hoogan

ich habe in den diskussionen zum hooligan-gesetz (hoogan) meist geschwiegen. abgesehen davon, dass ich juristisch nicht besonders viel ahnung hatte, ging mir schlicht der hype auf die nerven. inzwischen haben sich die wogen geglättet und es wird wohl wieder sachlich diskutiert. deshalb kommt das nzz-interview mit einem datenschützer gerade rechtzeitig.

12. Juni 2006, Neue Zürcher Zeitung
Unklar, problematisch, unverhältnismässig

Das Hooligan-Gesetz aus der Sicht eines Datenschützers
Um gewalttätigen Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen zu begegnen, soll das Gesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit ergänzt werden. Der Präsident der schweizerischen Datenschutzbeauftragten, Bruno Baeriswyl, nimmt hier kritisch zum «Hooligan- Gesetz» Stellung, gegen welches Fangruppen das Referendum ergriffen haben.

Frage: -Herr Baeriswyl, zum Nachweis gewalttätigen Verhaltens und damit zum Eintrag in die geplante Hooligan-Datenbank (Hoogan) sollen «glaubwürdige Aussagen» der Sportvereine genügen. Ist dies aus rechtsstaatlicher Sicht in Ordnung?

Mir scheint diese Bestimmung sehr problematisch zu sein. Denn nur ausnahmsweise dürfen Private eine staatliche Datenbank – und Hoogan ist eine solche – mit Daten füttern. Im Bereich des Staatsschutzes, in dem wir uns mit dem Hooligan- Gesetz nun bewegen, ist eine solche Ausnahme sehr bedenklich.
Zudem ist der Begriff «glaubwürdige Aussagen» äusserst unbestimmt. Klare Kriterien, an die sich die Sportvereine bei der Weitergabe von Daten halten müssen, fehlen. Zudem kann jeder private Sportverein ein Stadionverbot aussprechen, das ebenso zu einem Eintrag führt. Dies ist umso fragwürdiger, als die Folge eines Hoogan-Eintrags schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Freiheit des Betroffenen mit sich bringen kann, wie Beschränkungen des Zutritts zu bestimmten Orten oder auch Ausreiseverbote.

Offene Formulierungen
Frage: Bereits 12-Jährige können in der Hooligan-Datenbank registriert werden. Und die Daten können bis zu 10 Jahren gespeichert werden. Somit verbleiben die Daten eines Betroffenen allenfalls bis zu seinem 22. Altersjahr in der Datenbank. Ist das verhältnismässig?

Nein, das ist es nicht. Man müsste, wie im Strafrecht üblich, eine Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen treffen.

Frage: Können Daten von Hoogan ohne weiteres an Sportvereine weitergegeben werden?

Die Regulierung der Weitergabe von Daten ist im Gesetzesentwurf ziemlich offen formuliert. Es heisst lediglich, dass die Daten an die Sicherheitsverantwortlichen der Vereine gehen sollen. Nicht klar ist aber, was diese mit den Daten machen dürfen. Obwohl es sich hier um besonders schützenswerte Daten handelt, soll dies lediglich später auf der Stufe eines Bearbeitungsreglements festgehalten werden.

Frage: Vor kurzem ist bekannt geworden, dass der Schweizerische Fussballverband Daten von Hooligans nach Deutschland geliefert hat, ohne dies dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten anzuzeigen, wie dies das Gesetz vorschreibt.

Dass der Datenschutzbeauftragte nicht informiert worden ist, scheint mir weniger ein Problem zu sein, da dies primär ein formales Erfordernis ist. Viel gravierender ist es, dass die betroffenen Personen keine Kenntnis davon haben und für die Datenempfänger in Deutschland keine Auflagen bestehen, was sie mit den Daten tun dürfen. Damit ist die Weiterverwendung der Daten kaum eingeschränkt.

Personalisierung der EM-Tickets?
Frage: Genügten die bestehenden Gesetze, um dem Hooliganismus zu begegnen?

Heute geht man von einem harten Kern von rund 400 Hooligans in der Schweiz aus. Es sollte doch möglich sein, diese zu identifizieren und sie dann strafrechtlich zu verfolgen und zu belangen. Will man weitere Massnahmen einführen, müsste man vorerst deren Effizienz prüfen. Wie können etwa das Rayonverbot rund um ein Stadion oder Ausreisebeschränkungen kontrolliert werden? Diese Frage ist bisher nicht genügend geklärt.

Frage: Für die WM in Deutschland wurden die Tickets personalisiert: Die Kaufinteressenten mussten sich vorgängig übers Internet identifizieren. Die Personendaten wurden dann in einer Datenbank und auf einem Chip des Tickets gespeichert. Werden Sie ein solches Verfahren gutheissen, falls es auch bei der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz zur Anwendung kommen sollte?

Prüfen müsste man, welche Daten gespeichert werden sollen. Deutschland ist dabei sehr weit gegangen. Neben Namen und Wohnort wurden auch Pass- und Kreditkartennummer sowie die Fan-Zugehörigkeit und vieles mehr registriert. Hier sollte man restriktiver sein. Zudem muss man den Verwendungszweck definieren. In Deutschland werden die Daten auch für das Marketing genutzt. Das scheint mir fragwürdig. Vorstellen könnte man sich, dass solche Daten nur bei tatsächlichen Vorfällen für die Identifizierung von allfälligen Tätern verwendet werden dürften.

«Ich bin pessimistisch»
Frage: In Deutschland haben Fussballfans Ausreiseverbote erhalten, weil sie sich zufälligerweise in der Umgebung von Gewalttätigkeiten aufgehalten haben und somit in die Hooligan-Datenbank geraten sind. Für deutsche Datenschützer ist somit wahr geworden, was sie immer befürchtet hätten: Allein auf Verdacht und ohne Nachweis werde massiv in die persönliche Freiheit von Personen eingegriffen. Sind Sie, was die Entwicklung in der Schweiz im Hinblick auf die EM 2008 betrifft, ebenfalls so pessimistisch?

Bei uns besteht ein ähnliches Risiko, da wir sehr weitgehend formulierte Gesetze haben. Die Schranken für Eingriffe in die persönliche Freiheit sind nicht klar festgelegt. Somit kommt es darauf an, dass die Gesetze in der Praxis, also von der Polizei und anderen Sicherheitskräften, verhältnismässig umgesetzt werden. Unscharfe Bestimmungen sollten immer restriktiv ausgelegt werden. Allerdings zeigt mir die Erfahrung, und dies stimmt mich pessimistisch, dass schwache Grenzen im Bereich des Datenschutzes auch ausgenutzt werden. In der Regel greift die Praxis nicht korrigierend ein. Man muss dies aber fordern.

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«Ein Präjudiz für Verfassungsverletzungen»

Kaum ein gutes Haar am Hooligan-Gesetz und der entsprechenden Verordnung lässt der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer. Am Frühjahrsplenum der Schweizerischen Datenschutzbeauftragten bezeichnete Schefer am Freitag in Delsberg die Änderungen des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit als ein «Präjudiz für Verfassungsverletzungen verschiedenster Art». Zwar habe das Parlament erkannt, dass der Bund gemäss Verfassung keine Kompetenz habe, diesen Bereich der inneren Sicherheit zu regeln. Indem die Politiker das Gesetz aber bis nach dem Ende der Europameisterschaften 2008 befristeten, glaubten sie, diesen Mangel behoben zu haben. Eine solche Befristung sei aber nicht ungefährlich, sagte Schefer: Dies könnte als Beispiel für andere Verfassungsverstösse Schule machen. Das Parlament weiche der Diskussion aus, die für eine Verfassungsänderung nötig wäre, obwohl es erkannt habe, dass die Rechtsgrundlage den neuen Bedürfnissen der Kompetenzverteilung im Bereich der inneren Sicherheit nicht mehr genüge.

Auch inhaltlich kritisierte Schefer das Hooligan- Gesetz. Dass Sportvereine, also Private, Daten an die Hooligan-Datenbank liefern könnten, sei «für einen Staatsrechtler alarmierend». Zudem seien Gesetz und Verordnung in vielen Bereichen sehr unbestimmt formuliert. Was genau mit den Daten getan werden dürfe, sei unklar. Es zeige sich bei dieser Gesetzgebung ein «Mangel an Sorgfalt und Präzision». Schefer erachtet es als durchaus nötig, Regeln gegen Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen zu schaffen. Doch sollte man diese nicht in einer «Hauruck- Übung» durchsetzen.

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