die verantwortung der politiker

*nzz:* Der norwegische Attentäter verfolgte eine abstruse islamkritische und fremdenfeindliche Ideologie. Wie kann es überhaupt zu einer so extremen Geisteshaltung kommen?

*Cederman:* Wir wissen, dass die Themenfelder Immigration und Globalisierung von rücksichtslosen Populisten ausgenützt werden, um kurzfristige Wahlziele zu erreichen. Manchmal führt das zu einer missgeleiteten Überzeugung. Politiker haben die direkte Verantwortung, keinen Hass zu verbreiten. Sie dürfen Xenophobie und Rassismus nicht instrumentalisieren. Jede öffentliche Person, die sich Gewaltrhetorik zunutze macht, erhöht die Wahrscheinlichkeit terroristischer Taten. Jede öffentliche Person sollte der Gewalt absprechen. Von Repräsentanten islamischer Organisationen wird das ohnehin erwartet. Auch von rechtsextremen Organisationen sollte verlangt werden, dass sie in ihren eigenen Rängen aufräumen. Menschen, die Gewalt gutheissen, sollen aus jeder Organisation ausgeschlossen werden.

das ganze interview mit dem konfliktforscher lars-erik cederman gibt’s auf nzz online.

wer entschuldigt sich für oslo und utoya?

könnt ihr euch erinnern? als es vor einiger zeit anschläge islamistischer gruppierungen gab, erwartete man von hiesigen muslimen stellungnahmen. ja sogar entschuldigen hätten sie sich sollen. klar, wer den gleichen glauben hat ist für seine mitgläubigen verantwortlich. oder ist das am ende dann vielleicht doch nicht ganz so einfach?

wer wird sich für die anschläge in oslo und utoya, die nach aktuellem wissensstand von einem christen begangen wurden, entschuldigen oder zumindest rechtfertigen? wird sich twitter-abt martin werlen an seine follower richten und um vergebung bitten? bis jetzt ist er, laut seinem letzten tweet, froh, dass er beten kann:

Norwegen: Schock – Trauer – Mitleiden – Wut – Angst – Ohnmacht. Dankbar, dass ich beten kann.

kein wort von entschuldigung. keines von rechtfertigung. auch noch keine nächstenliebe für den mutmasslichen täter. eigentlich abgesehen vom beten erschreckend unchristlich und erfrischend menschlich.

ich schätze mal, man wird den täter, so es wirklich dieser eine allein gewesen sein sollte, dereinst einfach als verrückten einzelgänger darstellen. ein extremist halt. anders als koran und islam werden bibel und christentum wegen der tragödie in norwegen nicht weiter unter die lupe genommen. nein, dafür sind uns die christlichen werte zu «heilig» – schliesslich sind das ja die unsrigen. möglich, dass die gamerfraktion mal wieder prügel bezieht, soll der mutmassliche attentäter doch world of warcraft und modern warfare gezockt haben.

new york city vergibt vorerst die roadpricing chance

wie ich hier vor wenigen tagen geschrieben habe, stand die sogenannte city-maut in new york zur debatte. bürgermeister bloomberg wollte eine gebühr von 8 usd erheben, die für alle strassen südlich der 60th street gegolten hätte. doch im landesparlament von albany gab es schon innerhalb der demokratischen partei eine derart krasse ablehnung dieses vorschlages, dass dieser im plenum gar nicht zur debatte gestellt wurde.

schade, so hat new york (zumindest vorläufig) die chance verpasst, eine sinnvolle art des roadpricings einzuführen. ausserdem hätte man mit den resultierenden mehreinnahmen das öffentliche verkehrsnetz endlich wieder stärken können. ausserdem hätte ein ja zu diesem vorschlag auch noch geld aus der staatskasse gebracht. fördergelder in der höhe von 350 millionen euro wären dann ebenfalls in den öffentlichen verkehr geflossen.

auto motor und sport

führt auch new york city roadpricing ein?

singapur, stockholm und oslo haben es. london ist schon fast berühmt dafür. roadpricing. in englands hauptstadt zahlt man aktuell 8 englische pfund (16 chf), um die zone mit dem weissen c auf rotem grund zu entern. congestion charge heisst die von bürgermeister ken livingstone 2003 eingeführte gebühr. und funktioniert die geschichte? ja und nein. zu beginn war die wirkung enorm, der verkehr floss wieder in einem annehmbaren tempo, die fahrten durch die innenstadt londons wurdern merklich weniger. in zahlen heisst das: 15% weniger verkehr, 25% weniger stau. das bus-angebot konnte verbessert werden und ganz nebenbei nahm london etwa 70 millionen pfund sterling ein. da die bewohner der maut-zone nur 10% der congestion charge zu bezahlen brauchen, wirkte sich die erweiterung der zone fatal aus. chelsea und kensington (wo im gegensatz zu dem geschäftsbezirk der city sehr viele leute wohnen) kamen dazu und so nahm das durchschnittstempo ab, staus häuften sich.


congestion charge zone [grafik: tagesanzeiger]

nun hat livingstone einen neuen plan. er sagt suv und anderen spritschluckern den kampf an. das fahren durch die maut-zone mit diesen fahrzeugen soll 25 pfund (also über 50 chf) kosten, selbst wenn man innerhalb der zone wohnt. auf der anderen seite sollen anreize für emmissionsarme autos geschafft werden, die congestion charge entfällt für sie ganz. in meinen augen ist eine verschärfung selbst in dieser härte durchaus sinnvoll. livingstones problem ist nur: diese massnahmen sollen ab oktober greifen, seine wiederahl steht aber bereits im mai an…

wie sieht das ganze nun in nyc aus? bürgermeister bloomberg möchte von der 60th street an südlich gehend eine maut-zone errichten. der dereinst zu bezahlende betrag wird aktuell mit 8 usd beziffert, was weit unter dem einführungstarif von london (5 pfund sterling) liegt. lkws sollen 21 usd bezahlen müssen. die argumente in new york sind natürlich dieselben. der verkehr soll abnehmen bzw. sich beschleunigen, die luft soll sauberer werde und mehr leute sollen die öffentlichen verkehrsmittel benutzen. auch die karte der in nyc wohnenenden kinder wird gespielt. so sagt frau quinn (sprecherin des bürgermeisters):

«We’re sick and tired of the children who live in our city literally having to fight to be able to breathe, and that we see congestion pricing as a solution to this problem.»

im city council ging der vorschlag mit einer aussgerwöhnlich knappen mehrheit von 30 gegen 20 stimmen (bei einer absenz) durch. die bestätigung dieses beschlusses lässt aber vorerst noch auf sich warten. dazu muss erwähnt werden, dass es auch in new york abgabefreie strassen zur durchquerung der zone geben würde. behinderte und taxis wären ganz von der maut ausgenommen.

und was ist mit der schweiz? wie immer brauchen wir offensichtlich etwas länger. bis herbst diesen jahres soll ein bundesgesetz vorliegen, dass auf zehn jahre befristet wäre. dieses gesetz muss allerdings zunächst die vernehmlassung und die parlamentsdebatte, später allenfalls sogar ein referendum überstehen. bestenfalls ist in drei jahren damit zu rechnen. dann könnten sich städte gesuche für pilotprojekte einreichen. wer in zürich mit dem auto unterwegs ist, weiss: diese stadt wäre wie gemacht für eine solche massnahme. natürlich sieht das der tcs anders, die modelle von london oder stockholm liessen sich nicht einfach so auf zürich übertragen. warum denn nicht? ich würde die (virtuellen) barrieren mal vor zürich alstetten und zürich brunau, aber auch vor dem seefeld und vor schwammendingen errichten. ein problem stellt natürlich die westtangente dar, die momentan viele fahrer zwingt, mitten durch die stadt zu fahren, obwohl sie eigentlich gar nicht rein wollen. auch das könnte aber leicht mit einer tiefen «durchfahrtsgebühr» geregelt werden.

quellen:
tagesanzeiger 9-3-2008 s.12
new york times 1-4-2008