der artikel im gestrigen tagi verwirrte mich etwas. da versuchte ein kulturwissenschaftler aus münchen, den hype um das iphone zu erklären. doch er kratzte bestenfalls an der oberfläche, brachte offenbar genau gar kein knowhow für technische geräte mit sich. es scheint fast so, als hätte er nur auf die veröffentlichung eines neuen apple-produktes gewartet und den namen dessen in den bereits seit monaten geschriebenen artikel eingefüllt.
schade, dass sich der betreffende autor nicht ein paar minuten zeit genommen hat. um das phänomen apple zu verstehen hätte es gereicht, zwei computer (einen mit windows, einen mit mac osx) nebeneinander laufen zu lassen. dann hätte er einfach bei beiden computern die genau gleichen dinge tun müssen. z.b. ins internet gehen, eine music-cd brennen, fotos bearbeiten und ordnen. wahrscheinlich hätte er schnell die einfachheit des mac schätzen gelernt.
nun, er hat es nicht getan. und nun scheint es so, als wäre christian kortman, der den medien apple-schleichwerbung vorwirft, von einem mobiltelefonhersteller beauftragt worden, das iphone schlechtzumachen. tja.
aus dem tagi vom 6-2-2007:
Willkommen im iKapitalismus!
Wenn es um neue Produkte von Apple geht, machen fast alle Medien Schleichwerbung. Das ist Ausdruck einer triumphierenden Marktwirtschaft, welche die Menschen zum sinnlosen Konsum animiert.
Von Christian Kortmann (Kulturwissenschaftler)
Man stelle sich vor, eine Firma für Hygieneartikel, die bisher nur Toilettenpapier hergestellt hat, brächte eine neue Windel auf den Markt.
Sie kann das, was alle anderen Windeln auch können: Sie nimmt nicht mehr und nicht weniger blaue Testflüssigkeit auf als die Produkte der Konkurrenz. Aber ihre Passform ist etwas vollendeter geschwungen, und sie besitzt einen Klebeverschluss, den man mit nur einem Finger bedienen kann. Der Hygieneartikelhersteller spart sich eine teure Werbekampagne: Er stellt die Windel einfach auf seiner Messe Mac-Clean-World vor, und sofort berichten alle Zeitungen und Fernsehnachrichten ausführlich darüber. Was würde der Leser oder Zuschauer bei diesem Szenario denken? Die Vermutung läge nahe, dass die mediale Aufmerksamkeit teuer erkauft wurde, denn das ist der übliche Weg, um Schleichwerbung und «product placement» einzufädeln.
Als kürzlich jedoch Apple das neue Mobiltelefon iPhone auf der hauseigenen Macworld Expo in San Francisco präsentierte, da wunderte sich niemand, dass alle meinungsbildenden Medien darüber berichteten, als handle es sich um ein relevantes Ereignis. Der Kapitalismus hat den Kampf der Ideologien gewonnen, durch die Globalisierung triumphiert er weltweit. Auf Grund eines Mangels an Alternativen und kritischem Bewusstsein werden seine Produkte den Konsumenten immer schamloser als existenziell angedient, ohne ihre Substanz zu hinterfragen. Apple ist dabei prototypisch für Artikel, die qua Design einen auratischen Abglanz absoluter Wahrheit besitzen, der dem Benutzer ein besseres Leben verspricht: Wir sind im Zeitalter des iKapitalismus angekommen.
Die Gegenaufklärung
Dieser ist eine gegenaufklärerische Bewegung, denn die Vorstellung, Apple-Produkte seien etwas Besonderes, hat sich in den Köpfen festgesetzt. Es geht keinesfalls darum, Apple-Produkte abzuwerten, sondern um die Klarstellung, dass es nur Elektrogeräte sind – wie die aller anderen Hersteller. Doch eben dies wird im iKapitalismus kaschiert: Das «i» steht nicht nur für den «Imperativ » des Kaufbefehls, sondern zugleich für «Ideologie» und «Ich». Es ist ein ideologisches Phänomen, weil Produkte von scheinbar distanziert- objektiven Instanzen als unabdingbar verklärt werden. Der Wunsch nach neuen Dingen erzeugt beim Konsumenten ein Mangelgefühl und Unzufriedenheit. Denn die Menschen in den Industrieländern besitzen nicht zu wenig, sondern zu viel, um glücklich zu sein.
Für das Ich steht das «i», weil im Grunde jeder weiss, dass man Glück nicht kaufen kann. Aber was kaufen wir dann, wenn wir ein altes gegen ein neues Telefon auswechseln? Vor allem suchen wir in den Dingen Ablenkung von der existenzialistischen Misere und wollen über dem Gegenstand uns selbst vergessen. Eduard von Keyserling beschrieb schon 1905 in seinem Essay «Zur Psychologie des Komforts», wie der Mensch versucht, sein Ich in die gegenständliche Welt auszudehnen: «Wir vermenschlichen unwillkürlich die Geräte und Sachen, die uns dienen, und je besser sie sich uns anpassen, um so mehr Leben leihen wir ihnen, und sie scheinen uns freiwillig zu dienen, sie werden dann nicht nur bequem, sondern tröstlich.» Konsum ist per se nichts Schlechtes, doch ist der Konsument im aggressiver werdenden Kapitalismus stärker denn je gefordert, eine reflektiert- kluge Einkaufsstrategie zu entwickeln. Die Apple-Verklärung ist das schlagendste Beispiel für die Momente, in denen auch bei kritischen Zeitgenossen das Reflexionsvermögen aussetzt und sie blind den Wahrnehmungskanälen folgen, die das Marketing für sie bereitstellt. Obwohl es sich beim iPhone um ein normales Mobiltelefon handelt, verkündete Apple-Chef Steve Jobs frech: «Wir werden das Telefon neu erfinden!» Ein adventlicher Vorfreude-Glanz kehrt in die Augen der Apple-Jünger zurück, den man noch aus der Kindheit kennt: An den Weihnachtsmann glauben sie zwar nicht mehr, dafür haben sie jetzt Steve Jobs! Für Apple ist es noch nicht einmal von Nachteil, dass die Produkte nachweislich eine schlechte Ökobilanz haben, denn darüber wird nur am Rande berichtet, obwohl Greenpeace dies schon lange anprangert.
Das globale Primat des Kapitalismus braucht aufmerksame Überwacher und Analytiker. Alljährlich gibt man sich zwar etwa am WEF in Davos zwar smart und selbstkritisch, widmet sich aber wieder der mehr oder weniger rücksichtslosen Geldvermehrung. Manchmal denkt man, es wäre mehr gewonnen, wenn man der Graubündner Bergwelt die WEF-Abgase der Luxuslimousinenkolonnen und Helikoper ersparte.
Generell ist die Kluft zwischen Knowhow und dem Handeln, das daraus abgeleitet wird, augenfällig. Nur ein Beispiel: Obwohl die fossilen Energieressourcen schwinden und ihre Verbrennung die Erde verdreckt, werden die Autos immer grösser und schwerer, und ihre Emissionswerte steigen. Deshalb müssen die ökonomisch Mächtigen darauf verpflichtet werden, ein Primat der Vernunft zu installieren. Es geht nicht um einen dogmatischen Antikapitalismus, sondern um eine Klugheit, die die Dinge nicht nach Zahlen und Bilanzen, sondern nach ihrem nachhaltigen Wert beurteilt.
Alles wird zu Staub
Im Internet findet man einen Videoclip, in dem ein iPod, Apples MP3-Player, in einem Küchenmixer zu einem feinstaubigen Haufen Elektroschrott zermahlen wird. Diese Mixer-Performance hat einen aufklärerischen Zug, weil sie zeigt, dass der materielle Schnickschnack, mit dem wir uns die Zeit vertreiben, meist keine wahre Substanz hat: Am Ende zerfällt alles, wie wir selbst, zu Staub.