Ich muss vorausschicken, dass ich mich nicht als Israel-Experte verstehe. Die Diskussion in den letzten Wochen hat mich aber enttäuscht. Das Land liegt mir am Herzen, weil ich es schon besucht habe und es mir schlicht den Atem verschlagen hat. Und weil meine Sicht in keinen Tweet passt, hier ein paar Ausführungen dazu.
Ich lese momentan eigentlich nur zwei verschiedene Meinungen in hiesigen Kommentarspalten. Beides sind letztlich Extrempositionen, bei denen es mich überraschen würde, wenn sie zur Lösung des Konflikts einen Beitrag leisten könnten. Hier die beiden Positionen:
Hamas ist eine Terrororganisation
Israel ist in diesem asymmetrischen Konflikt massiv überlegen
Und ja, auf den ersten Blick sind beide Positionen nachvollziehbar und auch aus meiner persönlichen Sicht korrekt. Das Problem ist nun aber, was jeweils davon abgeleitet wird.
Aus der ersten Position wird dann meistens gefolgert, dass die Hamas zusammen mit Syrien, Irak und Iran die Zerstörung Israels anstreben. Mit Terroristen könne und dürfe man nicht verhandeln. Darum sei es nur folgerichtig, dass Israel sich verteidige und dies auch in dem massiven Ausmass, das wir in den vergangen Wochen gesehen haben.
Die zweite Position führt dazu, dass man Israel als Aggressor wahrnimmt und die Angriffe auf die Palästinensergebiete als völlig übertriebene Verteidigung des eigenen Landes versteht. Weil man derart übermächtig sei, müsse man den «Kleineren» ein bisschen machen lassen und nicht mit Kanonen auf Spatzen schiessen.
So verkürzt ich diese beiden Positionen nun dargestellt hab, so wenig taugen sie dafür, irgendwas zu verbessern. Man wird diesen Konflikt mit keiner von ihr nur ansatzweise lösen können. Er schwelt und eskaliert mittlerweile schon so lange, dass es unmöglich ist, jemandem die Schuld daran zu geben. Ausser, man gibt sie allen Beteiligten, begreift, dass das Eingestehen selbiger Voraussetzung dafür sein dürfte, sich auch nur in die Nähe des Verhandlungstisches zu begeben. Von aussen betrachtet sollte das doch immer noch das Ziel sein, oder? Tatsächlich ist diese Frage mehr als reine Rhetorik. Wenn ich mir die letzten Wochen so anschaue, bekomme ich den starken Eindruck, dass die Entscheidträger auf beiden Seiten nicht wirklich ein Interesse an Frieden haben. Ihre Macht basiert auf dem Antagonismus zwischen den beiden Konfliktparteien. Solange der politische Wille dafür nicht nur fehlt, sondern sogar in die andere Richtung geht, kann und wird diese Region nun jeweils kurzfristig zur Ruhe kommen. Die aus der Ferne betrachtet erstrebenswerte Zwei-Staaten-Lösung ist weiter entfernt als der Mars. Leider. Jede neue Siedlung auf eigentlich palästinensischem Gebiet und jeder Selbstmordattentatversuch eines Palästinensers vergrössert diese Distanz noch ein wenig mehr.
Aber genau weil es so ausichtslos ist, sollten wir nicht den Fehler machen, bei der reinen Schwarz/Weiss-Betrachtung mitzumachen. Bleiben wir differenziert, können wir vielleicht einen Beitrag leisten.
In Anbetracht des enormen Hypes um das «Coronavirus» haue ich mal wieder in die Tasten.
Es wäre einfach, «die Medien» für den aktuellen Hype zu blamen. Klar, der Blick hat grosse, manchmal sogar rote Buchstaben und würzt mit Ausrufezeichen nach. Aber das ist nun mal einfach die Sprache des Boulevards. In den «seriöseren» Zeitungen steht im Prinzip genau die gleiche Message, nur halt in kleinerer Schriftgrösse und möglicherweise mit weniger Adjektiven. Das ist jedoch auch bei jedem Fussballspiel oder jeder entscheidenden Handlung Donald Trumps so. Also: Calm down. Und nein, die Medien sind nicht schuld.
Aber wer dann? Wenn ich das Verhalten gewisser Mitmenschen so anschaue, lande ich schnell bei der Bildung. Uns hat man vor etwas mehr als 10 Jahren ganz ohne Instruktion ein paar neue Tools in die Hände gegeben. Social Media, häufig also Soziale Medien übersetzt, hat wirklich viele Vorteile. Gerade in Zeiten von COVID-19 zeigen sich aber auch die Nachteile. Es ist sehr einfach, verschwörerische Gedanken zu verbreiten und eher nicht so einfach, Fakten zu überprüfen. Klar, es gibt Seiten wie Correktiv, Snopes oder andere, die sich um Einordnung bemühen. Wie gerne wir trotzdem auf Fakes reinfallen, zeigt die Anzahl meiner Facebookfreunde, die immer noch glauben, sie könnten ein Wohnmobil/Ford Mustang/whatever gewinnen, wenn sie unter einem bestimmten Post einen Kommentar absetzen. Manchmal könnte man fast meinen, dass wir gerne verarscht werden.
Also, das Verstehen und Einordnen von Botschaften muss verstärkt gelehrt und gelernt werden. Der Umgang mit Social Media muss ebenso gelernt werden, auch wenn in diesem Bereich viel «learning by doing» ist, weil sich die Kanäle nicht nur laufend Anpassungen im Detail erfahren, sondern weil auch immer mal wieder völlig neue Dienste relativ schnell ein grosses Publikum erreichen. So weit, so Common Sense. Was noch?
Statistik. Ja, Statistik. Und ja, ich weiss, vertraue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast. Haha. Darum geht es nicht. Sondern darum, Kennzahlen zu verstehen und einordnen zu können. Natürlich ist Angst nie rational. Und doch bin ich der Überzeugung, viele Menschen, die sich nun enorm sorgen, könnte man mit ein bisschen Hintergrundinformation einen Teil ihrer Angst nehmen. Aber Begriffe wie Inkubationszeit, Mortalität oder auch Worst Case Scenario muss man zuerst einmal verstehen.
Gerade die Inkubationszeit scheint mir im Fall vom COVID-19 ein grosses Problem zu sein. Sie wird aktuell mit durschnittlich 7 Tagen angegeben, wobei es auch noch länger dauern kann.
Der Erreger kann auch während der Inkubationszeit von Mensch zu Mensch übertragen werden. Infizierte sind demnach schon während der oft zehntägigen Inkubationszeit ansteckend, ohne dass sie Symptome zeigen. Dies trägt maßgeblich zu einer schnellen Verbreitung des Virus bei und macht die Eindämmung problematisch.
Zur Mortalität gibt es momentan noch recht unterschiedliche Angaben. Sie ist am Ursprung in der chinesischen Provinz Hubei relativ hoch (ca. 3 – 4%). Dazu sollte man wissen, dass die Mortalität bei einer üblichen Grippewelle bei ca. 0,1% liegt. Es schaut momentan so aus, als liege sie bei COVID-19 ausserhalb des Ursprungsgebietes bei 0,2 – 0,7%.
Was Epidemienforscher Christian Althaus zu einem Worst Case Szenario gesagt hat, halte ich für sehr unglücklich.
NZZ: Es könnte also drei Millionen Infizierte in der Schweiz geben. Bei einer Sterblichkeit von einem Prozent sprechen wir von 30 000 Toten. Althaus: Ja. Ein solches Worst-Case-Szenario ist nicht ausgeschlossen.
Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, aber es handelt sich eben um den worst case, den allerschlechtesten Fall. Das hätte er betonen müssen. Denn die Bevölkerung ist derart sensibiliert, dass heute solche Details entscheiden können, ob bei leshop.ch und coopathome.ch die virtuellen Regale an Grundnahrungsmitteln und Schutzmasken leerbestellt werden. Auf der anderen Seite gibt es auch Ärzte wie Josef Widler, die begreifen, dass es sinnvoll sein könnte, Ruhe zu bewahren.
Die Absagen von Grossveranstaltungen wie dem Engadiner Skimarathon oder dem Carnevale in Venedig können sinnvoll sein, weil grosse Ansammlungen von Menschen auch ein entsprechend erhöhtes Risiko von Ansteckungen zur Folge haben. Doch ist unsere Welt inzwischen viel zu vernetzt, dass man mit Grenzschliessungen oder ähnlichen Massnahmen eine Verbreitung des Virus› verhindern könnte.
Was kann man selbst tun, um sich zu schützen? Eigentlich nicht so viel. In die Armbeuge niesen oder husten wird von allen Experten empfohlen, ebenso wie das regelmässige Händewaschen. Dass man nicht in Gebiete gehen sollte, die bereits für eine starke Verbreitung des Virus› bekannt sind, liegt auf der Hand. Auf der Website des BAG gibt es dazu nähere Informationen dazu.
Was soll man nicht unbedingt tun? Nun, der damalige Armeechef Blattmann meinte zwar 2014 noch, man wisse nie und würde am besten gleich hunderte Liter Trinkwasser und andere Notvorräte lagern. Ich halte das nicht nur für praxisfremd, sondern auch für unnötig. Ebenso unnötig, ja kontraproduktiv ist das Befeuern von irgendwelchen Verschwörungstheorien à la » das sind die Amerikaner, denen ist der Erfolg der Chinesen schon lange ein Dorn im Auge». Das hat vielleicht bei Ganser Platz, es ist aber nur schon aufgrund der enormen Interdependenz einfach dermassen realitätsfremd, das höchstens die so geschürten Ängste politisch nutzbar sind.
Womit wir wieder am Anfang wären: Social Media und die dortigen Inhalte auch in solchen Zeiten sinnvoll nutzen und einordnen, Statistiken anschauen und zu verstehen versuchen und nicht zuletzt einen kühlen Kopf bewahren.
Tja, ich war genau einen Tag zu früh. Darum kurz ein Update: Inzwischen hat der Bundesrat eine Regelung aktiviert, nach welcher Anlässe mit mehr als 1000 Teilnehmenden verboten sind. Somit sind Veranstaltungen wie die Basler Fasnacht oder der Autosalon in Genf (GIMS) automatisch abgesagt. Ich halte diese Massnahme nicht nur für übertrieben, sondern auch unnötig eskalierend was die Stimmung in der Bevölkerung betrifft.
Es ist wohl Zeit für ein weiteres Update. Je mehr ich darüber lese, desto mehr gelange ich zum Schluss: Doch, das Verhalten des BAG war richtig. Vielleicht hätte man sogar noch krasser reagieren müssen. Grundsätzlich zeigt sich in praktisch allen Ländern, die früh eine relativ hohe Fallzahl hatten eine exponentielle Zunahme der Fälle. Das Beispiel Italien zeigt, wie schnell dann ein totaler Lockdown das Einzige ist, was man noch gegen eine weitere Verbreitung tun kann.
«Flatten the Curve» ist wohl alles, was wir momentan tun können. Auf Deutsch: Die Kurve plätten. Es geht darum, den extremen Anstieg der Fälle zu verhindern, damit unser Gesundheitssystem die Neuansteckungen versorgen kann. Was passiert, wenn man das nicht schafft, berichtet der italienische Arzt Daniele Macchini aus dem Spital in Bergamo:
Die Zahl der Fälle multipliziert sich. Aktuell liefern sich 15 – 20 Personen täglich selbst ein. Die Resultate der Tests sind alle gleich: positiv, positiv, positiv. Plötzlich bricht die Intensivstation zusammen.
Diese Situation soll verhindert werden. Und genau darum sollte man die Anweisungen des BAG durchaus ernstnehmen. Panikkäufe von Nudeln, Mehl und anderen Grundnahrungsmitteln sind noch immer unangebracht. Ein ruhiges, überlegtes Verhalten ist weiterhin angesagt. Dazu gehört auch, die Verschwörungstheorien weiterhin auszublenden.