ballergames

nun folgt hier also mein versprochener beitrag zum thema /ballergames./ gleich zu beginn möchte ich darauf hinweisen, dass ich mich nicht für ein verbot dieser spiele einsetze. und doch gibt es ein paar worte, die ich dazu zu sagen habe. tja, das kommt davon, wenn man die schnauze zu weit aufreisst. 😉

ich muss weiter festhalten, dass ich keinerlei studien zu diesem thema konsultiert habe und dieser beitrag schlicht meine meinung etwas konkretisieren sollte. grundsätzlich habe ich mit den beiden extrem-meinungen ein problem. auf der einen seite sind da die ahnungslosen gegner, wie die sp bern, die ein verkaufsverbot von gewaltspielen fordert.

In Anbetracht der Brutalität in einem Teil der Computerspiele sind gesetzliche

Beschränkungen unvermeidbar und werden infolge der SP-Standesinitiative zum Verbot
von «Killergames» nächstens diskutiert. [sp bern im brief an die migros] quelle
auf der anderen seite die gamer, die jede schuld weit von sich weisen und teilweise abstruse vergleiche bemühen.

Jeder Amokläufer hat vor seiner Tat Wasser getrunken. Das bedeutet nicht, dass das Wasser für die Tat verantwortlich gemacht werden kann, weil jeder Mensch – nicht nur Amokläufer – Wasser trinken und daher a priori klar ist, dass ein Amokläufer vor seiner Tat Wasser getrunken hat. wisegamers.ch

dieser vergleich der wisegamers klingt ja irgendwie sogar logisch. allerdings lässt er auch auf eine gewisse, gewollte blauäugigkeit schliessen. ich werde hier auf konkrete game-beispiele verzichten. zum einen, weil ich mich zu wenig auskenne, zum anderen, weil es mir eher um das prinzip geht. bei einem ballergame tötet man menschen. in einem spiel, auf einem bildschirm, nur virtuell, in einer simulation, aber man tötet menschen. wasser trinken dagegen ist der prototyp einer normalen handlung, die nun wirklich überhaupt gar nichts mit der tötung eines menschen zu tun hat. auch nicht mit einer virtuellen.

dann möchte ich auf diesen beitrag von don alphonso (ein f.a.z.-blogger) eingehen. er beinhaltet einige interessante passagen, deren ansichten ich nicht vollends teile. er sagt beispielsweise, dass niemand nach der lektüre eines bestimmten buches auf die idee käme, die darin beschriebenen gewalttaten nachzuahmen. ich denke, es gibt wohl duchaus bücher und schriften, die den labilen leser in einem enormen masse manipulieren können. ich finde vor allem den schluss seines artikels interessant:

Ich bin reichlich froh, nach über anderthalb Jahrtausenden der privatisierten Gewalt und der täglichen Brutalität in einer Welt zu leben, in der klares Gewaltmonopol gibt. Niemand käme heute wieder auf die Idee, eines meiner jesuitischen Hetzstücke gegen Libertins in die Hand zu nehmen und mit Geistesgenossen einen Mob zu formen, um die Verbrennung der Bücher der Aufklärung und ihrer Autoren nachzuspielen – solange es kein Videospiel ist. Da geht das alles. Da kann man das problemlos haben, in allen Varianten, klare Feindbilder, antimoderne Mythen, jedes Schlachtfeld des zweiten Weltkriegs, so realistisch wie möglich, mit immer neuen, noch besseren, noch krasseren Sinneseindrücken, man stumpft schließlich ab nach dem 10. Gehirn an der Wand, also holt man sich eben den nächsten Kick, das nächste Level, auf dem Schulhof von den Kumpels oder vielleicht doch gleich superrealistisch in der Klasse.

das ist tatsächlich auch etwas, was mich stört. natürlich kann man jederzeit einwenden «hey, das ist nur ein spiel,» trotzdem habe ich grosse mühe gewisse, wenn auch nur fiktiv und virtuell verübte gewalttaten zu begreifen. da kommen wir natürlich wieder einmal auf meine persönliche aversion gegenüber jeglicher art von waffen. und jenen, die entgegnen, ein auto oder ein baseballbat könne auch als waffe einesetzt werden, entgegne ich, was ich an dieser stelle immer entgegne: ja, das ist korrekt, nur ist der primäre zweck einer schusswaffe das töten. darin utnerscheidet sich ein gewehr massiv von einem sportgerät wie dem baseballschläger und von einem transportmitel wie dem automobil.

wenn wir schon bei den autos angelangt sind, gehe ich hier natürlich gerne auf neuste erkenntnisse ein, wonach autorennspiele zu mehr aggressionen führen als ballerspiele. ich habe erst ein einziges mal einen ego-shooter gezockt und dabei einen (achtung:) mordsspass gehabt. vor allem, dass grenadier hardman ein so leichtes ziel war, fand ich extrem komisch. aber: ich bin zu keinem zeitpunkt wirklich in das spiel abgetaucht und habe wohl auch nicht länger als eine halbe stunde gespielt. weiter fand ich es einfach speziell lustig, in lkms-züri-flat gegen drei personen zu spielen, die gleich neben mir mit ihren wiimotes herumfuchtelten. autogames habe ich dagegen schon stundenlang gespielt, auch wenn das nun schon eine ziemliche weile her ist. ich würde zustimmen, dass man nach dem gamen von need for speed whatever eine gewisse aggression verspürt, die ich jedoch nur aufs fahren beziehen würde. mir ging es auch in den paar mal, die ich kart gefahren bin so. und wieder mit einem auto auf der strasse unterwegs musste ich mir schon sagen, dass jetzt wieder die normalen verkehrsregeln gelten und dass ich dem vordermann vielleicht nicht einfach so einen stupser verpassen sollte. einen gewissen realitätsverlust könnte ich da also selbst bei mir feststellen. aber ich muss doch noch einmal in aller deutlichkeit festhalten: in einem autogame ist es (allermeistens) das spielziel, schneller als alle anderen einen wettbewerb zu fahren. bei einem ballergame ist das töten wahrscheinlich nicht das spielziel, aber doch das beherrschende element über die gesamte spieldauer. und mit dem habe ich persönlich grosse mühe.

nun sind wir wohl bei der gewaltverherrlichung angekommen, was uns schnell zum thema brutalo-movies bringt. tatsächlich habe ich einige filme im regal, die von vielen leuten als gewaltverherrlichend betrachtet würden oder werden. darunter befindet sich, wenn ich mich an lkms kommentar erinnere, mindestens ein film, der in der schweiz verboten ist. aber ich sehe da einen entscheidenen unterschied zwischen dem schauen eines gewaltfilmes und dem zocken eines ballergames. so sehr ich mich auch mit einem killer in einem film identifiziere, ich betätige doch nicht selbst den abzug. bei einem egoshooter ist es ja gerade der sinn, sich in einen kämpfer hineinzuversetzen.

nach der geschichte mit dem «mörder von höngg» hatten wir hier ja schon einmal eine ähnliche diskussion. gerne zitiere ich hier nochmals daniel süess:

Hier läuft die Kausalität umgekehrt. Menschen mit ohnehin höherer Gewaltbereitschaft suchen sich eben auch oft Spiele aus, in denen Gewalt vorkommt.

das klingt durchaus plausibel. nur könnte man natürlich argumentieren, dass ein sehr detailiert gestaltetes ballergame einem potentiellen gewalttäer ein trainingsarsenal bietet. an dieser stelle kommt bei gamern jeweils der «aber-14-jährige-gehen-zu-den-jungschützen»-reflex. und der ist sehr berechtigt. ich finde den in der schweiz zelebrierten kult um die schützen und den damit verbundenen extrem frühen umgang von jugendlichen mit waffen schlicht pervers. darum hier eine empfehlung, die in diesem zusammenhang nicht fehlen darf: link. überhaupt liesse sich die diskussion auf die übungen im militär ausweiten, was mir aber zu weit ginge. und da ich sowieso für die abschaffung bin, ist meine meinung relativ leicht zu erraten.

das ist jetzt etwas wirr geworden, kann aber vielleicht doch etwas verdeutlichen, wie ich die problematik beurteile. über den jugendschutz haben wir bislang noch nicht gesprochen. aber ich würde mich auf jeden fall dafür einsetzen, dass äusserst brutale games erst ab einem alter von 18 jahren gekauft werden können. und ich denke, in dem punkt gehe ich mit den wisegamers einig. immerhin. 🙂

killerspiele und gewalttäter

immer wieder wird ein zusammenhang zwischen dem spielen von extrem gewalttätigen spielen und dem verhalten der spieler in der realität vermutet. nachdem an die öffentlichkeit kam, dass auch der «mörder von höngg» gerne solche spiele zockte, flammt die diskussion einmal mehr auf. doch daniel süss, medienpsychologe und professor an der zhaw, sieht die kausalität andersrum:

Hier läuft die Kausalität umgekehrt. Menschen mit ohnehin höherer Gewaltbereitschaft suchen sich eben auch oft Spiele aus, in denen Gewalt vorkommt.

das komplette interview auf tagesanzeiger.ch