama in seiner rede bezüglich der ermordung bin ladens den allmächtigen einbauen. one nation under god könne eben alles erreichen, so man denn wolle. es scheint so, als habe man ziemlich lange nicht so recht gewollt, aber darauf will ich ja gar nicht hinaus.

aber zuerst noch die heute so wichtige social-media-komponente. ein paar meiner facebook-buddies posten heute zum beispiel folgende dinge:

ein danke schön an die US-Navy Seals..einisch meh hends sies grechtet! hua..

Go America!

beides übrigens statements von schweizern. die begeisterung scheint auch an einigen orten in den usa relativ gross zu sein. und auch in der diplomatischen welt, spart man nicht mit lob ob der ermordung bin ladens. abgesehen von ein paar leuten in gaza und iran scheinen alle restlos begeistert zu sein. sarkozy etwa meint, es handle sich um eine historische niederlage für die plage des terrorismus. ok, «der terrorismus» hat heute also verloren. aber wer hat gewonnen?

haben wir, die wir für demokratie, freiheit, meinungsäusserungsfreiheit, religionsfreiheit einstehen durch die ermordung bin ladens gewonnen? hat die usa, in der die bibel gerne zu jedem zweck zitiert wird, durch die direkte zuwiderhandlung gegen das 6. gebot gewonnen? sollten sie sich nicht eher für diese tat schämen? so lange wir für die freiheit töten, sehe ich «die terroristen» als wahre sieger.

die kreuze von triengen

schade, dass es die sympathische und durchaus lebhafte gemeinde im surental nicht mit positiveren schlagzeilen in die medien schafft. man hätte doch gut über die tolle pistenverlängerung des flugplatzes schreiben können, die sogar kleinen jets landungen ermöglichen soll. aber nein, der ort fällt leider eher durch ein etwas seltsames rechtsverständnis auf. am 10. oktober berichtete die nzz am sonntag über eine schule, die sich mit der beschwerde eines vaters herumschlagen muss. einmal mehr geht es um das leidige thema der kruzifixe in schulzimmern. obwohl ein bundesgerichtsentscheid aus dem jahr 1990 klarheit bringen sollte, entgegnete die trienger schule dem vater via email unter anderem mit folgendem satz:

Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass Sie sich in der Gemeinde des christlichen Abendlandes niedergelassen haben.

erst mal blieben die kruzifixe hängen, um später mit simplen kreuzen ersetzt zu werden. mit diesem «trick» wollte man wohl den bge umgehen. damit nicht genug. die familie des kruzifix-gegners soll mit anonymen morddrohungen belästigt worden sein.

mich erstaunt es immer wieder, wie sehr man in solchen fragen die eigene religion über alles andere stellt. obwohl die schule grundsätzlich neutral sein soll, mischt sich die kirche direkt und indirekt ein. welches jahr haben wir eigentlich gerade? es muss jedenfalls kurz vor 1517 sein. an sich ist es doch relativ einfach, wie auch alt-bundesgerichtspräsident giusep nay feststellt:

Man könne aus der Religionsfreiheit keinen Anspruch ableiten, dass das Kruzifix präsent sein müsse. «Jedenfalls nicht in der Schule, die ja grundsätzlich konfessionsneutral sein muss.»

konfessionsneutral. as simple as that. kreuze an schulwänden sind nicht konfessionsneutral. wenn sich jemand an solchen symbolen stört, müssen sie abgehängt werden. end of story. geschickter wäre es doch in einem liberalen staat wie der schweiz, in einem schulzimmer gar nicht erst ein kruzifix aufzuhängen. oder aber – das wäre sowas wie die lustige alternative dazu – man lässt an einer bestimmten wand im schulzimmer platz für symbolen von sämtlichen nur möglichen glaubensrichtungen. wann immer ein schüler mit einer «neuen» religion eintritt, wird ein neues symbol platziert. das wäre vielleicht noch witzig und könnte, idealerweise jedenfalls, sogar wirklich zum dialog unter den religionen in unserem land beitragen. ok, die atheisten hätten dann vielleicht ein problem, aber notfalls hängt man für die einfach das flying spaghetti monster an die wand.

the day after

für einmal braucht man sich nur anzuschauen, woher der applaus für das ja zu minarettverbotsinitiative kommt. auch wenn das letzte wort wohl noch nicht gesprochen ist, so ist das vom schweizer volk gesetzte zeichen dennoch klar. international wird der entscheid mit verwirrung wahrgenommen. schön ist, dass ein grossteil der arabischen medien den demokratischen entscheid offenbar akzeptiert. in diesem zusammenhang lohnt sich ein zitat des anscheinden berühmtesten tv-predigers im arabischen raum, yusif karadawi:

[…] Kardawi meint aber, dass das Minarett-Verbot von den Muslimen als aggressiver Akt empfunden werde, und dass die Schweizer Muslime nun das Gefühl hätten, von ihrer Gesellschaft zurückgewiesen zu werden.

das sehe ich genau gleich.

aber wie soll man nun reagieren? auf facebook spriessen die gruppen nur so aus dem boden. nicht wenige leute äussern den wunsch, auszuwandern oder zumindest nach basel oder in die liberalere romandie zu zügeln. natürlich sind das zumeist nur sprüche. schlussendlich muss man den demokratischen entscheid akzeptieren. und auch wenn die schweiz mit der gestrigen abstimmung für mich einen grossen teil ihrer liberalen prägung verloren hat, gilt es, den kopf vor lauter enttäuschung nicht in den sand zu stecken. viel wichtiger ist es, weiterhin (oder endlich wieder?) abstimmen zu gehen und auch in zukunft für eine liberale schweiz mit platz und toleranz für alle einzustehen.

wann wurde eigentlich die religionsfreiheit abgeschafft?

in der schweiz stimmen wir am 29. november über ein verbot von minaretten ab. diese abstimmung an sich ist schon abartig genug. nun will man scheinbar auch noch (zumindest indirekt) verbieten, dass die leute nichts glauben. ich weiss nicht wann, aber die religionsfreiheit muss wohl während unserer italienreise abgeschafft und durch ein staatlich verordnetes an-den-christlichen-gott-glauben ersetzt worden sein. un- und andersgläubige sollten vielleicht sicherheitshalber mal abklärungen durchführen, welches land ihnen in notsituationen asyl gewähren würde…

Schweiz aktuell vom 01.10.2009