kurt imhof zum botellón

gestern schrieb ich hier meine meinung zum geplanten botellón und war einer der ganz wenigen blogschreiber, der die veranstaltung kritisierte. die meisten stimmten in den kanon ein, dass die medien alles hypen würden und doch eigentlich selbst schuld an der ganzen sache tragen. keine spur einer kritischen auseinandersetzung mit dem thema alkohol in der gesellschaft. einige fühlten sich vom drohenden verbot von solchen besäufnissen schon mal präventiv eingeengt und überhaupt gäbe es ja sooo viele vorschriften, gesetze und verbote.

heute liest man im tagesanzeiger das interview mit dem experten für alles: kurt imhof. der soziologieprofessor von der uni zürich beruft sich auf das recht der jugend zur rebellion. als er am schluss des interviews sogar seiner tochter den freipass für das botellón gibt, vergisst er eines: rebellion hat nur dann einen sinn, wenn sie gegen etwas kämpfen kann.

tagi: Wenn Ihre Tochter fragte, ob sie zum Massenbesäufnis soll – was würden Sie ihr raten?

imhof: Es ist besser, wenn du zum Massenbesäufnis gehst, als wenn du in Kleinzirkeln das Leid der Welt beklagst, Pubertätsdepressionen schiebst, dir Selbstverletzungen zufügst, mit zwei, drei Kollegen herumsäufst oder dich krank hungerst… Ja, kipp dir eins hinter die Binde!

tagi: Und Ihr Fazit?

imhof: Jugendliche, macht Massenbesäufnisse! Ihr könntet viel Dümmeres tun. Allerdings auch Klügeres.

auszug aus dem interview im tagesanzeiger von heute

botellón

ich gebe es gerne zu: das wort botellón habe ich heute morgen zum ersten mal gelesen. locker flockig übersetzt heisst es wohl nicht viel mehr alsgrosse /flasche./ in spanien steht der ausdruck für sauffeste, die primär von 16 – 24-jährigen besucht werden. die älteren dürfen in die clubs und besaufen sich dann wohl dort. ein botellón findet bevorzugt am strand statt und umfasst schnell einmal ein paar tausend leute. organisiert wird die geschichte per sms oder im aktuellen fall von zürich: per facebook.

ein 17-jähriger kv-stift hat dazu aufgerufen, inzwischen haben sich weit mehr als 4000 personen «angemeldet». offensichtlich ist die nachfrage nach dem massenbesäufnis auf der chinawiese sehr gross. wie man in nzz und tagi lesen kann, will die zürcher polizeivorsteherin esther maurer den anlass verhindern.

dass ein solches «fest» enorme mengen abfall, einige ungewünschte schwangerschaften und zahlreiche alkoholvergiftungen nach sich zieht dürfte klar sein. die frage ist aber, ob das auch reicht, um die sache zu verbieten. was ist mit anderen grossanlässen? schwingfest, jodlerfest, fussballspiel, street parade, openair, fasnacht? sind das nicht irgendwie auch organisierte kollektive besäufnisse? es wäre doch etwas gar scheinheillig, die jungen alkvertilger für die ganze sauerei verantwortlich zu machen.

das problem liegt doch irgendwie woanders. schliesslich tolerieren wir seit einigen jahren, dass sich im sommer unzählige partyjünger auf den strassen und an den seen regelrecht einsaufen. mit sixpack und vodkaflasche wird umher spaziert, was mich immer schnell an die süchtigen vom stadelhofen denken lässt. doch das partyvolk setzt sich keineswegs nur aus heranwachsenden zusammen. kein wunder, ist doch der alkoholkonsum in unseren breitengraden seit jahrhunderten etabliert. nicht dass diese eine entschuldigung wäre, aber das argument «das haben die früher ja auch schon gemacht» überdeckt wohl manch schlechtes gewissen.

in der schweiz schreit man in solchen fällen sofort nach einem ausgangsverbot für jugendliche. wohl wissend, dass man selbst besagtes alter längst überschritten hat, kann man sich selbst mit gutem gewissen in der beiz bier um bier in den rachen kippen. ausgangsverbote und auch das verbot des botellón von zürich ändern nichts an der situation. gut möglich, dass sie für einige die attraktivität des «saufens» nur weiter steigern. auch wenn jetzt viele aufschreien werden, gibt es nur einen sinnvollen und auch einfachen weg, den übermässigen alkoholkosnum der bevölkerung einzudämmen.

– bier und ähnliche alkoholhaltige getränke dürfen im laden nicht mehr so abartig billig verkauft werden. es muss ein massiver preisunterschied zu nicht-alkoholischen getränken bestehen.
– wer alkohol kauft, muss mindestens 18 jahre alt sein, die ausweiskontrolle ist für alle pflicht, auch wenn jemand aussieht wie 40.

das wichtigste und gleichzeitig schwerste ist aber ein kleinerer gesellschaftlicher wandel. solange cool ist, wer möglichst viel trinkt, helfen die massnahmen rein gar nichts. solange man in einer männerrunde schräg angeguckt wird, weil man kein bier trinkt, werden sich die jungs mit beschränktem selbstvertrauen weiterhin betrinken ohne es wirklich zu wollen.

kurz: ein alkoholisches getränk sollte ein genussmittel sein, welches in kleinen mengen konsumiert wird, wenn man wirklich lust darauf hat. im übrigen gibt es ja auch keine heimische bierindustrie mehr, die es zu schützen gilt…

endlich wird das verbot von rundstreckenrennen aufgehoben

nun endlich mein lange versprochener beitrag zu diesem thema, das erstaunlichen anklang in der medienöffentlichkeit fand. ich ordne ihm mal untersports ein, auch wenn er vielleicht genausogut in den bereichpolitics passen würde.


1955: ein mercedes slr springt über einen austin healey 100s, die tragödie nimmt ihren lauf

richtig, von formel 1 steht im titel noch kein wort. das war meiner meinung auch der grösste fehler in giezendanners kampagne für die aufhebung des veralteten verbots. wie wir inzwischen alle wissen, wurde 1954 zum letzten mal ein grand prix in der schweiz durchgeführt. dann kam es 1955 zur katastrophe von le mans, wo über 80 menschen den tod fanden. als folge davon verbot man in der schweiz sämtliche rundstreckenrennen. dieses verbot hielt sich bis ins jahr 2007. weiterhin erlaubt blieben bergrennen und slaloms, die allerdings einzeln auf zeit gefahren werden. warum motocross- und supermotardrennen weiterhin legal waren, ist mir nicht klar. auch diese werden auf – wenn auch nur temporär aufgebauten – rundstrecken gefahren.

doch zurück zu giezendanner. seine vision vom formel-1-rennen in der schweiz brachte ihm zwar viel aufmerksamkeit, aber auch sehr viel gegenwind. dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, da auch nach der aufhebung des verbots ein formel-1-rennen in der schweiz noch in weiter ferne liegt.


1-5-1994: ayrton senna da silva stirbt nach einem abflug in der tamburellokurve von imola. seither ist kein fahrer mehr durch einen unfall ums leben gekommen

*sicherheit*
mit dem argument der sicherheit verbot man damals die rennen. zu dieser zeit wahrscheinlich ein sinnvoller entscheid, wenn man daran denkt, dass die fahrer nicht angeschnallt waren und die zuschauer kaum geschützt vor den boliden die rennen beobachteten. heute ist alles anders. die autos haben in einem enormen mass an sicherheit hinzugewonnen. moderne rennstrecken verfügen über grosszügige auslaufzonen, die in einem ersten teil asphaltiert sind, damit die piloten unbeschadet den weg zurück auf die strecke finden. danach werden sie von verschiedenen sand- und kiesbetten abgebremst um im extremfall in reifenstapeln zu enden. erst dahinter beginnt die leitplanke und der darüber gespannte zaun, der die zuschauer schützt. skurilerweise sind die über die ganze zeit erlaubten bergrennen um einiges gefährlicher. die zuschauer wagen sich teilweise gefährlich nahe an die strecke. vielerorts sind gefährliche stellen nur mit einzelnen strohballen gesichert. noch prekärer sieht die situation bei den populären supermotard-rennen aus. mit viel tempo schiesst das starterfeld ellbogen an ellbogen auf die erste kurve zu. nicht auszudenken, wenn einige der motorräder stattdessen geradeaus fahren. dort stehen meist viele zuschauer…


2007: die lackierung des honda f1 ist erst der anfang, die formel 1 wird sich in zukunft verstärk in richtung umweltschutz bewegen

*umweltschutz*
eine rennstrecke sei einerseits ein schlechtes signal in sachen umweltpolitik und auf der anderen seite würden diese rennmaschinen wahnsinnig viel umweltverschmutzung verursachen. das sind zwei vorwürfe, die man in den letzten wochen häufig hören musste. ok, das mit dem falschen signal sehe ich. momentan ist es einfach noch nicht /cool,/ sparsam zu fahren. das könnte sich aber spätestens dann ändern, wenn die königsklasse des motorsports, die formel 1, auf hybridantrieb wechselt. das zweite argument dagegen ist viel löchriger. natürlich verursachen die autos auf der strecke eine gewisse verschmutzung. doch der grossteil der umweltverschmutzung resultiert aus dem anreiseverkehr. im ausland gibt es bei den meisten rennstreckend das problem, dass sie nicht mit öffentlichen verkehrsmitteln erreicht werden können. ich bin davon überzeugt, dass man das in der schweiz besser lösen könnte und würde. doch selbst dann dürften die verbleibenden leute, die mit autos anreisen, für mehr umweltverschmutzung verantwortlich sein, als es die rennautos sind. das ist auch der grund, dass ich annehme, das jeder grossanlass, der über 100’000 menschen anzieht, ähnlich umweltverschmutzend sein dürfte. ich habe dazu kein zahlenmaterial gefunden, muss es also bei meinen annahmen belassen.


auch die motogp oder andere serien könnten die kapazität einer strecke auslasten

*rentabilität*
ein weiteres gegenargument war die mangelnde rentabilität, wie sie sich momentan z.b. beim hockenheimring zeigt. in der tat ist das ein problem. nur ist es schlussendlich das problem der investoren und nicht jenes der öffentlichen hand. ich glaube, dass ein rundkurs in der schweiz sehr wohl profitabel sein könnte. ganz ohne formel 1.

peter wyss, intimer kenne der rennsportszene und redakteur der automobilrevue, hat dahingehend interessante ansichten: «es gibt zahlreiche meisterschaften, die in den ländern ohne grossen motorsport, zu denen die schweiz zu zählen ist, ein oder zwei mal pro jahr das grosse publikum anziehen.» [ich denke, er meint hier die wtcc, die dtm, aber auch die truck wm, motogp oder superbike] «für den rest der saison deint eine anlage für nationale rennen, clubsport, ausbildung und für die industrie» ich teile peters meinung voll und ganz.