tagi zu synchronisierten filmen

Wenn man im Kino alles versteht und wenig begreift

Von Jean-Martin Büttner

Immer mehr Filme in der Schweiz werden auf Deutsch gezeigt, sogar die englischsprachigen. Warum? Mit welchen Folgen?

Wenn der Teufel über seinen Rivalen redet, sagt er nicht: «Ich geb dir mal ein paar Insider-Informationen über Gott: Gott sieht gerne zu.» Sondern Al Pacino sagt: «Let me give you a little inside information about God: God likes to watch.» Und wenn die englische Jungfer sich dem schwulen Junggesellen an den Hals wirft, reagiert der nicht mit: «Wie sag ichs nur, ohne dir weh zu tun? Genaugenommen arbeite ich nicht in der Vagina-Abteilung.» Sondern Stephen Fry sagt zu Emma Thompson: «How can I put this delicately? It’s just that I’m not really in the vagina business.» Delikat, indeed.

Das klingt zwar nach einer anständigen Übersetzung der Originale, dazu lippensynchron nachgesprochen, ohne lästige Untertitel am unteren Bildrand. Und zwar auf Deutsch. Statt auf Englisch oder Französisch oder Koreanisch. Statt mit süditalienischem Einschlag oder in nordfranzösischen Dialekten. Statt aus der Bronx heraus oder von Oxford herunter. Doch damit beginnen die Probleme: Die Synchronisierung bringt mit der Sprache die Stimme zum Verschwinden: Klang, Intonation, Färbung, Identität, Herkunft – Schauspielkunst. Al Pacino spielt den Teufel in «The Devil’s Advocate» eben nicht triumphierend wie auf Deutsch, sondern mit einer höhnischen Übertreibung, die seine Destruktivität gerade dadurch unterstreicht, dass er sie zügelt. Und Stephen Fry wirkt in «Peter’s Friend» nicht tuntenhaft, sondern ergeht sich in sublimierter Melancholie. «Bei der Synchronisierung geht etwas verloren», sagt der Schweizer Schauspieler Ueli Jäggi, der selber mühelos verschiedenste Dialekte imitieren kann. «Die Stimme gehört zum Ausdruck eines Schauspielers wie seine Mimik. Seine Sprache vermittelt eine Sicht der Welt.»

Körper und Konserve

Synchronfassungen kämen dem Original viel näher, hört man oft, sie sagten ja viel mehr als die Untertitel mit ihrer telegrammatischen Kürze. Das stimmt, doch was genau wird gesagt? Die Texte müssen lippengenau passen, weichen also von den Originalen ab. Oft genug funktioniert diese Abweichung als Zensur: Anzüglichkeiten, Anspielungen und Überzeugungen werden ersetzt, politische Bezüge umgedeutet. Die Synchronisierung verändere den ganzen Film, behauptet gar der amerikanische Regisseur David Lynch. Da die Stimmen lauter klängen als im Original, gehe die Atmosphäre des Films verloren. Also die subtilen Geräusche und Klänge im Hintergrund, die gerade Lynch meisterhaft einzusetzen weiss. Auf Englisch klingt «Twin Peaks» nach Edgar Allen Poe, auf Deutsch wie «Derrick». Der Unterschied zwischen Originalversion und Synchronstimme entspricht dem zwischen Nuance und Gleichklang, Wortspiel und Kalauer, Körper und Konserve.

Dennoch werden Übersetzungen immer beliebter. 2007 haben die Schweizer Kinos zum ersten Mal mehr Eintritte für synchronisierte Filme verkauft als für Originalversionen, vor allem in den Multiplex-Kinos und bei Actionfilmen und Blockbusters. «Es ist gut möglich, dass bald alle Kinofilme synchronisiert sind», hat Kinobetreiber Philippe Täschler, der alleine in Zürich über dreissig Säle betreibt, im Gespräch mit «Newsnetz» vorausgesagt. Damit hat der Kitag-Direktor eine schwelende Kontroverse geschürt, die via Facebook und anderen Medien weiter ausgetragen wird. Hat Täschler Recht, und Al Pacino, Gérard Depardieu oder Penélope Cruz verlieren bei uns ihre Stimme? Droht auch den Kinos in den Städten der Gleichklang, wie das auf dem Land und in den anderen Landesteilen schon weitgehend der Fall ist? Gleicht sich das Kino eines mehrsprachigen Landes den Nachbarn an, bei denen auf der Leinwand alle reden wie die im Saal?

Blut, Feuer, Sprache

Die Tendenz scheint offensichtlich; sie hat finanzielle Gründe. Die Schweiz setzte ursprünglich auf die mehrsprachige Untertitelung der Kinofilme, weil das billiger kam. Aus demselben Grund bieten Verleiher heute vermehrt Synchronfassungen an. Während die Untertitel in jede einzelne Kopie eingelasert und schnittgenau platziert werden müssen, diese Kopien aber dann nur beschränkt verwendet werden können, lässt sich eine Synchronkopie im gesamten deutschsprachigen Raum einsetzen. Je nach Anzahl der Kopien kosten diese nur noch halb so viel. Zudem bevorzugt das junge Publikum die eingedeutschten Fassungen. Das habe auch mit den Filmen zu tun, sagt Patrick Tavoli, der im Zürcher Sihlcity die «Arena»-Kinos betreibt: «Bei Filmen mit Stunts, Spezialeffekten, Blut und Feuer spielt die Sprache keine Rolle.» Er bestätigt auch, was von Filmverleihern zu hören ist: Bestimmte Filme laufen in der Synchronfassung dreimal besser als im Original.

Also entscheidet der Markt. «Solange es ein Publikum gibt, das nach Untertiteln verlangt, werden die Verleiher solche Versionen anbieten und die Kinos sie auch zeigen», sagt Paul Fischli, der für den amerikanischen Verleiher Universal arbeitet. Doch das Publikum verlange häufiger nach Synchronfassungen. «Ich persönlich bedaure das, aber weder Verleiher noch Kinos können an den Zuschauern vorbeiprogrammieren.» Der Trend in den Multiplexen sei offensichtlich, anerkennt auch Beat Käslin von den ArthouseKinos, «aber nicht bei den Studiofilmen». Anders als Kitag-Direktor Täschler glaubt er auch nicht, dass Filme in Originalversionen gefährdet sind. Schon gar nicht in der angesehenen Kinostadt Zürich, in der diese sehr geschätzt werden, übrigens auch von den vielen Ausländerinnen und Ausländern, die hier leben. Ihn beunruhigt aber, dass das jüngere Publikum sich weniger für die Originale interessiert. «Eine ganze Generation würde diese Kinokultur aufgeben.»

Warum hat ausgerechnet eine Generation, die selber permanent englische Ausdrücke braucht, mit Englisch gesprochenen Filmen Mühe? Das habe viel mit dem Fernsehen zu tun, sagen die Befragten, das fast nur Synchronfassungen ausstrahlt. Ausserdem fänden Jugendliche das Lesen zu anstrengend, glaubt Filmexperte Felix Aeppli, der Lehrlinge in Medienkunde unterrichtet und eine zunehmende Lesefaulheit registriert. «Wenn Jugendliche zusammen ins Kino gehen, passen sie sich den Bequemsten in der Gruppe an und schauen die deutsche Version.»

Dabei müsse man aber unterscheiden, schränken die Kinobetreiber ein: Bei Filmen wie «Borat», «Mamma Mia» oder «Slumdog Millionaire» habe das Publikum die Originale vorgezogen. Ähnlich differenzierte Resultate ergab eine Umfrage des Schweizer Fernsehens von 2006 zum Zweikanalton. Zwar sagte die Hälfte der Befragten, sie bevorzuge die deutsche Version. Immerhin 28 Prozent wünschten sich aber die Originalversion, mit oder ohne Untertitel, bei den 25- bis 44-Jährigen waren es sogar über dreissig Prozent, vor allem bei englischen Originalen.

Man kann das Publikum nicht erziehen, hört man immer wieder. Dabei entgeht ihm dadurch die beste Art, eine Sprache zu lernen. Bürger aus skandinavischen Ländern oder Holland sprechen nicht nur ein vorzügliches Englisch, wie diverse Studien zeigen, sie haben auch den grössten englischen Wortschatz auf dem Kontinent. Aus einem einfachen Grund: Die Kinder sehen schon am Fernsehen die Originalfilme mit Untertiteln. Sie lernen Sprache und Aussprache, ohne es zu merken.

Weshalb sie auch Humphrey Bogart in «Casablanca» ganz genau verstehen, beim Abschied von Ingrid Bergman: «Here’s looking at you, kid.» Auf Deutsch sagt er: «Ich seh dir in die Augen, Kleines.» Wer das für eine gute Übersetzung hält, hat den Unterschied zwischen Anerkennung und Herablassung nicht verstanden, weil nicht gehört.

[quelle: tagesanzeiger vom 6-5-2009]

kitag zerstört luzerner kinokultur

vor bald eineinhalb jahren schrieb ich hier über meine bedenken bezüglich der kitag-offensive in luzern. als speed racer vor gut einem jahr nicht in originalsparche gezeigt wurde, ahnte ich böses. die kitag versuchte sich damals noch herauszureden. in den letzten wochen haben sich meine befürchtungen bestätigt. wer hier mitliest weiss, wie oft ich im kino anzutreffen bin. in letzter zeit gab es hier kaum noch reviews von filmen. simpler grund dafür: die «grossen» filme gibt es aktuell nur noch auf deutsch. schuld daran trägt die kitag. sorry, aber sind die luzerner denn ein so dummes publikum, dass sie die untertitel nicht lesen können? pink panther 2, transporter 3, fast & furious 4 und star trek -1 gibt’s oder gab’s hier nur in deutscher sprache. auch x-men – wolverine läuft nur auf deutsch. was soll der mist? wer synchronisierte filme will, soll gefälligst tv schauen. abgesehen von kinderfilmen sehe ich absolut kein genre, das übersetzt gehört. im übrigen gibt es mit philip von parijs einen wissenschaftler, der sich mit der sprachproblematik in der eu befasst, der sich für ein verbot von synchronisierten filmen einsetzt. die kitag-menschen sollten sich vielleicht mal einen von seinen artikeln zu gemüte führen.

tja, kitag, mich werdet ihr kaum noch in den kinosälen sehen. offensichtlich haltet ihr euer publikum für einigermassen beschränkt. schade.

übrigens: mit programmen wie vuze kann man auch aktuelle filme in knapp genügender qualität runterladen. richtig illegal ist das in der schweiz meines wissens nicht.

nur noch synchronisierte filme? die antwort von kitag

wie ich hier bereits etwas ausgeführt habe, nervt mich der trend zu synchronfassungen im kino gewaltig. meine etwas unsanfte anfrage wurde von kitag freundlich beantwortet.

In letzter Zeit ist die Nachfrage nach Filmen in synchronisierter Fassung rasant angestiegen. Aus diesem Grund werden im Vergleich zu früher, etwas mehr deutsche Versionen eingesetzt. Die Originalfassungen werden jedoch wie bis anhin weitergespielt. Die Nachfragen sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. In Luzern werden die deutschen Fassungen deutlich besser besucht.

Wir sind bestrebt, die Programmation so zu gestalten, dass wir alle Kundenwünsche abdecken können. Es kann jedoch vorkommen, dass eine Sprachversion überwiegen kann. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, wie z.B. Verfügbarkeit der Filmkopien oder Zielgruppe eines Filmes.

Wir hoffen, Ihnen unsere Situation etwas näher gebracht zu haben und würden uns freuen, Sie weiterhin zu unseren geschätzten Kinogängern zählen zu dürfen.

naja. so richtig zufrieden bin ich mit dieser antwort natürlich nicht. erwartungsgemäss ist kitag ein profitmaximierendes unternehmen und daher ist es natürlich logisch, dass sie ihr angebot der nachfrage anpasst. dass aber die filmkopien mit untertitel und originalsprache schlechter verfügbar seien, halte ich für ein märchen. wenn ich richtig informiert bin, dauert es auch einiges weniger lang, die filme mit untertiteln auszustatten, als sie mit synchronsprache zu vertonen. billiger sollte es irgendwie auch sein. und zum letzten satz muss ich sagen: nein. wenn dieser synchronisationstrend anhält, wird man mich bestimmt nicht mehr so oft im kino antreffen.

speed racer – kitag sucks

speed racer ist der neue film der wachowski-brüder, die uns matrix brachten. natürlich wollten wir uns dieses schmankerl gleich am premieretag ‹reinziehen. umso erstaunter war ich dann, als mich jackbrown kurz bevor er die tickets kaufen wollte anrief. «der film läuft auf deutsch» meinte er etwas geknickt. häh? tatsächlich: in luzern läuftspeedracer im capitol 6 und im maxx 6. in beiden kinos in synchronisierter version. also verzichteten wir auf den kinobesuch und gönnten uns stattdessen ein paar openairdrinks. anmerken müsste man noch, dass in den sechs capitol-kinosäälen zur primetime normalerweise die orignalsprache zu hören und deutsch/französisch zu lesen ist. in zürich dagegen kann man ihn im abaton 1 – ebenfalls ein kitag-kino – in originalfassung mit untertiteln sehen. warum also in luzern nur auf deutsch? wenn ich film in synchronisierter fassung sehen möchte, kann ich das zeugs auch am tv gucken. hält die kitag ganz luzern für analphabeten oder was soll der quatsch?

wenn das zur gewohnheit wird, habe ich bald gar keinen grund mehr ins kino zu gehen. auf dvd hat man dann ja die wahl, welchen ton man hören will…

wer sich – wie ich – bei kitag über diesen zustand beschweren will, kann hier via kontaktformular seinem ärger luft machen, eine e-mailadresse haben die nicht auf der homepage. wohl aus gutem grund.