Schon ist er vorbei, der allererste Zürich E-Prix. Ich kann es eigentlich immer noch nicht wirklich glauben, dass es nach unglaublichen 64 Jahren wieder mit einem Rennen auf einer Rundstrecke (wenn auch einer temporären) in der Schweiz geklappt hat. Natürlich musste ich mir das vor Ort anschauen.
Genial ist, dass man im Prinzip freien Eintritt zur Strecke geniesst. «Im Prinzip» weil es noch bessere Plätze auf den Tribünen gibt, die dann eben nicht gratis sind. Aber bei welchem grösseren Motorsportereignis kann man schon kostenlos so nahe an den Track?
Überhaupt ist die Formel E ganz anders als die Formel 1 ausgerichtet. Das merkt man auch dem Publikum an. Die Kinderwagendichte ist enorm hoch, es wird in Hüpfburgen gesprungen und ständig hört man irgendwo Livemusik. Das Catering ist in Form von Food Trucks primär am Eingang beim Bürkliplatz zu finden. Von Tamilisch über Vietnamesisch bis zu den üblichen Burgern gibt es alles an (typischerweise überteuertem) Futter zu kaufen.
Ich war nur für das freie Training vor Ort, weil ich mir die Zuschauermassen während des Rennens nicht antun wollte. Trotzdem ist mir schon am Morgen aufgefallen, wo es noch massives Verbesserungspotenzial gäbe: Ins Infield der Strecke kommt man als «Gratisbesucher» nicht. Doch an den verschiedenen Fussgängerübergängen findet man dazu keine Tafel oder so, die das klar machen würde. Also müssen die Securities jedem einzelnen Besucher erklären, weshalb er die Überführung nicht benutzen darf. Sehr mühsam. Ein Punkt, der direkt daran anschliesst: Es gibt nur einen Weg, um auf die andere Seite der Strecke zu gelangen, und der führt um die gesamte Strecke. Zudem sind die Gänge entlang der Strecke schmal ausgestaltet, was in einer Notsituation etwas kritisch sein dürfte. Ein Problem, dass sich der E-Prix mit praktisch allen Grossveranstaltungen teilt: Die Offiziellen haben nicht wirklich Ahnung, wenn man etwas wissen will. Als ich nach dem Mediencenter fragte, wurde mir ein Blick auf die Karte empfohlen.
Trotz all den negativen Punkten: Die Formel E ist eine enorme Bereicherung für die Schweiz und insbesondere für Zürich. Sie passt mit dem geräuscharmen Antrieb in die Umgebung, die sich nicht selten schon an ein paar startenden Jets stört. Das Rennen war dann zwar ziemlich langweilig, doch das sind viele Formel-1-Rennen auch. Lucas Di Grassi gewann überlegen, obwohl er nicht von zuvorderst gestartet war. Leider holte sich Lokalmatador Sebastien Buemi eine Drive-trough-Penalty, die einen möglichen Sprung auf das Podest endgültig verhinderte. Trotzdem machte die Serie Werbung in eigener Sache. Motorsport zum Anfassen lautet offenbar die Devise. Mit über 200 km/h dürften die E-Boliden in die Herzen vieler junger Fans gerauscht sein. Das für Verbrenner-Gewöhnte seltsame Geräusch tat dem Spektakel keinen Abbruch.
Wer sich für Elektroautos interessierte, fand gleich nach dem Eingangsbereich eine hübsche Auswahl an künftigen Tesla-Alternativen. Mercedes zeigte die Studie EQA, Jaguar den I-Pace und Audi den e-Tron. Bei BMW stand neben den bereits erhältlichen i3 und i8 ein Ausblick auf den sogenannten iNext.
Zurück zum Hauptevent: Der Termin für nächstes Jahr steht bereits in der Agenda der Formel E. Der Zürich E-Prix findet am 9. Juni 2019 statt. Allerdings muss zuerst noch geklärt werden, ob die Stadt (und einige ihrer mühsamsten Bewohner) wieder mitspielen. Für mich ist klar: Der E-Prix von Zürich ist beste Werbung für die Stadt und unser Land.
Und wenn Zürich nicht will… vielleicht doch noch eine Chance für Luzern?