Wir sind keine Einheitspatienten

Momentan sieht man auf Plakatwänden diese gesichtslosen Menschen, die uns alle repräsentieren sollen. Wir würden zu Einheitsmenschen werden, würden wir die Initative für eine öffentliche Krankenkasse an der Urne annehmen. Ist das wirklich so?

Argument 1 – Der Wettbewerb
Die Gegner der Initiative stellen «Wettbewerb» als etwas dar, das immer gut ist. Für sie führt er automatisch zu tieferen Preisen für die Konsumenten. Dass dem nicht immer so ist, hat zuletzt die Liberalisierung des Strommarktes in der Schweiz gezeigt. Wenn es zudem einen Pseudowettbewerb (wie bspw. bei den Kommunikationsanbietern) gibt, hilft er ebenfalls nicht. Da die Leistungen der Grundversicherung der Krankenkasse gesetzlich geregelt sind, sähe ich nicht, welche Vorteile Wettbewerb hier bringen könnte.

Argument 2 – Probleme im Ausland
Es wird gesagt, andere Länder hätten massive Schulden aufgrund der staatlichen Krankenkasse. Das stimmt sicher. Nur: In der Schweiz würde man kein nicht funktionierendes System aus dem Ausland kopieren. Es würde lediglich der Grundversicherungsteil aller Krankenkassen in eine einzige überführt. Warum die neue Einheitskasse dann automatisch Schuldenberge anhäufen würde, müsste zuerst erklärt werden.

Argument 3 – Unpersönlicher Service & Qualitätsmängel
Also ich habe kein besonders persönliches Verhältnis zu meiner Krankenkasse. Du etwa? Ich bezahle die Rechnungen und sende allenfalls bezahlte Rechnungen per Post an den Anbieter. Unpersönlicher wird das mit einer Einheitskasse kaum. Von Qualitätsmängeln zu reden macht wenig Sinn, wenn der entsprechende Anbieter überhaupt erst auf dem Papier existiert. Man kann schlicht nicht beurteilen, ob eine Einheitskasse ihren Job so viel schlechter machen würde. Ich gehe davon aus, dass viele Mitarbeitende von bestehenden Anbietern zur Einheiskasse wechseln würden.

Argument 4 – Die freie Arztwahl fällt weg
Da gibt es widersprüchliche Angaben. Indem man sich auf das Ausland bezieht, sagen die Gegner, die freie Arztwahl würde wegfallen. Die Initianten hingegen sagen, das neue Modell würde die freie Arztwahl sogar besser unterstützen.

Argument 5 – Die Umstellung ist sehr teuer
Natürlich ist die Umstellung sehr teuer. Man stelle sich vor, man würde von einer Einheitskasse auf die heutige Lösung wechseln. Die Kosten wären sicher ebenso hoch. Wenn es langfristig aber Einsparungsmöglichkeiten gibt, und danach schaut es doch aus, kann diese Investition durchaus sinnvoll sein.

Argument 6 – Wir werden zu Einheitsmenschen
Wenn wir durch die Einheitskasse zu Einheitspatienten oder gar Einheitsmenschen werden, dann frage ich mich, warum wir das durch die vereinheitlichten Leistungen der Grundversicherung nicht bereits sind. Ich sehe aktuell wirklich nicht, welche Vorteile ich davon habe, dass ich die Krankenkasse für die Grundversicherung wählen kann. Die wirklichen Unterschiede tauchen erst bei den Zusatzversicherungen auf, die man weiterhin frei würde wählen können.

Argument 7 – Über 2200 Menschen verlieren ihre Arbeit
Sehr interessant: Die Befürworter sprechen von 2250 Leuten, die durch die Einführung der Einheitskasse den Job verlieren würden. Nach dem Gutachten der Gegner wären es gar 2800, die gehen müssten. Im Argumentarium auf der Website taucht dieses Argument aber nicht auf. Wahrscheinlich, weil es jedem Leser einleuchten würde, dass hier ein grosses Sparpotential schlummert.

Argument 8 – Höchste Qualität und Verfügbarkeit
Das Argument ist nicht auf die Krankenkassen bezogen, sondern auf das Gesundheitssystem der Schweiz. Tatsächlich funktioniert es, soweit ich das beurteilen kann, wirklich gut. Die jährlich steigenden Prämien für die Krankenkassen sind da mehr als nur ein Wermutstropfen. Ausserdem könnte man gerade bei den Hausärzten die Verfügbarkeit weiter verbessern. Vielleicht könnte da die Abschaffung des numerus clausus helfen. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass eine öffentliche Krankenkasse etwas an der Qualität oder der Verfügbarkeit der Medizin in der Schweiz ändern würde.

Wir sind tatsächlich keine Einheitspatienten. Jetzt nicht und auch nicht im Falle eines unwahrscheinlichen Jas.

Quellen:
NZZ
Berner Zeitung
(Interview mit Jacques de Haller)
Schweiz am Sonntag
Website Nein-Komittee
Website Ja-Komitee

2 Antworten auf „Wir sind keine Einheitspatienten“

  1. Wenn ich die ganzen Auslandvergleiche sehen, wie doch das Schweizer Gesundheitssystem das beste sei, erinnere ich mich an Österreich.

    Wo ich zu irgend einem Arzt oder ins Spital gehen kann, die Karte herzeigen und behandelt werde. Vorschiessen oder gar selber bezahlen musste ich nie was, auch nicht beim Zahnarzt (es sei denn ich möchte hier z.B. teurere Plomben). Selbstbehalt oder gar teure Franchisen? Gibts nicht. Und die Höhe der monatlichen Prämie hängt in erster Linie davon ab was ich verdiene, nicht wie alt ich bin oder wo ich wohne.

    Wenn die Einheitskasse ein erster Schritt zu «Verhältnissen wie im Ausland» ist, muss ich nicht lang überlegen was ich stimme.

  2. Danke für Deinen österreichischen Einwurf. So gut sind wir dann also vielleicht doch nicht. Natürlich gibt es im Ausland auch Beispiele, die zeigen würden, wie es besser gehen könnte. Nur mögen die Gegner diese wohl kaum präsentieren. 😉

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