Adoption

Normalerweise äussere ich mich nicht zu Themen, die mich persönlich betreffen. Da habe ich in der Vergangenheit in vielen Fällen eine Linie gezogen, da ich mich nicht exponieren möchte. Zwei mit Adoption im Zusammenhang stehende Themen haben mich aber derart aufgewühlt, dass ich mich nun irgendwie äussern muss. Das eine ist die Diskussion um die Ehe für alle (#ehefüralle), wo es immer wieder auch darum geht, wer adoptieren darf und wer nicht. Das andere ist der Skandal um die Adoptionen aus Sri Lanka in den 1980er-Jahren, wo sich immer mehr zeigt, dass da teilweise kriminelle Vorgänge abliefen. Ich versuche mal, zu beidem etwas zu schreiben.

Sri Lanka

Im Beitrag der Rundschauf auf SRF1 vom 16. Mai 2018 wird verhältnismässig objektiv über die Geschehnisse in den 1980er-Jahren berichtet. Offenbar war es in Extremfällen so, dass Kinder ihren Eltern ohne deren Einverständnis weggenommen wurden, um sie dann zu verkaufen. Vor Gericht tauchte dann nicht die echte Mutter, sondern eine Schauspielerin auf. Natürlich ist es heute schwer herauszufinden, wer wirklich auf diese kriminelle Art zur Adoption freigegeben wurde, zumal eine der Mitverantwortlichen aus der Schweiz die Vermittlerin Alice Honegger war, die in 1997 gestorben ist. Weiter soll es sogenannte Baby Farms gegeben haben. Um den Bedarf an Adoptivkindern zu decken, sollen sie dort regelrecht «produziert» worden sein.

Etwa 700 Kinder wurden in jener Zeit aus Sri Lanka in die Schweiz vermittelt. Eines davon war ich. Schwer zu sagen, wie gross der Anteil jener war, die diesen Weg auf illegale Weise gegangen sind. Alice Honegger habe 250 Dossiers hinterlassen, die ihr Adoptivsohn auf Verlangen den Behörden abgeben würde.

Natürlich gibt es verschiedene Aspekte, die berücksichtigt werden sollten. Am Ende bleibt es aber eine Tatsache: Viele Kleinkinder aus Sri Lanka wurden in jener Zeit ihren Müttern entrissen. Wenn das heute noch irgendwie möglich ist, wäre es zwingend notwendig, die noch lebenden Beteiligten juristisch zu verfolgen und entsprechend zu bestrafen.

Ich hatte Glück. Viel Glück. Ich bin nicht nur in einem der sichersten und freiesten Länder der Welt gelandet, sondern habe auch noch tolle Eltern «erwischt», die sich immer liebevoll, unterstützend und wohlwollend um mich gekümmert haben. So wie man das mit einem Kind halt macht. Sie sind meine Eltern. Hier ist meine Heimat.

Doch viele Adoptierte können das entweder nicht von sich behaupten, oder sie haben irgendwann eine Identitätskrise, in der der dringende Wunsch erwacht, die biologischen Eltern zu finden und kennenzulernen. Oder sie entwickeln einfach eine enorme Neugier für die eigenen «Wurzeln». Das hatte ich nie. Doch gerade für jene Suchenden ist es dann emotional umso brutaler, wenn sie von diesen missbräuchlichen Abläufen erfahren. Es drängt sich die Frage auf: «Vermisst mich meine Mutter seit über 35 Jahren?» Das Unwissen schmerzt noch mehr, wenn man erfährt, dass die leiblichen Eltern vielleicht nie die Absicht hatten, ihr Kind abzugeben. Eine traurige Geschichte, die danach schreit, das sie von offizieller Seite beider Länder richtig aufgeklärt wird.

Ehe für alle

Dass Homosexuelle nicht mehr benachteiligt werden, sollte im 21. Jahrhundert eigentlich selbstverständlich sein. Immer wieder erlebe ich aber, dass dem im konkreten Fall dann eben doch nicht so ist. So ist die Heirat noch immer nicht möglich, nur die eingetragene Partnerschaft. In den letzten Tagen hat mich das Gefühl beschlichen, dass dies vor allem aus der Angst heraus abgelehent wird, Homosexuelle (vor allem männliche) könnten irgendwann Kinder adoptieren.

In dieser Beziehung hat sich der Präsident der Luzerner CVP mit einem Tweet in die Nesseln gesetzt. Inzwischen hat er seinen Account gelöscht. Was er geschrieben hat, vergesse ich so schnell aber nicht:

Mann + Frau: geht
Frau + Frau: geht irgendwie
Mann + Mann: geht nicht

Es war darauf bezogen, dass biologisch eben nur Frauen Kinder bekommen können. Mittels künstlicher Befruchtung wäre das auch bei einem rein weiblichen Paar möglich, bei einem männlichen naturgemäss nicht. Die Fehlüberlegung ist aber offensichtlich: Wenn eine Hetero-Paar ein Kind adoptieren möchte, ist es ja häufig so, dass eben die «natürliche Variante» nicht geklappt hat. Dem Gedankengang von Ineichen folgend würde das dann bedeuten, das diesen Hetero-Paaren eine Adoption verwehrt bliebe. Einer ähnlichen Denke folgt Armin Züger, der (komischerweise?) der gleichen Partei wie Ineichen angehört.

Mit dem, was da steht, können wir leben. Kein halbwegs normaler Mensch wird sich ernsthaft wünschen, Kinder wie ein T-Shirt kaufen zu können. Doch dahinter liegt natürlich ein anderer Gedanke. Später in diesem Twittergespräch hat er in auch formuliert: Es sei eben nicht natürlich.

Ich erlebe nicht selten, dass der Begriff «natürlich» verwendet wird, wenn man etwas positiv hervorheben will. Dabei geht vergessen, das nichts was wir heute im Alltag regelmässig brauchen wirklich natürlich ist. Möchten wir darauf nun einfach verzichten, weil es nicht natürlich ist? Wohl kaum. Und dann ist da natürlich die Medizin, die so manch «natürliche Unsicherheit» zu korrigieren weiss. Gerade auch während Schwangerschaften wird medizinisch eingegriffen.

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Die Natur würde eine weitaus höhere Todesrate vorsehen. Das kann man nicht wirklich wollen, oder Armin Züger? Meine Einschätzung ist sowieso, dass dieses «das ist nicht natürlich»-Argument immer dann gebracht wird, wenn man sich den wahren Grund nicht zu nennen getraut. Auch wenn er sagt, sein bester Freund sei schwul, vermute ich dennoch eine gewisse Ablehnung von Homosexualität.

Ganz bestimmt sind sowohl Züger als auch Ineichen gegen die Adoption von Kleinkindern durch Schwule. Denn das wäre ja nicht natürlich. 😉 Wenn sie ehrlich wären, würden sie wahrscheinlich sagen, dass sie homosexuelle Beziehungen als minderwertig einschätzen. Sie würden auch sagen, dass sie Angst hätten, dass Kinder mit homosexuellen Eltern schlechter erzogen würden. Wahrscheinlich sogar, dass diese Kinder die Tendenz hätten, selbst homosexuell zu werden.

Doch kommen wir zurück von den Mutmassungen in die Realität: Nicht alle Hetero-Eltern sind super, auch wenn sie «natürlich» sind. Nicht alle Kinder haben zwei Elternteile, aus welchen Gründen auch immer. Mit welcher ernsthaften Argumentation kann man wirklich darlegen, dass homosexuelle Eltern automatisch und bedingt durch ihre Homosexualität schlechtere Eltern und somit auch schlechter für das Kindswohl sind? Und wenn man das nicht kann, wovon ich ausgehe, wie kann man dann mit rationalen Argumenten die Adoption von Kindern durch ein sich liebendes homosexuelles Paar ablehnen?


Media

Babyschmuggel aus Sri Lanka (SRF)
Adoption Fraud (Zembla / Youtube)

Niemandskinder

Christian Ineichen löscht Twitter Account (zentralplus)
Infos zur SRF Arena vom 18.5.2018

In eigener Sache:

Es scheint fast so, als könnte ich momentan nur dann wirklich schreiben, wenn ich mich so richtig ärgere. Insofern ist die lange Pause zwischen den hier erscheinenden Beiträgen ja eigentlich ein richtig gutes Zeichen.


Gegendarstellung von Armin Züger:

Ich habe nichts gegen Adoption durch Homosexuelle. Ich habe auch keine Angst dass Kinder von Homosexuellen selber homosexuell werden könnten. Ich halte homosexuelle Beziehungen nicht für minderwertig. Das «unnatürlich» beziehe ich auf Leihmutterschaft und Reagenzglas-Befruchtung. Für mich steht das da etwas zu wenig klar, dass es sich um Mutmassungen handelt. Es entsteht der Eindruck ich sei Homosexuellen gegenüber negativ eingestellt. Was nicht stimmt.