sind ausländer krimineller?

pauschal gesagt: ja. aber: dahinter steckt deutlich mehr als nur ihre herkunft. dem tagi ist das ziemlich egal. einer boulevardzeitung gleich streut er frischfröhlich bekannte vorurteile in die welt hinaus. der artikel ist an oberflächlichkeit und ungenauigkeit kaum mehr zu überbieten. schade, von der einst so starken zweiten kraft in zürichs zeitungsandschaft hätte man mehr erwarten können. lkm hat dazu einen sehr guten artikel in seinem blog geschrieben. ich habe die studie von kilias überflogen, für mehr fehlt mir momentan etwas die zeit. aber lkms antwort auf den tagi-artikel möchte ich euch nicht vorenthalten:

Der Tagi hat sich mal wieder selbst übertroffen. In einem mit «Jugendliche mit Migrationshintergrund begehen doppelt so viele Gewaltdelikte» betitelten Artikel bestätigt er alle Vorurteile, die man als Schweizer so hat. Dabei bezieht er sich auf eine Studie vom Kriminologischen Institut der Universität Zürich, ohne aber darauf zu verlinken. Soweit ich das beurteilen kann ist die Quelle für die Tagi-Daten [diese Studie (PDF).|http://www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/alphabetisch/killias/forschung/JugenddelinquenzSG.pdf] Wer das PDF durchblättert findet einige interessante Fakten. Hier sind die primären Indikatoren für Jugendgewalt:

1. Geschlecht. Männliche Jugendliche verursachen drei mal mehr Körperverletzungen als weibliche Jugendliche.

2. Schultyp. Realschüler verursachen drei mal mehr Körperverletzungen als Gymnasialschüler.

3. Repetieren einer Schulklasse. Wer eine Schulklasse repetieren muss verursacht beinahe doppelt so viele Körperverletzungen.

4. Emotionale Bindung zur Schule. Wer nicht gerne zur Schule geht verursacht mehr als doppelt so viele Körperverletzungen; wer die Schule im letzten Jahr mindestens einen Tag geschwänzt hat verursacht beinahe drei mal mehr Körperverletzungen.

5. Elterliche Kontrolle. Kinder mit schwacher elterlicher Kontrolle verursachen mehr als doppelt so viele Körperverletzungen. Wer im letzten Jahr ohne elterliche Erlaubnis wenigstens eine Nacht von zu Hause weggeblieben ist verursacht mehr als drei mal mehr Körperverletzungen. Wer mehr Zeit mit den Eltern verbringt verursacht weniger Körperverletzungen. Die Familienzusammensetzung (ungeschiedene Eltern = besser) ist ebenfalls ein Indikator, wenn auch ein weniger starker. Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Familienzusammensetzung und der Kontrolle, die von den Eltern ausgeübt werden kann.

6. Nachbarschaft. Wer in einer «problematischen» Nachbarschaft lebt verursacht beinahe drei mal mehr Körperverletzungen.

7. Alkoholkonsum. Wer mindestens ein mal pro Woche Alkohol konsumiert verursacht beinahe drei mal mehr Körperverletzungen. Das selbe Resultat bei Cannabis; bei harten Drogen werden beinahe vier mal so viele Körperverletzungen verursacht.

8. Gangzugehörigkeit. Wer zu einer Gang gehört verursacht mehr als vier mal so viele Körperverletzungen.

9. Ausgehverhalten. Wer öfters in den Ausgang geht verursacht etwa drei mal mehr Körperverletzungen.

10. Migrationshintergrund. Wer einen Migrationshintergrund hat verursacht doppelt so viele Körperverletzungen.

Der Migrationshintergrund ist einer der weniger starken Indikatoren in der Studie, und korreliert zudem extrem stark mit anderen Indikatoren. Menschen mit Migrationshintergrund haben oft arbeitslose Väter, sie haben Eltern mit tiefen Einkommen, sie haben Eltern die wenig Kontrolle ausüben können, sie werden wegen Sprachproblemen in tiefere Schullevels eingeteilt, und sie wohnen in problematischen Nachbarschaften.

Das Problem ist nicht der Migrationshintergrund per se, sondern die damit verbundenen Faktoren. Wer das Problem lösen will kann sich nicht auf den Migrationshintergrund konzentrieren, sondern muss die anderen Probleme beheben – das bringt schlussendlich auch Menschen ohne Migrationshintergrund etwas, weil sie unter den selben Problemen leiden.

Trotzdem ist der Migrationshintergrund der einzige vom Tagi erwähnte Faktor.

Bravo, Tagi.

tatsächlich, bravo tagi. meine abo-kündigung ging zwar schon aufgrund der kündigungswelle in der nahostberichterstattung raus, aber das hier wäre wieder ein kündigungsgrund gewesen. wer so oberflächlichen crap schreibt, sollte den titel vielleicht links oben auf rotem grund tragen… naja, ist ja nicht so weit vom tagi-hauptquartier bis an die dufourstrasse.

übrigens gibt es natürlich auch leute, für die der artikel im tagesanzeiger regelrecht wasser auf bereits laufende mühlen war. von ihnen werden dann klärende worte wie die von lkm als linke augenwischerei abgetan. ich halte es eher für populistische rechte augenwischerei, einfach einen grossteil einer studie gar nicht erst zu interpretieren.

ballergames

nun folgt hier also mein versprochener beitrag zum thema /ballergames./ gleich zu beginn möchte ich darauf hinweisen, dass ich mich nicht für ein verbot dieser spiele einsetze. und doch gibt es ein paar worte, die ich dazu zu sagen habe. tja, das kommt davon, wenn man die schnauze zu weit aufreisst. 😉

ich muss weiter festhalten, dass ich keinerlei studien zu diesem thema konsultiert habe und dieser beitrag schlicht meine meinung etwas konkretisieren sollte. grundsätzlich habe ich mit den beiden extrem-meinungen ein problem. auf der einen seite sind da die ahnungslosen gegner, wie die sp bern, die ein verkaufsverbot von gewaltspielen fordert.

In Anbetracht der Brutalität in einem Teil der Computerspiele sind gesetzliche

Beschränkungen unvermeidbar und werden infolge der SP-Standesinitiative zum Verbot
von «Killergames» nächstens diskutiert. [sp bern im brief an die migros] quelle
auf der anderen seite die gamer, die jede schuld weit von sich weisen und teilweise abstruse vergleiche bemühen.

Jeder Amokläufer hat vor seiner Tat Wasser getrunken. Das bedeutet nicht, dass das Wasser für die Tat verantwortlich gemacht werden kann, weil jeder Mensch – nicht nur Amokläufer – Wasser trinken und daher a priori klar ist, dass ein Amokläufer vor seiner Tat Wasser getrunken hat. wisegamers.ch

dieser vergleich der wisegamers klingt ja irgendwie sogar logisch. allerdings lässt er auch auf eine gewisse, gewollte blauäugigkeit schliessen. ich werde hier auf konkrete game-beispiele verzichten. zum einen, weil ich mich zu wenig auskenne, zum anderen, weil es mir eher um das prinzip geht. bei einem ballergame tötet man menschen. in einem spiel, auf einem bildschirm, nur virtuell, in einer simulation, aber man tötet menschen. wasser trinken dagegen ist der prototyp einer normalen handlung, die nun wirklich überhaupt gar nichts mit der tötung eines menschen zu tun hat. auch nicht mit einer virtuellen.

dann möchte ich auf diesen beitrag von don alphonso (ein f.a.z.-blogger) eingehen. er beinhaltet einige interessante passagen, deren ansichten ich nicht vollends teile. er sagt beispielsweise, dass niemand nach der lektüre eines bestimmten buches auf die idee käme, die darin beschriebenen gewalttaten nachzuahmen. ich denke, es gibt wohl duchaus bücher und schriften, die den labilen leser in einem enormen masse manipulieren können. ich finde vor allem den schluss seines artikels interessant:

Ich bin reichlich froh, nach über anderthalb Jahrtausenden der privatisierten Gewalt und der täglichen Brutalität in einer Welt zu leben, in der klares Gewaltmonopol gibt. Niemand käme heute wieder auf die Idee, eines meiner jesuitischen Hetzstücke gegen Libertins in die Hand zu nehmen und mit Geistesgenossen einen Mob zu formen, um die Verbrennung der Bücher der Aufklärung und ihrer Autoren nachzuspielen – solange es kein Videospiel ist. Da geht das alles. Da kann man das problemlos haben, in allen Varianten, klare Feindbilder, antimoderne Mythen, jedes Schlachtfeld des zweiten Weltkriegs, so realistisch wie möglich, mit immer neuen, noch besseren, noch krasseren Sinneseindrücken, man stumpft schließlich ab nach dem 10. Gehirn an der Wand, also holt man sich eben den nächsten Kick, das nächste Level, auf dem Schulhof von den Kumpels oder vielleicht doch gleich superrealistisch in der Klasse.

das ist tatsächlich auch etwas, was mich stört. natürlich kann man jederzeit einwenden «hey, das ist nur ein spiel,» trotzdem habe ich grosse mühe gewisse, wenn auch nur fiktiv und virtuell verübte gewalttaten zu begreifen. da kommen wir natürlich wieder einmal auf meine persönliche aversion gegenüber jeglicher art von waffen. und jenen, die entgegnen, ein auto oder ein baseballbat könne auch als waffe einesetzt werden, entgegne ich, was ich an dieser stelle immer entgegne: ja, das ist korrekt, nur ist der primäre zweck einer schusswaffe das töten. darin utnerscheidet sich ein gewehr massiv von einem sportgerät wie dem baseballschläger und von einem transportmitel wie dem automobil.

wenn wir schon bei den autos angelangt sind, gehe ich hier natürlich gerne auf neuste erkenntnisse ein, wonach autorennspiele zu mehr aggressionen führen als ballerspiele. ich habe erst ein einziges mal einen ego-shooter gezockt und dabei einen (achtung:) mordsspass gehabt. vor allem, dass grenadier hardman ein so leichtes ziel war, fand ich extrem komisch. aber: ich bin zu keinem zeitpunkt wirklich in das spiel abgetaucht und habe wohl auch nicht länger als eine halbe stunde gespielt. weiter fand ich es einfach speziell lustig, in lkms-züri-flat gegen drei personen zu spielen, die gleich neben mir mit ihren wiimotes herumfuchtelten. autogames habe ich dagegen schon stundenlang gespielt, auch wenn das nun schon eine ziemliche weile her ist. ich würde zustimmen, dass man nach dem gamen von need for speed whatever eine gewisse aggression verspürt, die ich jedoch nur aufs fahren beziehen würde. mir ging es auch in den paar mal, die ich kart gefahren bin so. und wieder mit einem auto auf der strasse unterwegs musste ich mir schon sagen, dass jetzt wieder die normalen verkehrsregeln gelten und dass ich dem vordermann vielleicht nicht einfach so einen stupser verpassen sollte. einen gewissen realitätsverlust könnte ich da also selbst bei mir feststellen. aber ich muss doch noch einmal in aller deutlichkeit festhalten: in einem autogame ist es (allermeistens) das spielziel, schneller als alle anderen einen wettbewerb zu fahren. bei einem ballergame ist das töten wahrscheinlich nicht das spielziel, aber doch das beherrschende element über die gesamte spieldauer. und mit dem habe ich persönlich grosse mühe.

nun sind wir wohl bei der gewaltverherrlichung angekommen, was uns schnell zum thema brutalo-movies bringt. tatsächlich habe ich einige filme im regal, die von vielen leuten als gewaltverherrlichend betrachtet würden oder werden. darunter befindet sich, wenn ich mich an lkms kommentar erinnere, mindestens ein film, der in der schweiz verboten ist. aber ich sehe da einen entscheidenen unterschied zwischen dem schauen eines gewaltfilmes und dem zocken eines ballergames. so sehr ich mich auch mit einem killer in einem film identifiziere, ich betätige doch nicht selbst den abzug. bei einem egoshooter ist es ja gerade der sinn, sich in einen kämpfer hineinzuversetzen.

nach der geschichte mit dem «mörder von höngg» hatten wir hier ja schon einmal eine ähnliche diskussion. gerne zitiere ich hier nochmals daniel süess:

Hier läuft die Kausalität umgekehrt. Menschen mit ohnehin höherer Gewaltbereitschaft suchen sich eben auch oft Spiele aus, in denen Gewalt vorkommt.

das klingt durchaus plausibel. nur könnte man natürlich argumentieren, dass ein sehr detailiert gestaltetes ballergame einem potentiellen gewalttäer ein trainingsarsenal bietet. an dieser stelle kommt bei gamern jeweils der «aber-14-jährige-gehen-zu-den-jungschützen»-reflex. und der ist sehr berechtigt. ich finde den in der schweiz zelebrierten kult um die schützen und den damit verbundenen extrem frühen umgang von jugendlichen mit waffen schlicht pervers. darum hier eine empfehlung, die in diesem zusammenhang nicht fehlen darf: link. überhaupt liesse sich die diskussion auf die übungen im militär ausweiten, was mir aber zu weit ginge. und da ich sowieso für die abschaffung bin, ist meine meinung relativ leicht zu erraten.

das ist jetzt etwas wirr geworden, kann aber vielleicht doch etwas verdeutlichen, wie ich die problematik beurteile. über den jugendschutz haben wir bislang noch nicht gesprochen. aber ich würde mich auf jeden fall dafür einsetzen, dass äusserst brutale games erst ab einem alter von 18 jahren gekauft werden können. und ich denke, in dem punkt gehe ich mit den wisegamers einig. immerhin. 🙂

killerspiele und gewalttäter

immer wieder wird ein zusammenhang zwischen dem spielen von extrem gewalttätigen spielen und dem verhalten der spieler in der realität vermutet. nachdem an die öffentlichkeit kam, dass auch der «mörder von höngg» gerne solche spiele zockte, flammt die diskussion einmal mehr auf. doch daniel süss, medienpsychologe und professor an der zhaw, sieht die kausalität andersrum:

Hier läuft die Kausalität umgekehrt. Menschen mit ohnehin höherer Gewaltbereitschaft suchen sich eben auch oft Spiele aus, in denen Gewalt vorkommt.

das komplette interview auf tagesanzeiger.ch