Alex Baur, George Floyd und die Fairness

Alex Baur ist ein intelligenter Mensch. Bestimmt intelligenter als ich. Trotzdem schreibt er für die Weltwoche. 😉 Aber wir wollen fair bleiben, denn darum soll es in diesem Beitrag ja gehen. Und darum sollten wir vielleicht zuerst anschauen, was Fairness überhaupt bedeutet. Gibt man „Fairness Definition“ bei Google ein, erscheint folgendes Resultat:

Substantiv, feminin [die] 1. anständiges Verhalten; gerechte, ehrliche Haltung andern gegenüber 2. Sport den [Spiel]regeln entsprechendes, anständiges und kameradschaftliches Verhalten beim Spiel, Wettkampf o. Ä.

Die online Version des Cambridge Dictionary meint:

the quality of treating people equally or in a way that is right or reasonable.

Mir ist diese Version näher. Es mag aber bezeichnend sein, dass es keine vorherrschende Definition des Begriffs gibt. So bastelt so mancher sich seine eigene Version.

Nun zu George Floyd. Er war definitiv kein Heiliger. Es ist relativ mühsam, sich über ihn zu informieren, weil die meisten Quellen in die eine oder andere Richtung gefärbt zu sein scheinen. Mein Punkt ist aber ein ganz anderer: Unabhängig davon, wie jemand aussieht, wie er sich verhält, die Staatsgewalt soll ihn verhältnissmässig und fair behandeln. Vor dem Gesetz sind wir alle gleich. Ansonsten können wir uns nicht auf den Staat und seine ausführenden Kräfte verlassen. Das stiftet Unsicherheit, Angst und ein Klima, in dem das Verfolgen persönlicher Ziele schwer bis unmöglich zu drohen wird. Es schwächt die Gesellschaft als Ganzes.

Nun gibt es Hinweise (The Guardian, CNN, CNBC) darauf, dass die Polizei in den USA dunkelhäutige Menschen generell schlechter behandelt und sogenanntes Racial Profiling betrieben wird. Im speziellen Fall von George Floyd ist bekannt, dass dieser minutenlang ein Knie auf seinem Hals erdulden musste. Obwohl er wiederholt geäussert hatte, er könne so nicht atmen, wurde das Knie nicht gehoben. George Floyd ist gestorben. Die Black-Lives-Matter-Bewegung wurde geboren. Auch sie hat nicht nur Gutes getan. Doch ihr Ruf nach Gleichberechtigung und Gleichbehandlung dunkelhäutiger Menschen, speziell in den USA aber auch weltweit, wurde gehört. Er war und bleibt leider berechtigt.

Als vorgestern verkündet wurde, der fragliche Polizist werde tatsächlich für die Tötung Floyds zur Rechenschaft gezogen, gab es Leute, die gejubelt haben. Ich gehörte nicht dazu. Gestern habe ich getweetet, das heute und immer #BlackLivesMatter gelte.

Doch mir war klar, unter welchem enormen Druck die Verantwortlichen bei diesem Prozess gestanden haben mussten. Alex Baur nennt es als Zitat von Candace Owens „Mob Justice“. Das ist natürlich falsch. Denn hier wurde niemand durch die Gassen getrieben, aufgehenkt, gevierteilt oder verbrannt. Dessen ist sich Alex Baur natürlich auch bewusst. Nicht weiter zu differenzieren ist aber halt billig, unfair und falsch. Dass er sogar noch vorausschickt, das sei alles, was es zum Prozess zu sagen gebe, macht es noch ein wenig lächerlicher. Es gäbe so viel mehr zu sagen.

So bin ich selbst auch fest davon überzeugt, dass dieser Polizist keinen fairen Prozess erhalten hat. Das war unter diesen Umständen einfach praktisch unmöglich. Der Umkehrschluss, dass hier ein Unschuldiger zu langer Haft verurteilt werden könnte, dürfte aber ebenfalls falsch sein.

[Hier der Link zum Tweet]

Und jetzt kommen wir zu Alex Baur. Er wirft mir plakativ und auch etwas unkreativ vor, ich sei ein „fieser Fries“. Solche wie mich gebe es noch viel auf dieser Welt. Es ist etwas enttäuschend, dass er sich nicht mehr Mühe mit der Beschimpfung gibt. Aber was soll’s, vielleicht fällt ihm für den nächsten Kontertweet etwas Besseres ein. Vielleicht ja sogar ein echtes Argument. Problematisch ist, dass er nun auf Basis dieses einen Prozesses mithilfe der höchst parteiischen Fox-Berichterstattung meint, er habe das Problem geortet. Das ist einseitig und mangels Einbettung in einen grösseren Kontext eines Journalisten unwürdig. Es mag ein bisschen nach Whataboutism klingen, doch es kann und darf an dieser Stelle einfach nicht unerwähnt bleiben, dass in den USA nun über Jahre immer wieder Polizeigewalt gegen Dunkelhäutige praktisch ungestraft blieb. Das war unfair, ungerecht und dies systematisch. Logisch macht dies den unfairen Prozess gegen den Polizisten Chauvin nicht ungeschehen und auch nicht besser. Aber es kann als Erklärung für den Druck dienen, unter dem nun die Justiz nun stand. Und was brauchen wir nun, damit dieser Druck nachlässt? Das ist zum Glück sehr einfach. Es braucht Fairness.

Mir scheint es generelles Kalkül Alex Baurs zu sein, lieber die Ausnahme en detail zu besprechen, als über die grösseren Zusammenhänge nachzudenken. Das wäre an sich nicht tragisch. Doch in aller Regel versucht er dann, vom einen Spezialfall einen generellen Trend abzuleiten, was halt einfach ein Fehlschluss ist. Gerade weil er wahrscheinlich weiss, dass dem so ist, handelt es sich dann nicht um Unvermögen, sondern um absichtlich gelebte Unfairness. Vielleicht ist es falsch von mir, von jemandem, der für ein politisches Magazin wie die Weltwoche schreibt, Fairness zu erwarten. Aber so ganz mag ich die Hoffnung nicht aufgeben.

Come on Alex, Du kannst es besser! 👍🏾

Eine Antwort auf „Alex Baur, George Floyd und die Fairness“

  1. «Alex Baur ist ein intelligenter Mensch. Bestimmt intelligenter als ich»

    Jedes mal, wenn ich einen Tweet von ihm sehe, greift er darin Leute persönlich an, oder macht grievance politics. Ist das intelligent?

    Ich weiss nicht, ob das auf Baur zutrifft, aber es gibt diese Gruppe von weissen Männern, die ihr ganzes Leben lang davon profitiert haben, dass sie weisse Männer sind, Für diese Menschen ist das so alltäglich, dass es selbstverständlich und unsichtbar wird. Das ist aus ihrer Perspektive Normalität, und daher fair.

    Aus dieser Perspektive ist es unfair, wenn der Staat sagt, dass man Masken tragen muss, weil diesen Menschen nach Ende ihrer Kindheit nie von einer anderen Person gesagt wurde, was sie tun sollen. Es ist unfair, wenn Frauen den selben Lohn wollen, weil weisse Männer es selbstverständlich verdient haben, dass sie mehr Lohn bekommen. Es ist unfair, wenn Transsexuelle nicht bedroht werden wollen, weil das für weisse Männer ja kein Problem ist (und ihre Freiheit einschränkt, Transsexuelle zu bedrohen). Und es ist unfair, wenn ein weisser Polizist dafür bestraft wird, dass er einen Schwarzen tötet.

    Ist man intelligent, wenn man derart wenig Selbsterkenntnis hat?

    Mich erinnert das eher an das kleine Kind, welches ich letzte Woche in der Migros gesehen habe. Es lag schreiend am Boden, weil sein Mami ihm kein Ninjago-Auto kaufen wollte. Für dieses Kind war das die grösste Ungerechtigkeit der Welt, und sein Wutausbruch war die angemessene Antwort. Bei Kindern ist diese Reaktion natürlich verständlich, ihnen fehlt die Perspektive, um die eigene Erfahrung korrekt einzuordnen. Es sei dem Leser überlassen, hier nun die logische Schlussfolgerung zu ziehen.

    Ich finde es sowieso nicht so intelligent, wenn man in der Schweiz wohnt, davon profitiert, dass wir alles in allem eine gut ausgebildete Polizei haben, die ihre Schusswaffen extrem selten einsetzt, und dann das Verhalten der Polizei in den USA in Schutz nimmt. Die USA hat 40 mal mehr Menschen als die Schweiz, tötet aber jedes Jahr etwa 1000 Menschen – in der Schweiz ist diese Zahl in den meisten Jahren 0.

    Weshalb die amerikanische Polizei in Schutz nehmen? Weshalb nicht stolz darauf sein, dass unsere Polizei auch sehr gefährliche Situationen in den allermeisten Fällen löst, ohne jemanden zu töten? Schliesslich tragen wir alle mit unseren Steuergeldern dazu bei, dass wir in einem sicheren Land wohnen können, in dem die Polizei uns hilft, statt uns zu erschiessen.

    Nun frage ich mich allerdings plötzlich, ob das nicht genau das Problem ist: vielleicht möchten viele Schweizer diese Steuergelder lieber behalten, und dafür unter amerikanischen Verhältnissen leben. Ist das jetzt intelligent?

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