Fahren im Stau

Eigentlich wollte ich schon ewig was zu dem Thema schreiben, kam aber irgendwie nie dazu. Ein Erlebnis im Gubristtunnel hat mir das wieder in Erinnerung gerufen. Als ich im Stau nicht sofort wieder aufschloss, wurde ich von einer SUV-Fahrerin rechts überholt und mit wilden Handzeichen eingedeckt. Danke dafür, Du hast gar nichts begriffen. Weiter vorne wechselte sie dann auf die linke Spur.

Es dauert noch ein paar Jahre, bis auf den Autobahnen alles automatisch läuft. Bis dahin wird der Verkehr aber weiter zunehmen und mit ihm die Staukilometer. Es wäre also gut, wenn wir uns überlegten, wie wir das am besten bewerkstelligen. Hier ein paar Fragen und vor allem die Antworten darauf.

Aufschliessen oder nicht?

Ja, wir sind ja alle schampar im Stress, und darum müssen wir die Lücken, die sich im Stau ergeben, sofort wieder füllen. Das tun wir, indem wir so stark wie möglich beschleunigen, um möglichst schnell wieder am Heck des Vordermannes zu sein. In der Stadt könnte dieses Verhalten sogar noch sinnvoll sein, weil man damit Kreuzungsbereiche schneller leert. Auf der Autobahn bringt es sogar noch mehr Stau. Durch das starke Beschleunigen muss man dann wieder bremsen, das folgende Fahrzeug ebenfalls und so weiter. Der Ziehharmonikaeffekt kommt voll zum Tragen und der Stau dauert länger, als er müsste. Zudem wird er auch physisch länger.

Richtig: Gibt es eine Lücke vor dem eigenen Fahrzeug, soll diese langsam wieder geschlossen werden. Im Idealfall beschleunigt  man auf ein Tempo, das es ermöglicht, ohne zu bremsen kontinuierlich voranzukommen. Die Hinterherfahrenden können (in der Theorie) das gleiche Tempo annehmen und sorgen somit für eine kontinuierliche Fortbewegung anstelle des steten Stop-and-Go. Weniger anfahren und bremsen ist auch für das Material angenehmer.

Die Wichtigkeit der Bremsleuchten

Immer häufiger sind unsere Fahrzeuge automatisch geschaltet, was zur Folge hat, dass wir die Bremse betätigen, wenn wir langsamer fahren möchten. Im Kolonnenverkehr hat das den unschönen Nebeneffekt, dass durch die dritte Bremsleuchte oben das Signal bis weit hinter das eigene Auto transportiert wird. Das wiederum bewirkt, dass ein kleiner Bremsimpuls dazu führen kann, dass eine ganze Kolonne bremst, obwohl das vielleicht gar nicht nötig wäre. Natürlich soll man nicht in das vorausfahrende Auto reinknallen. Aber: Im Sinne eines verbeserten Verkehrsflusses hilft es, wenn wir es einfach etwas rollen lassen und die Bremse im Stau nur betätigen, wenn es nicht anders geht. Da wären wir eigentlich gleich wieder beim ersten Punkt, dass der Abstand nicht auf Teufel-komm-raus minimiert werden sollte. Vielmehr kann man mit dem Abstand «arbeiten» und ihn dann konsumieren, wenn die ganze Schlange wieder verlangsamt.

Einspuren beim Reissverschluss – früh oder spät?

Immer mal wieder wird in der Schweiz von drei auf zwei oder von zwei auf eine Fahrspur verengt. Meist sind Baustellen die Ursache dafür, aber auch Unfälle oder Reinigungsarbeiten. Da gibt es dann jeweils zwei Typen von Lenkern. Die einen wechseln auf die verbleibende Spur, sobald sie merken, dass dies nötig werden wird. Die anderen lassen sich Zeit, fahren bis man es dann nicht mehr darf und würgen dort rein. Ich schreibe absichtlich «würgen», weil es von den meisten so interpretiert wird. Tatsache ist: Die Würger machen es genau richtig. Die Fahrspuren können besser genutzt werden, wenn es nur ganz vorne ein Einfädeln gibt, statt das über einen Kilometer hinzuziehen. Der Verkehr würde flüssiger werden, würden alle Einfädler bis ganz nach vorne fahren. Bedingung ist natürlich, dass sie dort dann auch reingelassen werden.

Auf die schnellere Spur wechseln oder nicht?

Die andere Spur ist immer schneller. Jeder hat sich das im Stau schon mal gedacht. Und was ist die Folge dieses Gedankens? Richtig, man wechselt bei jeder Gelegenheit auf jene Spur, die einem schneller erscheint. Tatsächlich mag das für einzelne Fahrer und ihre Autos sogar funktionieren. Der Effekt für den ganzen Stau ist aber ein anderer. Durch die Spurwechsel ergeben sich hinter dem Einspurenden automatisch Bremsmanöver. Schliesslich will man einen gewissen Mindestabstand zum Vordermann haben. Das Ziehharmonikaphänomen wird also noch zusätzlich verstärkt.

Motorräder durchlassen oder nicht?

Wenn die Kolonnen stehen, geht es meist nicht lange und die ersten Biker schleichen in der Mitte nach vorne. Ich habe schon erlebt, dass Fahrzeuge dann absichtlich dicht gemacht haben, damit die Motorräder nicht durchkommen. Das mag sogar im Sinne der Gesetzgebung sein, ist aber trotzdem total dämlich. Neben der offensichtlichen Gefahr für die herannahenden Töfffahrer schliesst man auch gleich die Rettungsgasse in der Mitte, die man im Stau immer offen lassen sollte.

Warum langsam fahren, wenn es doch wenig Verkehr hat?

Das hat nur indirekt mit dem Thema zu tun. In der Schweiz werden immer mehr Autobahnteilstücke mit variablen Tempolimits ausgestattet. Nimmt das Verkehrsvolumen zu, wird die Geschwindigkeit automatisch abgesenkt. Am besten wäre der Fluss, wenn alle gleich schnell fahren würden. So kann es nun sein, dass Tempo 100 signalisiert ist, obwohl 120 noch gut «ginge». Würen nun aber alle verlangsamen, liesse sich der sonst bald folgende Stau eventuell verhindern, weil mit dem langsameren Tempo eben mehr Verkehr über die entsprechende Strasse geführt werden kann. Klingt komisch, ist aber so. Darum ist bekanntlich auch die Geschichte mit Tempo 140 ein absoluter Blödsinn. Also sollte man diese temporären Angaben ernst nehmen und damit helfen, den Verkehrsfluss aufrecht zu erhalten.

Und sonst so?

Generell braucht es einfach mehr Gelassenheit und Toleranz auf der Strasse. Nein, ich nehme mich da selbst gar nicht aus. Dann überholt der Lastwagen halt einen anderen, schliesslich muss der noch nach Italien. Den lichthupenden Audi einfach mal durchlassen, den Grund für die Eile kennt man ja nicht. Wer in der Schweiz über längere Strecken massiv zu schnell unterwegs ist, wird sowieso geblitzt… 😉

Übrigens: Wer sich für solches Zeug interessiert, dem sei Tom Vanderbilts Auto empfohlen.