Wenn Parteien TV machen

Nein, ich meine nicht die Selbstbeweihräucherungsanstalt Tele Blocher. Der Tagesanzeiger hat nach dem knappen Abstimmungsresultat beim RTVG (50,01% Ja) einen Schritt weiter gedacht und ein TV-Programm erstellt, wie es die Parteien präsentieren würden. Schliesslich steht uns die grosse Service-Public-Diskussion bevor, die eigentlich schon im Vorfeld zu ebenjener Abstimmung geführt wurde, obwohl der dort gar nicht zur Diskussion stand.

politTVGrafik: Tagesanzeiger

Nicht schlecht, Tagi, nicht schlecht.

die leere drohung mit dem gang in die opposition

vor der wahl von gestern war sie wieder zu hören. die drohung mit dem gang in die opposition. ausgesprochen von der einmal mehr wählerstärksten partei der schweiz. jene partei, die sich heute wohl grün und blau ärgert, dass man eine fähige und durchaus genügend konservative gewählte bundesrätin aus der partei kickte. dass im zweifelsfall kompetenz durchaus vor konkordanz gehen kann, hat die gestrige wahl gezeigt.

die fdp als einzige verbündete der svp ist gestern mit kleinen unschönen ausnahmen ihrer ansage treu geblieben und hat nicht für frau widmer-schlumpf gestimmt. dass dies nicht für einen einzug eines zweiten svplers reichen würde, war mathematisch längst klar. dass die rechtsaussenpartei danach in einer trotzreaktion sämtliche andere sitze anzugreifen versuchte, machte ihre wahre motivation offensichtlicher. es ging wohl doch nicht um die herstellung der konkordanz, denn dann hätte man keinen anderen sitz angreifen dürfen. es ging nur um eine plumpe rache an der bündner bundesrätin.

wäre die svp cool und clever, sie hätte gestern noch eine chance für einen mini-coup gehabt. sie hätte bei der wahl des ersatzes von micheline calmy-rey nicht auf ihren eigenen kandidaten, der sowieso chancenlos war, setzen sollen. sie hätte, mitunter um der verfassung rechung zu tragen, sämtliche stimmen an frau carobbio geben sollen. das hätte nochmals eine echte und berechtigte diskussion um die vertretung der sprachregionen auslösen können. da es sowieso zu einem zweiten wahlgang gekommen wäre, hätte diese idee mit etwas geschickter diplomatie nach dem ersten durchaus chancen gehabt.

klar, für sich gewonnen hätte die svp so gar nichts. aber sie hätte nicht eine dermassen peinliche und unsportliche ertragene niederlage einstecken müssen.

heute steht man da und spricht wieder davon, wie man doch ein opfer dieser koalitionen sei. schon spricht man davon, dass man zu wenig hart gewesen sei. dabei begreift jeder, der sich den bundesrat anschaut, dass dort genau jene svp vertreter sitzen, die das parlament will. es ist genau der hardlinerkurs verbunden mit einem gelinde gesagt unschönen stil, der die svp in den vergangenen jahren viel kredit und vertrauen gekostet hat. die drohung mit dem gang in die opposition ist nicht nur wegen einem fehlenden rückzug des verbleibenden «echten» svp-bundesrates maurer eine leere. so wie die svp politisiert, ist sie trotz regierungsbeteiligung längst in der opposition angekommen. der erfolgreiche weg bezüglich einer breiteren abstützung im parlament führt also genau nicht in richtung hardlinertum, sondern in richtung mässigung.

liberal ist nicht gleich liberal

die nzz am sonntag liess von der forschungsstelle sotomo ein liberalitätsrating erstellen. interessant dabei: es wird zwischen liberalem wahlverhalten im nationalrat in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen fragen unterschieden. die spannende frage für mich: wo landen die grünliberalen, die ich irgendwie einfach nicht richtig greifen kann. und da die partei das wörtchen «liberal» in ihrer bezeichnung spazieren fährt, müsste sie erwartungsgemäss weit vorne im ranking auftauchen. richtig?

so sieht die rangliste der parteien für die liberalität in wirtschaftlichen bereichen aus. die klassische liberalen, diejenigen der fdp also, schnappen sich den spitzenplatz. für mich wenig überraschend: die svp auf dem zweiten platz. schliesslich müssen sie zu ihren superreichen stehen, die ihnen das budget äufnen. hinter der bdp findet sich die glp auf dem vierten platz. sonderlich liberal ist man in wirtschaftlichen punkten also offenbar nicht. die linken parteien sp und grüne findet man auf den letzten plätzen, was meinen erwartungen entspricht.

hier also nun die rangliste für die liberalität in gesellschaftlichen issues. und siehe da: die linken parteien stossen an die spitze vor. die fdp schafft, was ich nicht gedacht hätte, zwischen den beiden den zweiten platz. wiederum auf dem vierten platz liegen die grünliberalen, die auch hier ihrem namen nicht vollends gerecht zu werden scheinen.

logischerweise auf dem letzten platz: die reaktionären von der svp.

das rating zeigt, dass die glp offenbar nicht wirklich als liberale partei durchgehen kann. es bleibt die frage, ob man «liberal» gar nicht von «grün» trennen darf. oder anders gesagt: ist man nur deshalb so wenig liberal, weil man in vielen bereichen eben auch grün sein will / muss?

quelle: nzz online

radikalisierung der parteien

ok, wenn das gewünscht wird, gebe ich nun doch noch meinen senf zum sp-parteiprogramm. aber nicht nur dazu.

im allgemeinen stelle ich ein jahr vor den wahlen eine radikalisierung der parteien fest. der ganze blödsinn wird selbstverständlich von der svp angeführt, die mal wieder ihr braunes süppchen kocht und im wesentlichen die klassische sündenbock-strategie fährt. die ausländer sind an allem schuld. und falls das volk dann wirklich mal merken sollte, dass das so nicht ganz stimmt, hat man mit dem thema «hochdeutsch sprechen im kindergarten» ein erstaunlich explosives mittelchen bereit. damit bleibt sie die partei des stammtischs, der denen in bern oben dann schon zeigen wird, wie man es recht macht.

da sich die mitteparteien weitgehend im tiefschlaf befinden, gibt es links von der svp enorm viel platz. also der richtige moment für die sp, mal wieder zwei, drei wähler zurückzugewinnen? könnte man meinen. das gegenteil ist der fall. indem man weiterhin «den kapitalismus überwinden» will, gibt man auch die schlauen positionen für eine sehr breites publikum schlicht der lächerlichkeit preis. hier wird also, um bei dem schönen bild zu bleiben, weiterhin richtig schön rot gekocht. randensuppe vielleicht? egal. anstatt sich derart rabiat zu äussern, hätte man ja auch diplomatisch von einer weiterentwicklung des kapitalismus in eine sozial gerechtere variante sprechen können. schliesslich gibt es genügend themen, die man direkt an ein solch nicht ganz so extrem formuliertes credo hätte andocken können. wer die aktuelle krankenkassenprämienerhöhung liest, kennt mindestens ein beispiel für ein klassisches sp-thema. doch wie gesagt widmet man sich lieber den einstigen idealen statt anstehenden sachfragen. schade.

wenn ich vorhin gesagt habe, die politische mitte sei im tiefschlaf, so stimmt das natürlich nicht ganz. genau genommen gilt das nur für die fdp, die unter den letzten drei, vier präsidenten immer mehr an profil verloren hat. die cvp schliesst sich dem trend zu radikalisierung an und erinnert sich an ihren ersten buchstaben. darum will man in zukunft die kreuze in der öffentlichkeit durch die verfassung geschützt wissen. parteipräsident darbellay lässt sich sogar zur idiotischen aussage hinreissen, dass eine «dogmatische säkularisierung» gefährlich sei.

unter dem strich: die svp wird immer rechter, die sp wird immer linker und die cvp wird immer religiöser. vielleicht können relativ kleine parteien wie die grünliberalen von der radikalisierung der anderen profitieren. bleibt zu hoffen, dass sie sich von diesem dem konstruktiven politischen dialog wenig förderlichen blödsinn distanzieren.

wann wurde eigentlich die religionsfreiheit abgeschafft?

in der schweiz stimmen wir am 29. november über ein verbot von minaretten ab. diese abstimmung an sich ist schon abartig genug. nun will man scheinbar auch noch (zumindest indirekt) verbieten, dass die leute nichts glauben. ich weiss nicht wann, aber die religionsfreiheit muss wohl während unserer italienreise abgeschafft und durch ein staatlich verordnetes an-den-christlichen-gott-glauben ersetzt worden sein. un- und andersgläubige sollten vielleicht sicherheitshalber mal abklärungen durchführen, welches land ihnen in notsituationen asyl gewähren würde…

Schweiz aktuell vom 01.10.2009

ueli maurer, die cvp und die nzz

ja, es geht wieder einmal rund in der politlandschaft schweiz. da mag auch die seriöseste aller schweizer zeitungen nicht hinten anstehen und schiesst schon mal übers ziel hinaus. aktuell lockt sie mit folgender eilmeldung:


klickt man darauf liest sich der titel schon ganz anders:

ja was jetzt? tatsächlich kann man dem artikel wohl glauben schenken:

Ueli Maurer hat in der CVP eine schwache Mehrheit, Christoph Blocher erhält gar keinen Sukkurs. Von 45 gültigen Wahlzetteln seien 23 auf Maurer entfallen und keiner auf Blocher, sagte Fraktionspräsident Urs Schwaller nach den Hearings mit den beiden Kandidaten.

georg kohler über die abwahl des christoph b.

georg kohler ist professor für philosophie an der universität zürich. auf dem gebiet der politischen philosophie ist er auch den politikwissenschaftlern bekannt. im tagesanzeiger wurde seine einschätzung der abwahl von christoph blocher veröffentlicht. natürlich braucht er ein bisschen mehr worte als wir sie von 20min-artikeln kennen, dafür sind auch sehr viel mehr interessante ansätze darin enthalten. ich zitiere hier nur zwei mir sehr wichtig scheinende abschnitte. den gesamten text gibt es online auf tagesanzeiger.ch.

[…]

Das alles wird noch klarer, wenn man sich vor Augen führt, dass am 12. Dezember die Ausgangsposition der entscheidenden Wahlschlacht 29 zu 71, also für die SVP berechenbar nachteilig war. Was ich damit sagen will: Der überwiegende Teil derer, die zur Mitte (CVP und FDP) gehören, und zwar sowohl die Wählenden wie die Gewählten der Mitte, hatten mit ihrer Positionsnahme im Oktober auch gegen Blocher und die SVP gestimmt. Und bekanntlich eint nichts so sehr eine Gruppe von Menschen wie der gemeinsame Gegner (der es sich vor allem selbst zuzuschreiben hat, wenn er inzwischen fast zum «Feind» geworden ist).

[…]

Die schweizerische Demokratie liebt starke Männer und Frauen, aber sie hasst caesaristische Ansprüche und Attitüden.

[quelle: tagesanzeiger.ch]
gesehen bei lkm

danke, cvp!

nun ist schon eine woche vergangen. es passiert mir immer noch, dass ich mich beim spontangrinsen ertappe. war schon ziemlich cool und für die schweiz ein sehr wichtiger, politisch wegweisender schritt. gegen die polarisierung, für eine wirkungsvolle politische arbeit. ob all den vorschusslorbeeren für eveline widmer-schlumpf und der ab- bzw. oppositionsgesänge der svp ging die initiantin der ganzen sache fast vergessen. die cvp.

wer hätte dieser mitte-partei einen solchen geheimplan zugetraut? wer hätte gedacht, dass sie es fertig bringt, nicht nur die eigene partei und die gesamte sp, sondern auch etliche parlamentarier aus der fdp hinter sich zu scharen? selbst der professor für politikwissenschaft hanspeter kriesi lag mit seiner einschätzung, es werde sich bei der bundesratswahl gar nichts ändern, total daneben.

ohne sich einer stillosen attacke und der (ungerechtfertigten) forderung eines zweiten cvp-sitzes zu bedienen, hat die cvp die regierungslandschaft völlig verändert. nie hätte ich mir vorstellen können, dass sie diesen mut aufbringt und noch viel weniger, dass so ein geheimplan funktionieren kann. nun sind wir alle schlauer und wissen: sie haben es getan und der plan hat bestens funktioniert. merci, cvp!

im video zeigt 10 vor 10, wie der raffinierte geheimplan funktionierte. via hardman.

kriesi wird recht behalten

wie politologie-professor hanspeter kriesi in der woz schätzte, wird es morgen wohl auch tatsächlich herauskommen. die cvp verzichtet nach einem kurzen flirt mit dem gewagten nun doch auf eine kampfkandidatur. man wolle aber blocher nicht unterstützen. irgendwie ist das ganz typisch cvp. bloss niemandem weh tun.

nzz-online artikel

endlich vorbei: wahlkampf 2007

er war eine für schweizer verhältnisse hässliche angelegenheit, der wahlkampf 2007. mit rassistischen plakaten und harten bandagen wurde um die wählergunst gebuhlt. nun haben all die flyer, all die podiumsdiskussionen, all die wahlarenen und all die heuchlerischen interviews ein ende. die würfel sind gefallen, oder besser die wahlcouverts. für das nächste mal wünsche ich mir – wohl vergebens – einen wahlkampf, in welchem es wirklich um themen geht.

zum ersten mal habe ich vor dieser wahl die dienste von smartvote.ch genutzt. die wahlempfehlung fiel mit den [secondos+|http://www.secondos-plus.ch auf eine partei, die sich nicht vom geschreie anderer parteien anstecken liess. ob ich sie auch tatsächlich gewählt habe… lass ich mal offen. 😉