90% für das hooligangesetz

tja, das war nun nicht deutlich, und auch nicht mehr überdeutlich, das war eigentlich fast schon einstimmig. der definitive «beitritt des kantons luzern zum konkordat über massnahmen gegen gewalt anlässlich von sportveranstaltungen» ist beschlossene sache. der vorläufigen auszählung zufolge haben über 90% der abstimmenden ja gesagt. warum? artikel wie jener im tagi gab es in luzern keine. viel zu einfach ist es, fussballfans pauschal als gewalttätige trunkenbolde darzustellen, die es möglichst schnell hinter gitter zu bringen gilt. dass dieses konkordat wohl mehr probleme bringen denn lösen wird, hat die stimmbevölkerung nicht im ansatz begriffen.

zisch.ch

tagi zum hooligangesetz

endlich erscheint einmal ein ausgewogener text zu diesem thema. und wenn ich das so lese, bin ich froh, so abgestimmt zu haben. allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass eine überwältigende mehrheit dem «beitritt des kantons luzern zum
konkordat über massnahmen gegen gewalt anlässlich von sportveranstaltungen» zustimmen wird. auch wenn der titel der vorlage gut klingt, sollte man sich nicht täuschen lassen. denn seien wir ehrlich, auch «bussengelder für steuerrabbat» klingt irgendwie gut, ist aber unter dem strich einfach nur behämmert.

Das Hooligangesetz hat die Fans radikalisiert

Von Dario Venutti

Luzern stimmt am Sonntag darüber ab, ob das Hooligangesetz weitergeführt wird. Trifft der Kampf gegen Gewalt die Richtigen? Und welche Folgen hat die Repression?

Am 12. April 2008 kesselte die Bieler Polizei 33 Fans des FC Luzern in einem Park ein. Die Anhänger, die zum Spiel einer Nachwuchsmannschaft angereist waren, wurden allesamt verhaftet, mit Rayonund Stadionverboten belegt und landeten in der Hooligandatenbank. Ein Jahr später stellten die Behörden das Verfahren ein. Man konnte den Fans, die immer ihre Unschuld beteuert hatten, keine Gewalttaten nachweisen. Unschuldsvermutung gilt nicht

«Der Fall Biel ist ein krasses Beispiel für die willkürlichen Ergebnisse, die das Hooligangesetz liefert», sagt René Schwarzentruber. Zusammen mit anderen aktiven Anhängern des Luzerner Fan-Dachverbands United Supporters hat er nach dem Vorfall das Referendum gegen das kantonale Konkordat ergriffen, welches das bis Ende Jahr befristete Hooligangesetz fortführen soll und dem bisher acht Kantone zugestimmt haben. Allein in Luzern sei bisher jedes zweite Rayonverbot zu Unrecht ausgesprochen worden, sagt Schwarzentruber: Die Bestraften mussten ihre Unschuld in langen und teuren Verfahren nachweisen, erst dann wurden die Massnahmen aufgehoben.

Trifft der Kampf gegen die Gewalt damit die Falschen? «Das Hooligangesetz ist ein gutes Instrument. Wir können auf die Daten von Fans zurückgreifen, die ausserhalb der Stadien randalieren», sagt Ulrich Pfister, Präsident der Sicherheitskommission des Schweizerischen Fussballverbands. Und für Christoph Vögeli, Leiter der Zentralstelle Hooliganismus in Zürich, wirkt das Gesetz abschreckend.

Thomas Gander, Ko-Leiter des Fanprojekts in Basel, sieht das anders. «Die Befürchtung, dass auch andere als notorische Gewalttäter in der Hooligandatenbank landen, ist eingetreten», sagt er. Die Hürde, einen Eintrag zu erhalten, sei zu tief angesetzt. Kürzlich wurde ein FCBFan wegen Landfriedensbruch registriert, weil er eine Pet-Flasche geworfen hatte. «Das ist unverhältnismässig. Und eine Möglichkeit zur Bewährung gibt es nicht», sagt Gander.

Gemäss Bundesamt für Polizei (Fedpol) sind derzeit 554 Personen in der Hooligandatenbank erfasst. Ende 2007 waren es 260. Die Zunahme lässt aber nur bedingt den Schluss zu, die Gewaltbereitschaft steige: Wer einmal in der Datenbank landet, bleibt zwischen drei und zehn Jahren drin, auch wenn er seine Strafe in Form eines Stadionoder Rayonverbots abgesessen hat. Bei 276 Personen ist das heute der Fall.

Gefühlte und tatsächliche Gewalt

«Die Aufmerksamkeit der Medien führt dazu, dass man das Gefühl hat, die Gewalt steige. Tatsächlich nimmt sie nicht zu», sagt Christoph Vögeli. Trotzdem hat sich mit dem Hooligangesetz einiges verändert: Vögeli beobachtet einen Krawalltourismus und eine Verlagerung der Gewalt in untere Ligen. YB-Fans würden sich an Randalen bei Eishockeyspielen in Biel beteiligen, und gewaltbereite Fans des FC Luzern tauchten bei Matches in der 2. Liga im Eishockey auf.

Fan-Sozialarbeiter Gander sagt, das Hooligangesetz habe das Gegenteil dessen bewirkt, was es beabsichtige: Durch die Zunahme der Repression fühlten sich die Fans vom Staat übermässig kontrolliert und bedroht. «Das führt zu einer Radikalisierung und Solidarisierung unter Anhängern», sagt Gander. Fans würden sich immer häufiger vermummen und gewalttätig gegen Polizisten und private Ordnungshüter vorgehen. «Auf diese Weise kommt eine Gewaltspirale in Gang, die beängstigend ist», sagt Gander.

Vögeli stellt fest, dass Fans «Hetzjagden gegen zivile Polizisten betreiben». Tatsächlich haben FCZ-Fans letztes Jahr beim Cupspiel in Wil zwei zivile Beamte aus der Kurve geprügelt. Dass die Repression zuweilen zu Verfolgungsängsten führt, zeigt das Beispiel aus einem FCZLokal: Ein älterer Gast wurde von jüngeren Fans gefragt, ob er ein ziviler Fahnder sei.

Welche negativen Folgen eine massive Repression haben kann, zeigt sich in Italien, wo die Gewaltbereitschaft ungleich höher ist. Der Soziologe Jonas Gabler weist in einer vergleichenden Studie über Fankulturen nach, dass die Polizei massgeblich an der Gewaltspirale dreht.

Die Fans haben einen schlechten Ruf

Trotzdem glaubt der Luzerner René Schwarzentruber nicht, dass die United Supporters die Abstimmung am Sonntag gewinnen werden. Der Ruf der Fans ist generell schlecht. Zudem haben einige Luzerner, die sich nach dem Cup-HalbfinalSpiel gegen Sion auf dem Platz mit gegnerischen Fans prügelten, dem Referendum einen Bärendienst erwiesen.

[quelle: tagesanzeiger, 14-5-2009, s. 3]