der tagesanzeiger zum euro-auslosungs-vorabend

je mehr ich mich mit der geschichte auseinandersetze, desto weniger sinn macht die aktion der polizei. auf der anderen seite war es auch naiv, wenn nicht so gar ziemlich dumm, diese demo an exakt diesem datum durchzuführen. was an der ganzen sache irgendwie amüsant ist: genau dieses vorgehen wurde bei ausschreitungen nach fussballspielen als «nicht machbar» abgetan. immer wieder kam aus verschiedenen richtungen die forderung, krawallmacher sofort festzunehmen und sie mindestens mal eine nacht in haft zu halten. dafür fehle der polizei die manpower hiess es jeweils. man könne nicht einfach so jemanden festnehmen, der ja nichts getan habe. auf frischer tat müsse man die leute ertappen und das sei ja sooo schwierig. soso, liebe polizei, dieses mal war das offensichtlich nicht so schwer. ähnlich einem riesigen fischereiboot, das mit seinem engmaschigen schleppnetz einfach mal alles einfängt und danach die guten in öl einlegt, während die schlechten zurückgeschmissen werden wurde hier vorgegangen. laut dem artikel im tagesanzeiger waren auch die sanitären einrichtungen mit einem fischkutter vergleichbar: sie waren praktisch nicht vorhanden. unschöne szenen, die sich da im sonnenberg abgespielt haben. interessant ist auch, dass die zivilschutzanlage am samstag morgen gereinigt wurde. es scheint sehr offensichtlich, dass die polizei diese aktion geplant hat. nun ich bin sicher, bei jenen die ständig härteres durchgreifen gegen die ach so missratenen jugend fordern, hat die polizei durchaus applaus erhalten. denkende menschen haben aber ihre mühe mit einer aktion, die nichts anderes gewesen zu sein scheint, als eine ernstfallprobe am lebendigen, unschuldigen und unwissenden objekt.

der artikel aus dem gestrigen tagesanzeiger:

Luzerner Polizei ging massiv gegen Kundgebung vor

Wie es an der Euro 08 zu- und hergehen könnte, haben 245 meist jugendliche Personen erlebt, die in Luzern an einer nicht bewilligten Kundgebung teilnehmen wollten.

Von Thomas Bolli, Luzern «Eine völlig unverhältnismässige Aktion», nennen es die Vertreter der Veranstalter des nicht bewilligten Strassenfestes in Lu­zern. «Wir hatten die Situation jederzeit unter Kontrolle, es gelang, Ausschreitun­gen zu verhindern und Blockaden nach kurzer Zeit aufzulösen», sagt hingegen die Luzerner Polizei. Solch gegensätzliche Einschätzungen sind nicht unüblich. Aber eines scheint klar: Wenn in Luzern am Wochenende nicht die Gruppenauslosung für die Euro 08 stattgefunden hätte, wäre der Samstagabend anders verlaufen. Ganz gewiss nicht mit der vorübergehenden Festnahme von 245 Personen, die meisten davon Jugendliche. Ihr Anliegen war ein rein lokales und hatte mit Fussball und der Euro 08 nichts zu tun.

Friedlich für Kultur

Dass die Stadt Luzern am Wochenende keine Kundgebungen dulden würde, war sch0n im Voraus klar. Sie hatte es in Ge­sprächen mit den Initianten abgelehnt, ein friedliches Strassenfest zu Gunsten von mehr kulturellen Freiräumen zu bewilli­gen (siehe Kasten). Zu viele Anlässe stün­den auf dem Programm, lautete die Be­gründung: ein Kurdenfest, Samichlaus­umzüge sowie die von ganz Europa ver­folgte Gruppenauslosung für die Euro 08 im KKL. Die Stadt bot an, die Kundgebung an einem anderen Tag zu bewilligen. Da­rauf stiegen die Leute von der Aktion Frei­raum aber nicht ein. Bis am Samstagmittag war verhandelt worden.

«Im Aufruf hiess es zwar, dass es eine friedlich Kundgebung sein soll, aber wir hatten keine Garantie, dass dies so sein wird», sagt Ernst Röthlisberger, Komman­dant ad interim der Stadtpolizei Luzern. Rund 100 Personen hatten sich am Sams­tagabend im «Vögeligärtli» versammelt, einem belebten Platz mit Wiese und Bäu­men in der Nähe des Bahnhofs. Rund um den Platz hatten sich weiter Demonstran­ten, Sympathisanten und Schaulustige ein­gefunden. Als sich die Kundgebung in Be­wegung setzten wollte, kesselte die Polizei die Leute ein. Sie nahm auf dem Platz 100 und rund um den Platz 145 Personen fest. In einem Fall setzte die Polizei Gummi­schrot ein. Sie wollte laut eigenen Anga­ben auch «mögliche Ausschreitungen im Verlaufe der Nacht» verhindern.

Untaugliche Haftstelle

Polizeikommandant Röthlisberger sagt, bis am Sonntagmorgen um 7.30 Uhr seien alle Festgenommenen wieder entlassen worden, zwei Personen habe man wegen Ermittlungen in anderer Sache länger zu­rückgehalten. Die Initianten der Aktion Freiraum bestreiten dies. Um 8 Uhr seien noch 40 Leute inhaftiert gewesen. Bei den Ausschreitungen vor gut einem Monat nach einem Match des FC Luzern waren 20 Personen festgenommen worden. Da­mals war es zu Sachbeschädigungen ge­kommen. Jetzt, bei der unbewilligten Demo, wurden keine Schäden angerichtet. Festgehalten wurden die Jugendlichen in der grossen, ausgedienten Zivilschutz­anlage im Sonnenberg. Diese wurde am Samstagmorgen gereinigt, man schien vor­bereitet auf eine mögliche Aktion. Nach Angaben von Jugendlichen waren auch am Abend Zivilschützer im Einsatz. Ernst Röthlisberger konnte dazu nichts Genaue­res sagen. Viele Festgenommene berich­ten von unhaltbaren Zuständen. Urin auf Zellenböden, schlechter Luft, anmassen­der Behandlung, langem Warten. Das Erste sowie Letzteres bestätigt die Polizei. Und Röthlisberger gibt unumwunden zu: «Der Sonnenberg taugt als improvisierter Haftort nicht.» Der Unmut unter den Ju­gendlichen, die friedlich demonstrieren wollten, und Leuten, die zufällig beim «Vögeligärtli» waren und festgenommen wurden, ist gross. Sie werfen der Polizei vor, sie habe lediglich einen Hooligan-Ein­satz üben wollen – was Ernst Röthlisber­ger aber als absurd zurückweist

der vorabend der euo-auslosung in luzern

als wir aus sion zurückkamen, wunderten wir uns noch über den wasserwerfer, der in der luzerner neustadt scheinbar einsatz bereit parkiert war. wir gingen davon aus, dass man wohl bereit sein wolle, für allfällige protestaktionen gegen den fussballgrossanlass.

bei immanuel kann man nun lachlesen, weshalb der wasserwerfer dort stationiert war.

ich habe in diesem blog schon wiederholt das vorgehen der luzerner polizei kritisiert. immer wieder trat sie bei fussballspielen in durchaus provozierender weise auf. der vorabend der euro-auslosung passt nahtlos in die geschichte der übermütigen uniformierten.

dazu muss ich aber auch noch sagen, dass ich hier auf keinen fall die unbewilligte demo in schutz nehmen möchte. wenn man an einer unbewilligten demo teilnimmt, muss man mit polizeilichem ärger rechnen. und wenn ich mir den flyer anschaue, schaut die veranstaltung auch ganz klar mehr nach demo als nach party aus, aber das ist nur meine interpretation.

der vollständigkeit halber hier der text von der indymedia-page:

In den letzen Jahren hat sich die Situation in Luzern drastisch verschärft. Fern der Realität schürt die Monopolzeitung NLZ mit einer einseitigen und aggressiven Berichterstattung eine allgemeine Unsicherheit. So lautet z.B. der Titel des Kommentars vom 15.11.07 «Alarmstufe 1 – Die Sicherheitslage der Stadt Luzern ist prekär.» Dankend benutzen die rechtsbürgerlichen Politikerinnen diese Hetzkampagne, um ihre repressive Politik zu legitimieren.

Ein Resultat daraus ist die Schliessung des Kulturzentrums BOA. Seit der Besetzung vor 19 Jahren hat sich die Boa zu einem Freiraum der Alternativkultur mit internationaler Ausstrahlung entwickelt. «Stadtaufwertung» im Dienste von Steuereinnahmen und Standortwettbewerb scheinen den rechtsbürgerlichen Kreisen aber viel wichtiger als ein geschichtsträchtiges Kulturhaus. So wurde die Boa als «Terrorzentrale» verunglimpft und ihre Schliessung in einer jahrelangen Zermürbungspolitik vorangetrieben. Ein würdiger Ersatz wurde nicht geschaffen.

Im gleichen Zuge werden die besetzten Häuser Kiwiana-Squat und Hofstr. 3 demnächst geräumt. Auch die in diesen Häusern geschaffenen Freiräume werden zerstört. Auch hier sind die Häuser vegetieren als Spekulationsobjekte weiter. Was nicht ins kommerzielle Bild des Standorts Luzern zu passen scheint, soll aus der Stadt verschwinden.

In diese Logik der Vertreibungspolitik reiht sich auch die Forderung eines Wegweisungsartikels. Wer für Touristen kein gutes Bild hinterlässt, oder wer nicht aussieht, als ob er sich gerade dem Konsum widmet, soll in Zukunft aus der Stadt Luzern weggewiesen werden können.

Diese repressive Politik zerstört Kultur und privatisiert den öffentlichen Raum: Wer sich nicht dem kommerziellen Lebensstil unterwerfen, sondern anders leben will, hat keinen Platz mehr in der Stadt.

Deshalb: Es längt! Wir wollen in der Stadt Luzern Platz haben, unsere Kultur schaffen können und selber bestimmen, welchen Lebensstil wir führen wollen. Wenn die Stadt uns als einzige Antwort Repression bietet, lassen wir uns dies nicht gefallen und nutzen die Strasse als Freiraum, um unsere Kultur auszuleben!