militärgeschichte

Gestern haben mich gleich zwei Dinge daran erinnert, dass ich hier schon ein paar mal gesagt habe, ich würde meine Militärgeschichte kurz niederschreiben. Zum einen war da der Club auf SF, in dem es um die RS ging und zum anderen fand ich einen Marschbefehl und ein paar andere Dokumente aus jener Zeit. Da ich alles aus meiner Erinnerung schreibe, können durchaus ein paar Ungenauigkeiten mit drin sein. also ohne Gewehr, ähm Gewähr.

Zunächst einmal wollte ich eigentlich Militärdienst leisten. dies entgegen meiner politischen Einstellung. Für mich war es einfach der Weg des geringsten Widerstandes und auch vom zeitlichen Aufwand her erträglich. Allerdings wusste ich, dass ich auf keinen Fall schiessen wollte.

Bei der Aushebung gab ich mir Mühe, sportlich weder positiv noch negativ aufzufallen. ja, ersteres wäre zu dieser Zeit durchaus auch möglich gewesen. 😉 Jedenfalls erreichte ich 268 punkte, was für das Prädikat Gut ausreichte. Natürlich war man zuvor mit diversen guten Tipps an mich herangetreten. Den vom nicht auffallen hab ich mir dann zu Herzen genommen. Schliesslich landete ich als Nachrichtensoldat bei den Fliegertruppen, wie ich das in etwa geplant hatte.

Nun wollte ich ja eben ohne Waffe dienen. Darum stellte ich fristgerecht ein Gesuch. Daraufhin «durfte» ich vor die Untersuchungskommission, die aus drei Leuten bestand. der Aushebungsoffizier, ein Arzt und eine dritte Person, deren Funktion mir nicht mehr bekannt ist. Jedenfalls sollten die drei prüfen, ob bei mir tatsächlich ein Gewissenskonflikt im Zusammenhang mit dem Schiessen vorliegt. Zunächst wurde ich einzeln befragt, dann von allen drei gleichzeitig. kaum hatte ich einen Satz gesprochen, war ich mit drei neuen Fragen konfrontiert. «Sie kommen nachhause, sehen wie ihre Freundin von einem Fremden vergewaltigt wird, sie haben eine Waffe in der Hand, wie reagieren sie?» ich wusste, dass die sich auf solches Niveau begeben würden, trotzdem war das natürlich heftig. Ich sagte, das man den Fliehenden beispielsweise auch ins Bein schiessen könnte. Etwas Besseres fiel mir nicht ein. dann ging’s weiter: «Sie sagen, Sie hätten ein Aversion gegen Waffen, was ist denn mit einem Baseballschläger?» Ich sagte, dass dies ein Sportgerät sei, worauf ich den Begriff «Waffe» definieren musste. Gefühlt wurde ich Stunden mit diesen Psychoterrorfragen bombardiert, doch ich blieb kühl. vielleicht zu kühl. Mein begehren wurde noch an diesem Tag mit der Begründung abgelehnt, meine Waffenaversion sei rationaler Art und nicht in einem Gewissenskonflikt begründet. Da hatten die unsympathischen Herren in Grün womöglich sogar Recht.

Also versuchte ich, an die zweite Instanz zu gelangen. Im Wissen, dass dies meine RS verschieben würde, reichte ich das Gesuch ein. Die Herren von der zweiten Instanz waren zivil und das treffen fand in Basel statt. Das Gespräch war nicht mit dem ersten zu vergleichen, ich fühlte mich als Mensch behandelt. «Was haben sie denn gegen die Armee, Sie hat uns doch schon so oft erfolreich beschützt.» Da musste ich lachen, und zwar laut. «Sie meinen zum Beispiel im Weltkrieg, als man die Bevölkerung im Mittelland geopfert hätte um das Alpenmassiv zu retten? Die Armee hat uns nicht beschützt und sie hat ihren Verfassungsauftrag verraten.» Etwas geschockt ob meiner Ehrlichkeit räusperte sich der Mann, der zuvor noch für die Lobgesänge über das Militär gut war. Das sei jetzt schon ein bisschen hart, aber im Grunde wohl richtig. Von da an entwickelte sich das Gespräch in richtung Grundsatzdiskussion zum Thema Militär. Scheinbar hatten die Herren längst entschieden, mich waffenlos in den Dienst eintreten zu lassen.

Mein nächstes Problem folgte: Weil meine RS nun auf den Winter fiel, hätte ich mehrere Prüfungen an der Uni nicht schreiben können und dadurch ein Semester verpasst. Ich stellte also einen Antrag auf Verschiebung. In harschem Ton wurde mir gesagt, dass das nicht ginge. Da könne ja jeder kommen. Ich checkte meine Möglichkeiten ab und entschied mich dazu, das Gespräch mit jemandem von Zivildienst.ch zu suchen. Schon seit ein paar Jahren GSoA-Mitglied war das für mich kein grosser Schritt. Die Beratung war sehr professionell und das Urteil klar: «Zivildienst aus Gewissensgründen» würde sich schwierig gestalten, wenn man schon als tauglich ausgehoben wurde und danach extra das Waffenlos-Prozedere über sich ergehen lassen hatte. Also ganz weg von der Armee. Aber wie? Klar, ich musste wegen psychologischen Gründen für untauglich erklärt werden.

Dazu sucht man sich zunächst einen Psychiater, der dem Militär nicht allzu wohlgesinnt ist. Da ein paar meiner Freunde schon bei der gleichen Dame waren, fiel mir die Wahl nicht schwer. Wir hatten zwei Sitzungen, in denen ich nicht mal wirklich lügen musste. es reichte aus, die Wahrheit etwas auszuschmücken. Daraufhin verfasste sie ein psychiatrisches Zeugnis. Unter dem strich war ich darin wohl einfach das arme, dunkelhäutige Kind. Grundsätzlich liesse sich aber wohl bei jedem etwas finden, dass man derart ausformulieren kann, damit schlussendlich folgender Satz drunter passt:

Aus den genannten Gründen beantrage ich, A.F. vom Militärdienst zu befreien.

Ja, das war’s. jetzt musste ich natürlich nochmals vor die UC, die Untersuchungskommission. Militärisch war schon der Termin: um 0730 musste ich im Gersag sein. Vor dem Zimmer mussten wir uns dem Alphabet nach auf die Stühle setzen. Der Erste kam schon nach wenigen Minuten jubelnd heraus. Als ich an der Reihe war, befürchtete ich natürlich wieder ein Verhör wie damals beim Waffenlos-Gespräch. Doch siehe da, der Empfang war freundlich, ja sogar etwas traurig.

Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Sie keinen Militärdienst leisten dürfen.

Da musste ich mir das Lachen natürlich schon verkneifen, denn das Mitleid war wirklich echt. Innert zwei Minuten war ich wieder raus. Das war also mein letzter Diensttag im Schweizerischen Militär. Seither habe ich bei ein paar Zivilschutzeinsätzen teilgenommen, die allesamt das Prädikat sinnvoll verdienen. Den entscheid habe ich nie bereut – im Gegenteil.