What’s on Watson?

Natürlich steht da oben links neben dem Logo noch beta. Trotzdem ist Watson seit gestern in aller Munde. Oder besser: Auf allen Tastaturen und Touchscreens. Seit Wochen auf verschiedenen Kanälen angekündigt, oder wie man heute sagt: geteasert, nimmt ein völlig neues Medienportal seinen Dienst auf.

Und was ist nun drauf auf watson? Zunächst einmal natürlich News. Und zwar aus verschiedensten Bereichen. Der aktuell oberste Artikel handelt von Bitcoin. Sicher wird man als reines Webmedium einen Schwerpunkt auf die Welt des Internets legen. Doch auch die aktuell wichtigsten Themen WEF, Syrien und Ausralian Open findet man.

Watson

Die optische Aufmachung ist sehr modern und scheint vor allem für die User von Touchscreens optimiert zu sein. Das Kacheldesign, das unweigerlich an Windows 8 erinnert, ermöglicht eine Gestaltung ohne viel Weissraum und eine (bis jetzt) wenig störende Integration der Werbeflächen. Je nach Grösse des Browserfensters bleibt links und rechts dann noch etwas Weiss. Wer das Fenster sehr schmal macht, sieht wie sich der ganze Aufbau responsive verhält, also flexibel auf die Fenstergrösse reagiert.

Damit man sich aktiv beteiligen kann, ist natürlich eine Kommentarfunktion integriert. Um diese nutzen zu können muss man entweder seine Mailadresse angeben, oder man loggt sich über Facebook, Google+ oder Twitter ein.

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Offenbar unvermeidbar in der heutigen Zeit: Listicles. Die Artikel, die immer gleich angepriesen werden «Die 10 hässlichsten Missen» oder «Die 5 nervigsten Dialekte» (um zwei erfundene Beispiele zu nennen), haben vor allem auf englischen Sites schon seit Jahren Hochkonjunktur. Ob man aber eine solche Darstellung auch für politische Inhalte verwenden sollte, bleibt fraglich. Watson versucht das momentan mal mit den Unruhen in Syrien. Mich nerven die Listicles inzwischen sowieso. Aber die Vorstellung von Watson selbst in 6 Punkten kann man sich ja trotzdem mal geben.

Watson

Dann hat man sich bei Watson noch etwas Neues einfallen lassen: Oben rechts finden sich drei farbige Quadrate, die einen auf eine Übersicht von Begriffen leitet. Die einen sind als feste Ressorts immer drauf, die anderen wechseln je nach Aktualitäten. Somit hat man hier immer einen guten Überblick, was gerade läuft. Das scheint mir ein interessanter Ansatz, den Gedanken der Hashtags etwas anders zu denken.

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Watson gefällt mir auf den ersten Blick sehr gut. Es bleibt aber die Frage, ob man sich ganz ohne Printgegenstück überhaupt bei einer breiten Öffentlichkeit etablieren kann. Im Newsbereich ist das in der Schweiz bis jetzt niemandem geglückt. International gibt es verschiedene Beispiele, die zwar andere Ansätze gewählt haben, die aber ebenfalls ohne Print erfolgreich sind. Beispiele sind Huffington Post, The Verge oder Slate.

Mit Journal 21 gibt es etwas entfernt Ähnliches, wobei die Seite sehr konservativ daherkommt und auch die Schreibenden eher zur alten Gilde gehören, während Watson frisch sein will und momentan auch ist. Einen anderen Weg geht man bei zentral+, wo man im Wesentlichen eine Alternative zur Gruppe um die Neue Luzerner Zeitung sein will. Egal ob Zeitung, TV oder Radio, in der Zentralschweiz gibt es nur einen grossen Anbieter. Darum gibt man mit zentral+ etwas Gegensteuer, wobei man online auch im Stile einer Zeitung auftritt, zu der es allerdings kein Printgegenstück gibt.

Die grossen Kontrahenten für die Leute von Watson dürften die Online-Portale von Blick und 20 Minuten sein. Genau deshalb ist es wahrscheinlich unverzichtbar, dass man auch auf pseudolustiges Zugemüse in Form der Beiträge des Facebookphänomens Zukkihund kaum verzichten kann. Wer «die junge Generation» ansprechen will, muss auch witzig sein. Das zeigt sich ja auch bei Buzzfeed und der billigen Schweizer Kopie Blick am Abend online.

Ein Trumpf in der Hand von Watson ist die Unterstützung durch den deutschen Medienriesen Spiegel Online. Überhaupt macht man bis jetzt nicht den Eindruck, als wolle man in jedem Bereich die (Medien-)Welt neu erfinden. Nicht selten wird auf andere Mediensites gelinkt. Gut auch, dass man es mit den Quellenangaben genau nimmt. Da ist ja beispielsweise der Blick gerne etwas ähm.. ungenau.

Überhaupt hat Watson nun die Chance, alles besser zu machen, was auf anderen Sites nervt. Keine Layerwerbung oder selbststartende Videos einzubauen gehört in diese Kategorie. Keine boulevardesken Bezeichnungen verwenden. Auf allzu schlüpfrige Inhalte verzichten, auch wenn das Klicks bringen würde. Und wenn wir schon bei den Klicks sind: Auf deutschen Seiten ist es inzwischen üblich, dass man für einen Artikel x-mal klicken muss. Momentan ist man beim schweizer Neuling mit einem einzigen bei der Story. Wie das mal gehandhabt wird, wenn noch mehr Inhalte drauf sind, wird man sehen.

Ansonsten werden zwei Hauptpunkte über Erfolg oder Misserfolg von Watson entscheiden. Den ersten kann die Redaktion selbst beeinflussen: Artikelqualität, Aktualität, Stil, Bedienerfreundlichkeit und Innovationsgeist müssen passen. Die Qualität muss stimmen. Der zweite Punkt ist der schwierigere: Das Publikum muss ein von der Printwelt völlig losgelöstes Medium im Bereich News kennenlernen, akzeptieren und schliesslich auch aktiv nutzen. Während die Jugend wohl schnell mal zu begeistern sein dürfte, habe ich für die älteren Leute so meine Zweifel.