raphael bachmann – rassismus in der schweiz

raphael bachmann wurde 1981 in kegalle (sri lanka) geboren. nach drei tagen wurde er in einem waisenhaus in colombo von seinen adoptiveltern in empfang genommen. aufgewachsen ist er in neftenbach, wo er die schule durchlief. seine beiden schwestern wurden ebenfalls aus sri lanka adoptiert. aktuell ist er als pastor der chrischona gemeinde liestal tätig.

in der schweiz gibt es keinen rassismus. was sagst du menschen, die diese ansicht vertreten?
ich erzähle dann meistens aus meinem leben. rassismus ist in der schweiz sehr wohl präsent. die meisten leute sind ob meiner erfahrungen extrem erstaunt.

fühlst Du Dich gleichberechtigt und gleich behandelt? wie äussert sich das?
dort wo ich mich momentan vor allem aufhalte, ist meine hautfarbe sogar eher ein vorteil. häufig werde ich gefragt, wie es denn dazu komme, dass ein dunkelhäutiger pastor werde. dann kann ich erzählen, was ich erlebt habe, wie ich mit rassismus umgehe. dadurch erhalte ich respektvollen umgang.

wie alt warst Du, als Du zum ersten mal gemerkt hast, dass Du anders als die anderen bist?
natürlich merkt man schon im kindergarten, dass man eben anders ausschaut. negative erlebnisse kamen aber erst viel später, als ich für ein jahr nach winterthur in eine privatschule ging. als ich aus dem postauto ausstieg wurde ich von einer alten frau mit dem regenschirm attackiert, währenddem sie sich lautstark über «die ausländer» aufregte. da begriff ich erst, dass sie damit mich meinte. ich konnte das überhaupt nicht einordnen. aber in der stadt passierten mir dann solche zwischenfälle relativ häufig.

wie häufig passiert Dir so etwas im alltag?
wie gesagt, in meinem heutigen umfeld eigentlich praktisch gar nicht. mein letzter übergriff war vor drei jahren in der weihnachtszeit. ich ging in winterthur durch die spitalgasse, als ich aus der entfernung einen typen auf mich zugehen sah. ich wollte ausweichen, doch er steuerte bewusst ind ie gleiche richtung und rammte mir wortlos seinen ellbogen unter das kinn.

war das früher schlimmer? in welchem alter war das für dich am schwierigsten? weshalb?
ich glaube nicht, dass sowas vom alter abhängt. gut möglich, dass eher das erscheinungsbild eine rolle spielt. wenn ich heute unterwegs bin, so meist in fröhlicher laune und mit lauter deutlicher schweizerdeutscher sprache. möglich, dass dadurch gar nicht erst negative gefühle beim gegenüber aufkommen.

wie reagierst Du auf rassistisch motivierte verbale übergriffe?
bei mir ist das meist so, dass ich die übertriebene faszination für das fremde von meinem gesprächspartner als rassistisch auslege. nicht selten werde ich sehr schnell auf sehr persönlicher ebene ausgefragt. natürlich ist das nicht böse gemeint. doch dann geht es meistens weiter mit der aussage «ich kenne da auch einen tamilen», «willst Du denn nicht mal zurück?» oder «ich find’s toll, wie die tamilen in der schweiz so fleissig arbeiten». damit werde ich als nicht «schweizerisch» abgestempelt.

meidest Du bestimmte orte oder veranstaltungen aus angst vor übergriffen?
heute nicht mehr. früher habe ich z.b. den winterthurer stadtpark gemieden, weil ich dort vor skins und rechtsextremen angst hatte, die mich auch ein paar mal verfolgten.

kann Deine herkunft auch ein vorteil sein? wann, wie?
hm.. ja, ich weiss nicht ob das positiv ist, aber ich werde nicht von bettlern angesprochen. auch nicht von leuten, die umfragen machen oder so.

und natürlich hat man in gewissen situationen auch einen art «exotenbonus». sehr schnell hat man mich wohl auch aufgrund der hautfarbe sehr gerne oder ist einfach fasziniert.

warum denkst du reagiert man in der schweiz auf andersartige menschen skeptisch oder gar ablehnend?
ich denke, das hat viel mit der geschichte der schweiz zu tun. wir definieren uns über die abgrenzung von den anderen. fragt man beispielsweise, was typische schweizer eigenschaften sind, kommen meist antworten wie «pünktlichkeit, bünzlitum» und ähnliches. fragt man aber was den schweizer stolz mache, dann heisst es z.b. dass wir ebennicht bei der eu sind oder dass wir ebennicht so sind wie die deutschen oder andere völker.

was kann man tun, um den rassimus in der schweiz zu bekämpfen? was tust Du selbst?
ich denke, wir müssen einfach selber immer wieder orientieren, wie wir uns fühlen und was uns passiert. letztes jahr habe ich in vierzig verschiedenen orten der schweiz gepredigt, wobei häufig auch rassismus das leitthema war. als erstes sagte ich dann immer: «als ihr hier rein gekommen seid und mich gesehen habt, dachtet ihr, dass etwas nichts in das übliche bild passt, oder?» so rege ich ein erstes mal zum denken an. danach erkläre ich den ganzen prozess, wie ich hierher gekommen bin und wie ich auch immer wieder ablehnung erfahren habe. so merken die zuhörer, dass ich einer von ihnen bin und ihre ablehnung aufgrund meiner dunklen hautfarbe nicht verdiene. trotzdem haben sie mich mit ihrem ersten gedanken versucht zu kategorisieren und genau das hinterfragen sie dann. grundsätzlich geht es also darum, das denken in dieser beziehung zu verändern.