Corona Lockdown – Tag 12

Generell versuche ich hier, ein bisschen positive Vibes zu verbreiten. So einmal in der Woche liegt aber ein etwas kritischer Blick durchaus drin, oder? So habe ich von Christian Neff den Input erhalten, mir die Regnose von Matthias Horx anzusehen. Die Idee dahinter: Statt jetzt einen Blick in Zukunft zu wagen, versetzt man sich gedanklich in ebenjene Zukunft und schaut von dort zurück auf die heutige Zeit. Anstatt mich mit dem (durchaus spannenden Text) von Horx auseinanderzusetzen, versuche ich das doch einfach gleich selbst.

Also dann… ich versetze mich in die Vorweihnachtszeit 2020 und schaue auf diesen unglaublichen Frühling 2020 zurück.

Politik

Wie konnten sie nur so dumm sein? Welchen von den Deppen will man zuerst betrachten? Eigentlich kommt es nicht so drauf an. Ihr Verhalten war so unbedacht wie das der Wähler, die ihnen Jahre zuvor die Stimme gegeben hatten, in der Hoffnung, das jetzt «endlich mal etwas verändert» würde. Egal ob man Boris Johnson, Donald Trump oder Jair Bolsonaro nimmt: Sie alle haben eine grosse Zahl von zusätzlichen Toten zu verantworten. Durch ihre grenzenlose Selbstüberschätzung und intellektuelle Limitiertheit in Kombination mit der Unfähigkeit, Fehler zuzugeben haben sie die weitere Verbreitung des Virus begünstigt.

Auch die Schweizer Politik hat sich nicht nur Lob verdient. Unter dem Strich muss ich der Regierung aber ein grosses Kompliment für den Umgang mit der Krise machen. Sie hat in typischer Art des Landes eine stufenweise Anpassung der Massnahmen vorgenommen, die nach einigen Tagen sehr gut verstanden und auch befolgt wurden. Das hat der Schweiz geholfen, den anfänglich steilen Anstieg der Kurve abzuflachen. Die totale Überforderung des Gesundheitssystems konnte so zwar nicht abgewendet werden, doch der Zeitraum dieser Phase war deutlich kürzer, als man zu Beginn hatte annehmen müssen. Merci dafür.

Die Europäische Union hat auf erschreckende Art und Weise die Abwesenheit eines «Wir-Gefühls» erfahren müssen. Statt zusammenzuhalten liess man besonders in der Anfangsphase das massiv gebeutelte Italien praktisch alleine, was dazu führte, dass Russland einen Propagandaschachzug erster Güte vollführen konnte. Wer hilft Italien in der Not? Die USA? Die EU? Nein, die Russen. Auch wenn die Situation inzwischen wieder abgekühlt ist und man in ganz Europa Weihnachten entgegenfiebert, so wird der schale Nachgeschmack über Jahre bleiben und das Projekt der europäischen Integration langfristig infrage stellen.

Kultur

Nach einer kurzen Schockstarre zu Beginn dessen, was wir für immer als Coronakrise im Kopf behalten werden, hat sich insbesondere die Musikgemeinde der Schweiz einige coole Dinge einfallen lassen. Nach den gerade noch so durchgewürgten Swiss Music Awards (damals galt die «unter-1000-Personen-ist-ok»-Regel), wurden sämtliche Konzerte abgesagt. Erst das Projekt #alleswirdgut belebte die ganze Geschichte nachhaltig. Regelmässig fanden nach diesem Startschuss Streamingkonzerte und Kunstperformances statt, die man zuhause via TV oder Internet geniessen konnte.

Die legendäre Zeile aus Bob Marleys Song Three little Birds klang selten so trotzig wie in jener Zeit. Every little Thing’s gonna be alright. Aber, das muss man heute zugeben, am Ende war es zum Glück wirklich so. Rückblickend ist es fast nicht mehr zu glauben, dass wir es so lange ohne Konzerte ausgehalten haben.

Gesellschaft

«Social Distancing» war das Wort der Stunde. Das war zwar ein tolles und einfach Schlagwort, traf aber den Kern der Sache überhaupt nicht. Denn sozial sollte man sich eben genau nicht distanzieren, nur physisch. Der Kälte, die das Alleinsein mit sich bringen kann, wurde schnell mit den Mitteln der modernen Kommunikation entgegengewirkt. Der allmittwöchliche Burgerabend fiel bei uns logischerweise flach. Alternative: Vierer-Videochat bei Burger, einfach jeder für sich zuhause.

Auch sonst wurde mehr kommuniziert. Menschen, die man monatelang nicht sah waren dank WhatsApp und Co. plötzlich näher denn je. Schön ist, dass wir auch nach dieser Zeit ein bisschen davon beibehalten konnten. Denn Dinge wie das Einkaufen für unsere Eltern oder unsere betagte Nachbarin dürfen durchaus auch im normalen Alltag bestehen bleiben. Sich statt «en schöne» am Schluss eines Gesprächs zu sagen, man solle gesund bleiben, hat doch auch etwas.

Und wenn man sich in der Weihnachtszeit wieder damit auseinandersetzt, was man schenken könnte, hat die alte Binsenwahrheit mehr Gewicht denn je zuvor: Neben der eigenen Gesundheit ist die Zeit, die wir gemeinsam haben, das wertvollste aller Geschenke.

Reisen

Was haben wir uns genervt, dass all unsere Reisepläne durchkreuzt wurden. Rückblickend waren die geplanten Ferien ein kleines Opfer im Vergleich zur Gesundheit, die wir behalten oder wieder erlangen konnten. Nachdem im Nachgang der Coronakrise diverse Airlines Pleite gingen und die Flugpreise anzogen, haben lokale Reiseziele deutlich an Bedeutung gewonnen. Ein Nebeneffekt, der nicht nur dem Schweizer Tourismus, sondern auch der Klimapolitik entgegenkam.

Social Media

Die verschiedenen Kanäle registrierten in der Zeit von Corona nicht nur viel mehr Aufmerksamkeit als sowieso schon, sondern auch noch einen Anstieg der Interaktionen der einzelnen Userinnen. Auf einmal stellte sich heraus, dass jene Person ganz toll singen konnte, eine andere erstaunlich schöne Bilder malte und wieder andere einen ungeahntes Talent für poetische Texte hatte. So vieles wurde auf einmal sichtbar. Schön ist, dass die auf einmal viel präsentere Kreativität der Menschen seit der Coronazeit nicht abgerissen ist.

Die negative Seite von Social Media zeigte sich in unzähligen Videos und Texten, die das Phänomen Corona mit Verschwörungstheorien zu erklären versuchten. Auch Ärzte, die COVID-19 für «eine normale Grippe» hielten oder Plauderis, die einen Zusammenhang mit der Ausbreitung des 5G-Standards herstellen wollten fanden ihr Publikum. Rückblickend zeigt sie ja, für die meisten Menschen wenig überraschend, wie weit sie damit daneben lagen.

Das war’s für heute – bleibt gesund!

26 Antworten auf „Corona Lockdown – Tag 12“

  1. Die Schweiz sieht vielleicht gut aus im Vergleich zu den USA, einem Land, welches trotz eigentlich vorhandenem Wohlstand und eigentlich vorhandener Demokratie effektiv nach den Regeln einer Drittwelt-Diktatur funktioniert. Wollen wir uns wirklich mit denen vergleichen?

    Die Schweizer Regierung war in keiner Weise vorbereitet, hat nicht korrekt reagiert, nicht schnell genug reagiert, und hat die Bevölkerung belogen. Als direkte Folge davon werden wir hier eine vierstellige Todeszahl haben, wochen- oder monatelang in Selbstquarantäne bleiben, und die Wirtschaft nachhaltig beschädigen.

    Ich habe es bereits am 10.3 geschrieben: die Reaktion der Regierung war inkompetent. Unser Glück war, dass der Virus nicht tödlicher ist, sonst wäre es mit der Schweiz jetzt vorbei. Wenn wir die letzten 20 Jahre anschauen, können wir davon ausgehen, dass alle fünf Jahre ein neuer Virus kommen wird. Meistens wird er nicht so ansteckend sein wie Covid-19. Meistens wird er nicht so tödlich sein wie MERS. Irgendwann wird er beides sein.

    Ich hoffe, dass die Schweiz jetzt ihre Lektion gelernt hat, und dann vorbereitet sein wird.

    Wenn wir weiterhin so tun als ob alles toll gelaufen wäre, dann wird wohl niemand einen Grund für Verbesserung sehen. Dann sehe ich dafür etwas anderes: schwarz.

  2. Die Regierung hat über die Ausbreitungsmodelle gelogen als sie die Schliessung der Grenze nach Italien als unnötig bezeichnete und damit die extrem schnelle Ausbreitung im Tessin verursachte (ich nehme hier einfach mal grosszügig an dass die Regierung nicht komplett inkompetent war und Modelle hatte, die die Ausbreitung von Italien in die Schweiz als wahrscheinliches Szenario voraussagte).

    Sie hat über geplante Massnahmen gelogen, als sie dem Tessin riet, die Schulen nicht zu schliessen, obwohl diese Massnahme zwei Tage später für die ganze Schweiz implementiert wurde.

    Die Regierung hat gelogen als sie behauptete, dass Massentests unnötig sind, obwohl die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass Massentest und Contact Tracing das wichtigste Mittel ist, um Krankheiten einzudämmen, so dass «flattening the curve», Schliessung der Geschäfte, und grossflächige Selbstquarantäne gar nie notwendig werden.

    Und sie hat über persönliche Empfehlungen gelogen, als sie das Tragen von Schutzmasken für gesunde Menschen als nutzlos bezeichnete, obwohl Studien zeigen, dass das Tragen von Schutzmasken für gesunde Menschen einen positiven Effekt auf die individuelle Gesundheit und auf die gesellschaftliche Verbreitung von Krankheiten hat.

  3. Naja, «Lüge» scheint mir schon ein sehr harter Ausdruck. Es musste sich halt zuerst auch eine gewisse Lernkurve einstellen.

    Anfänglich hatte man bezüglich Tessin die Sorge, dass die Wirtschaft zusammenbrechen könnte, wenn all die Grenzgänger nicht mehr einreisen könnten. Mittlerweise hat sich das ja erledigt, aber die ganzen Leute im Gesundheitswesen sind nach wie vor dringend notwendig. Ausserdem waren es auch Schweizer Bürger, die das Virus aus Norditalien eingeschleppt haben. Diese Personen hätte auch bei geschlossenen Grenzen einreisen dürfen. Grenzen dicht machen bringt nach meiner bescheidenen Meinung nur dann was, wenn es multinational geschieht und man dadurch die Reisetätigkeit stoppt und man so die Verbreitung verlangsamen kann.

    Was die Massentests anbelangt, so glaube ich, dass es ein Ressourcen-Problem war, weil gar nicht genügend Test-Kits vorhanden waren. Ausserdem hat man das Contact Tracing relativ schnell aufgegeben, weil es nicht mehr möglich war. Zudem sind Tests nicht immer exakt genug, da selbst nach einer Infektion eine gewisse Zeit nötig ist, um ein positives Resultat auszuweisen.

    Daniel Koch sagte mehrmals, es bestehe derzeit keine Evidenz, dass das Tragen von Schutzmasken in der Öffentlichkeit einen Effekt auf die Verbreitung habe. Mir scheint das insofern plausibel, als dass in China viele Menschen permanent mit Masken rumlaufen, das Virus sich aber trotzdem ausbreitete. Ausserdem, und das ist wohl viel relevanter, mussten Prioritäten gesetzt werden. Es gab eine Zeit lang zu wenig Masken. Zudem wollte man sicher auch vermeiden, dass sich die Bevölkerung in einer falschen Sicherheit hätte wiegen können und dadurch das Social Distancing weniger oder gar nicht eingehalten hätte.

    Drum meine ich, dass hier nicht von Lügen gesprochen werden darf. Der Bundesrat hatte immerhin eine Strategie, hat sie durchgezogen und wo nötig, angepasst. Alles in allem bin ich der Meinung, dass man es in der Schweiz ganz gut handhabt.

    Trotzdem liegst du mit deiner Kritik natürlich nicht falsch. Wenn die Kriese mal überstanden ist, muss ein ausführliches Debriefing her und es müssen Lehren gezogen werden. Denn eines ist sicher: Die nächste Pandemie kommt.

  4. Lernkurve? Diese Leute sind angeblich Experten! Ich bin kein Experte, aber ich habe mir Anfang Februar, als es in Italien losging, Handdesinfektionsmittel gekauft, Katzenfutter für sechs Monate bestellt weil ich mir nicht sicher war ob Tiergeschäfte offen bleiben dürfen und weil ich davon ausging, dass die Online-Shops nicht mit Bestellungen nachkommen, und meinen Soylent-Vorrat aufgestockt weil ich nicht während einer Pandemie in einen Einkaufsladen gehen will. Das einzige, was man hier wissen muss, ist was exponentielles Wachstum bedeutet. Das braucht keine Lernkurve.

    Wir können uns keine Leute leisten, die bei einer sich exponentiell ausbreitenden Pandemie zuerst noch eine Lernkurve brauchen! Dieses mal bedeutet diese Lernkurve, dass wir eine vierstellige Todeszahl haben werden statt eine zweistellige. Das nächste mal bedeutet die Lernkurve vielleicht, dass eine Million Leute sterben statt tausend!

    Wenn sich eine Krankheit exponentiell ausbreitet, bedeutet eine Woche Lernkurve den Unterschied zwischen 1000 Toten und 10’000, zwei Wochen den Unterschied zu 100’000, und drei Wochen zu einer Million. In vier Wochen ist die Schweiz vorbei. Da kann man nicht zuerst nachdenken und die Wirtschaft schützen und langsam Massnahmen einführen und mal ein bisschen schauen was passiert.

    Die zwei Optionen sind hier also entweder, dass die Leute super inkompetent waren und tatsächlich nicht wussten, wie sie reagieren sollen, oder dass sie gelogen haben, und zwar wussten, was zu tun war, aber öffentlich das Gegenteil behauptet haben. Wenn du denkst, dass sie nicht gelogen haben, dann waren sie wohl inkompetent, aber das ist meiner Meinung nach nicht unbedingt die bessere Option.

    > dass die Wirtschaft zusammenbrechen könnte, wenn all die Grenzgänger nicht mehr einreisen könnten

    Genau! Das war genau die Überlegung! Die Regierung war also zugleich dumm (weil man den Zusammenbruch der Wirtschaft hätte verhindern können, hätte man früher reagiert) und antisozial (weil man die Leben der Menschen im Tessin riskierte, um die Wirtschaft zu schützen).

    > Diese Personen hätte auch bei geschlossenen Grenzen einreisen dürfen

    Deshalb muss es Quarantäne für Einreisende geben, das ist selbsterklärend. Ist ja klar dass Schweizer nicht immun sind gegen virale Infektionen.

    > Was die Massentests anbelangt, so glaube ich, dass es ein Ressourcen-Problem war

    Genau, du machst auf einen weiteren Reinfall aufmerksam. Wir hatten über zwei Monate Zeit, um uns vorzubereiten. Was hat Südkorea gemacht? Tests hergestellt. Was haben wir gemacht? Ehrliche Frage, was haben wir gemacht? Haben wir irgend etwas gemacht?

    > Daniel Koch sagte mehrmals, es bestehe derzeit keine Evidenz, dass das Tragen von Schutzmasken in der Öffentlichkeit einen Effekt auf die Verbreitung habe

    Dann sagst du jetzt ja auch, dass gelogen wurde. Wir können darüber diskutieren, ob es eine Lüge war, als die Regierung sagte, dass die Grenzen nicht geschlossen werden sollten. Du hast recht, das könnte auch einfach nur Dummheit und Inkompetenz sein. Aber zu behaupten dass Masken keinen Effekt auf die Verbreitung haben, das ist schlicht und einfach nur eine Lüge. Es gibt nur einen Grund, weshalb Koch das gesagt hat: er wusste, dass wir nicht genügend Masken haben.

    Und weshalb? Weil die Regierung zwei Monate lang nichts gemacht hat, nachdem klar war, dass der Virus sich ausserhalb von China ausbreiten wird.

    > Der Bundesrat hatte immerhin eine Strategie, hat sie durchgezogen und wo nötig, angepasst

    Die Strategie des Bundesrates wird uns bei der nächsten Pandemie alle töten. Im Grab nützt es uns nichts, dass keiner etwas Negatives über das Versagen der Regierung mehr veröffentlicht. Wir sollten jetzt verlangen, dass wir das nächste mal besser reagieren.

    Ich verstehe den Impuls, jetzt zusammenstehen zu wollen. Das ist ein guter Impuls, wir sollten zusammenstehen und uns gegenseitig helfen. Aber als Menschen, nicht als Nationalisten. Es nützt uns nichts, wenn wir die Regierung verteidigen. Es führt nur dazu, dass sich nichts verbessert.

  5. Noch etwas zum drüber nachdenken: was genau ist das Endgame der aktuellen Massnahmen? Neuansteckungen nehmen jetzt wieder ab, langsam zwar, aber recht konstant. Am Ende dieser Welle, in sechs Wochen oder so, werden wir wohl etwa 100’000 Ansteckungen gehabt haben. Frei geschätzt aufgrund der aktuellen Zahlen, mit einer grossen Fehlermarge weil wir nicht so genau wissen wie viele Leute krank waren, aber nicht getestet wurden, aber die Grössenordnung stimmt wohl etwa.

    Und dann?

    Das sind zu wenig Leute, die das Virus schon hatten und immun sind. Warten wir dann einfach bis der nächste Ausbruch kommt und starten das ganze von vorne, machen alle Läden wieder zu? Oder sind wir dieses mal vorbereitet, und machen jetzt Contact Tracing, und verteilen den Leuten ihre Wochenration an Gesichtsmasken? Ich sehe gerade nicht, dass die Regierung in grossem Masse die Produktion von Masken oder Tests finanziert.

    Warten wir, bis in einem Jahr ein Impfstoff rauskommt? Aber was genau nützt das in der Schweiz, die Regierung hat ja die lokalen Impfgegner so gut kultiviert dass wir unterdessen mit 20% das Land Europas mit den zweitmeisten Impfgegner sind. Was nützt uns ein Impfstoff wenn wir militante Impfgegner haben, die verhindern, dass wir genügend Leute impfen um Herdenimmunität zu erreichen?

    Oder ist die Idee, dass wir die Leute einfach krank werden lassen, bis wir auf natürlichem Weg Herdenimmunität erreichen? Mit all den Toten, die das mit sich bringt?

    Ich verstehe nicht, was genau das Endgame ist, und wenn ich der Regierung zuhöre bekomme ich den Eindruck, dass sie auch keinen Plan hat.

  6. Lernkurve? Diese Leute sind angeblich Experten!

    Sogar die WHO spricht davon, dass man bezüglich dieser Epidemie zuerst noch viel lernen muss. Das Ding hat die gesamte Welt auf dem linken Fuss erwischt. Tatsächlich hast du aber recht, wenn du sagst, dass man in Asien (z.B. Südkorea) schneller gehandelt hat. Die haben wegen SARS einen Erfahrungsvorsprung. In der Schweiz wurde darauf hin ein Pandemieplan erstellt, nach dem jetzt zum Teil gehandelt wurde. Selbstverständlich gilt es, diesen Plan für zukünftige Ereignisse anzupassen. Aber so wie du urteilst, wären sämtliche Regierungen in der westlichen Welt dumm und werden von noch dümmeren Experten beraten.

    Wir hatten über zwei Monate Zeit, um uns vorzubereiten. (…) Was haben wir gemacht? Ehrliche Frage, was haben wir gemacht? Haben wir irgend etwas gemacht?

    Wir habens zu Beginn nicht ernst genug genommen. Ganz klar. Sogar Epidemeiologen nicht. Fehler? Ja. Schuldzuweisungen? Nein. Im nachhinein ist man immer klüger.

    Die Strategie des Bundesrates wird uns bei der nächsten Pandemie alle töten.

    Die Strategie des Bundesrates hat dazu geführt, dass unser Gesundheitssystem noch funktioniert. Die Stategie des Bundesrates bei der nächsten Pandemie wird eine andere sein, weil man bei der nächsten Pandemie schneller reagieren wird. Allerdings höre ich dann schon wieder die, die schreien, es sei alles nur ein Hype und man solle mal bitte schön nicht übertreiben.

    Es nützt uns nichts, wenn wir die Regierung verteidigen. Es führt nur dazu, dass sich nichts verbessert.

    Ich verteidige die Regierung nicht. Ich sehe jetzt nur keinen Nutzen darin, die Regierung zu kritisieren oder der Lüge zu beschuldigen.

    was genau ist das Endgame der aktuellen Massnahmen?

    Die Exit-Strategie steht noch nicht. Das hängt definitiv vom weiteren Verlauf ab. Und wie es Berset schon im Februar sagte, beurteilt man die Situation laufend und reagiere kurzzeitig. Wenn das BAG sagt, dass man jetzt noch keinen Plan für die Rückkehr zur Normalität vorlegen kann, erscheint mir das plausibel.

    Es wird übrigens auch weiterführende Tests geben. Jetzt sind sie aber noch nicht im benötigten Mass vorhanden, um die ganze Bevölkerung testen zu können. Hinzu kommen jetzt langsam funktionierende serologische Tests. Wir werden ganz sicher testen. Ganz viel. Und ja, es wird auch einen Impfstoff geben. Vielleicht ist sogar eine Pflichtimpfung denkbar.

    Sie werden ihre Lehren ziehen, die Damen und Herren zu Bern.

    Was mir für eine weitere Epidemie weit grössere Sorgen bereitet, ist das Klumpenrisiko China. Es wird so viel ausschliesslich in China produziert, dass es nur schon dann zu einem globalen Problem wird, wenn die nächste Pandemie in China wütet, ohne sich auszubreiten. Wenn China nicht mehr produziert, fehlen dem Rest der Welt praktisch alle Wirkstoffe für die Medikamentenherstellung.

  7. >Sogar die WHO spricht davon, dass man bezüglich dieser Epidemie zuerst noch viel lernen muss

    Natürlich wissen wir nicht alles über den Virus, aber ich spreche hier von den Basics. Man muss nicht wissen wie ansteckend asymptomatische Menschen genau sind um zu wissen dass man nicht zuerst Wochen lang wartet, wenn ein Virus sich exponentiell ausbreitet, um zu wissen dass man testen muss, um zu wissen dass man Masken haben muss, um zu wissen dass man die Grenzen schliessen und Einreisende aus betroffenen gebieten Quarantänisieren muss, und so weiter.

    Die asiatischen Länder haben alle diese Dinge sofort gemacht, die mussten nichts lernen.

    >Die haben wegen SARS einen Erfahrungsvorsprung

    Und genau das ist das Problem. Weshalb haben die einen Erfahrungsvorsprung? Haben sich die Schweizer Experten nicht über SARS informiert? Wussten sie nicht, welche Massnahmen funktioniert haben? Wussten sie nicht, dass es gefährlich ist, lange zu zögern während eine Virus-Infektion sich exponentiell verbreitet?

    Und wenn sie nichts aus diesen Dingen gelernt haben, dann bestätigst du damit bloss meine Aussagen. Du kannst als Experte nicht einfach ignorieren, was in anderen Ländern passiert, und dann deinen eigenen Lernprozess durchmachen. Wir erfinden in der Schweiz nicht unsere eigenen Gesetze der Physik. Wir sollten nicht unsere eigenen Pandemie-Reaktionen erfinden.

    >Aber so wie du urteilst, wären sämtliche Regierungen in der westlichen Welt dumm und werden von noch dümmeren Experten beraten.

    Genau. Ich glaube, langsam verstehst du mein Argument 🙂

    Diese Pandemie hat die absolute Inkompetenz Europäischer Regierungen blossgelegt. Ich kann verstehen, was in Italien passiert ist, weil Italien das erste betroffene Land Europas ist, und Italien eh keine komplett funktionierende Regierung hat. Aber was ist mit England, wo man zuerst absichtlich auf Massnahmen verzichtete? Mit der Schweiz, wo man die Grenzen zu Italien einfach offen liess, weil man die Wirtschaft schützen wollte, und so die Wirtschaft komplett zerstörte? Mit Schweden, wo der geniale Plan war, alle mal ein bisschen anzustecken?

    Viele der europäischen Regierungen haben nicht nur inkompetent gehandelt, sondern meiner Meinung nach kriminell. Boris Johnson sollte man nach diesem Reinfall in den Knast stecken, und wenn’s dafür noch kein passendes Gesetz gibt, sollte man eines erfinden.

    Nachdem die asiatischen Länder die Infektionen unter Kontrolle brachten, haben die westlichen Länder, Europa und die USA, sich zum globalen Krisenherd gemacht. Sie haben damit garantiert, dass der Rest der Welt keine Chance hat, den Virus einzudämmen.Du hast also Recht, die westlichen Regierungen sind dumm, und werden von noch dümmeren Experten beraten. Es gibt ehrlich gesagt keine andere Erklärung für das, was hier passiert ist.

    >Schuldzuweisungen? Nein.

    Ich verstehe diese Haltung ganz ehrlich nicht. Wir leben in einer Demokratie. In einer freien Gesellschaft. Woher kommt dieser seltsame Drang, das Versagen der eigenen Regierung zu verteidigen? Ist es nicht dein Job als Schweizer Bürger, deine eigene Regierung kritisch zu beurteilen? Die Fakten sind, wie du ja selber sagst:

    – Wir wussten, wie man korrekt reagiert, was Asien zeigt
    – Die Schweizer Regierung hat nichts daraus gelernt
    – Sie musste ihren eigenen Lernprozess durchgehen
    – Als direktes Resultat werden tausende von Schweizern sterben, und die Wirtschaft ist nachhaltig geschädigt

    Und deine Reaktion ist, dass wir hier niemandem Schuld zuweisen sollen?

    Schuldzuweisung ist dein Job als Bürger in einer Demokratie! Wenn wir in Russland leben würden, dann wäre ich ja auch deiner Meinung, und würde unseren glorreichen Führer verteidigen, der uns so toll von dieser Pandemie beschützt hat indem er keine Statistiken zu Infektionen erhoben hat.

    >Im nachhinein ist man immer klüger.

    Es ist der Job eines Experten, bereits vorher klüger zu sein. Das ist die Definition des Wortes «Experte.»

    Und ehrlich gesagt ist es auch nicht wahr. Ich bin keine Pandemie-Experte, und ich habe gesehen, was hier passiert, und die Regierung schon lange vor dem Desaster kritisiert. Die Firma, für die ich arbeite, hat trotz wirtschaftlichen Folgen lange vor den Massnahmen der Regierung zuerst im Tessin und kurze Zeit später in der ganzen Schweiz Heimarbeit angeordnet, Grenzgängern mitgeteilt, dass sie bis auf weiteres nicht über die Grenze sollen, und die Büros geschlossen. Es ist schlicht nicht wahr, dass die Leute in diesem Fall erst im nachhinein klüger waren.

    Es ist primär die Schweizer Regierung, auf die das zutrifft, und bei ihr bin ich mir nicht mal ganz sicher ob sie nun wirklich klüger geworden ist.

    >Die Stategie des Bundesrates bei der nächsten Pandemie wird eine andere sein, weil man bei der nächsten Pandemie schneller reagieren wird. Allerdings höre ich dann schon wieder die, die schreien, es sei alles nur ein Hype und man solle mal bitte schön nicht übertreiben.

    Genau. Und welchen Schluss ziehst du daraus? Denkst du wirklich, der öffentliche Druck ist gross genug, um Änderungen und Verbesserungen vorzunehmen? Soweit ich das sehe, sind 75% der Rückmeldungen aktuell in etwa, dass die Regierung sehr Verhältnismässig und korrekt reagiert hat, und dass Koch der Schweizer des Jahres werden muss weil er so tolle TV-Auftritte hatte, 20% behaupten dass das alles gar nichts war und nur eine Verschwörung ist, um uns dazu zu bringen dass wir uns Impfen, und die restlichen 5% sind kritisch.

    Glaubst du wirklich, da wird sich etwas ändern?

    In einer Demokratie ändert sich nichts, wenn 75% den Status Quo toll finden. In der Schweiz finden sonst ja nicht einmal 75% der Leute Gratis-Kuchen gut, wenn er von der Regierung kommt.

    SVP: «Dieser sozialistische Kuchen unterminiert die freie Marktwirtschaft der Kuchenhersteller!»

    SP: «Nein, dieser spätkapitalistische Kuchen dient nur dazu, Zahnärzten neue Kunden zuzuschaufeln und unser Gesundheitssystem zu zerstören!»

    CVP: «Ihr seid alle irr, der Kuchen untergräbt die christlichen Werte unserer Gesellschaft, er steht für Völlerei und beschädigt die traditionellen Familienwerte, in denen nur Hausfrauen Kuchen backen!»

    FDP: «Wir dürfen keinen Kuchen verteilen, das macht die Leute nur faul! Wir brauchen Trickle-Down-Kuchen, wo die Reichen allen Kuchen essen und die Armen dann auf magische Weise satt werden!»

    Grüne: «Ist der Kuchen denn wenigstens vegan?»

    Grünliberale: «Alles was die Redner vor mir schon gesagt haben, aber zusätzlich auch noch das Gegenteil davon!»

    >Ich sehe jetzt nur keinen Nutzen darin, die Regierung zu kritisieren oder der Lüge zu beschuldigen.

    Wenn die Regierung lügt, dann ist es dein Job als Bürger einer Demokratie, sie zu kritisieren.

    Wenn die Regierung tausende von Schweizern sterben lässt und die Wirtschaft zerstört, dann ist es dein Job als Schweizer, sie zu kritisieren.

    Der Nutzen von Kritik ist, dass die Dinge sich ändern. Aktuell ist die lauteste Kritik, dass die Schweiz zu drastisch vorgegangen ist, und dass das alles gar nicht so schlimm war. Was denkst du, welche Folgen wird das für die nächste Pandemie haben?

    >Die Exit-Strategie steht noch nicht. Das hängt definitiv vom weiteren Verlauf ab. Und wie es Berset schon im Februar sagte, beurteilt man die Situation laufend und reagiere kurzzeitig. Wenn das BAG sagt, dass man jetzt noch keinen Plan für die Rückkehr zur Normalität vorlegen kann, erscheint mir das plausibel.

    Mir macht das Angst, weil diese Pläne Vorbereitungen brauchen. Man kann nicht kurzfristige Entscheidungen treffen, die langfristige Vorbereitungen benötigt hätten.

    Aktuell ist das wahrscheinlichste Szenario, dass die Infektionen abflachen, bevor wir Herdenimmunität erreichen (und hoffentlich lange bevor eine Impfung entwickelt wird). Wenn wir dann die aktuellen Massnahmen zurücknehmen, ohne zusätzliche Massnahmen zu ergreifen, dann sind wir wieder am Anfang des ganzen Malheurs. Diese zusätzlichen Massnahmen brauchen Planung und Vorbereitung. Sind solche Massnahmen geplant? Keine Ahnung. Werden diese Vorbereitungen aktuell getroffen? Keine Ahnung.

    Vor drei Monaten hätte ich noch blind darauf vertraut, dass die Regierung diese Pläne macht, und diese Vorbereitungen trifft. Nach dem aktuellen Desaster bin ich mir nicht so sicher, und die öffentlichen Aussagen der Regierung machen mich noch unsicherer.

    >Klumpenrisiko China

    Und welche Pläne hat die Schweiz, um dieses Problem zu lösen? Die letzten Wochen haben ja gezeigt, dass das Problem hier nicht nur das Klumpenrisiko China ist, sondern ganz allgemein die Produktion von in Krisen notwendigen Gütern im Ausland. Investiert die Schweiz nun in die lokale Produktion dieser Güter? Falls ja, wie soll das genau funktionieren? Haben wir da schon Ideen, oder einen Plan, oder irgend etwas? Das würde ich auch gerne hören.

    Ich kann verstehen, dass wir aktuell dringendere Probleme haben, also beklage ich mich auch nicht darüber dass das aktuell noch kein Thema ist (ich würde lieber wissen was genau der Plan ist, um aus der aktuellen Lage wieder rauszukommen), ich hoffe einfach, dass wir das dann nicht plötzlich vergessen, wenn das alles vorbei ist.

    Diese Pandemie war ein Trainingslauf. Europa und die USA haben in diesem Trainingslauf versagt. Die Frage ist nun, was wir aus diesem Versagen lernen. Aktuell sieht es nach «sehr wenig» aus, weil die grosse Mehrheit mit unserem Versagen ziemlich zufrieden ist, und unserer Regierung ein «grosses Kompliment für den Umgang mit der Krise» macht.

    Der Preis für diese Reaktion wird hoch sein.

  8. Schuldzuweisung ist dein Job als Bürger in einer Demokratie!

    Nein. Es ist mein Job, KRITISCH zu sein. Fingerpointing ist selten nützlich. Und in der jetzigen Situation schon gar nicht. Jetzt muss gehandelt werden. Schnell und pragmatisch. Aktuell leben wir in einem Democracy-Shutdown. Wahrlich kein Zustand, den ich mir wünsche, aber es ist jetzt angebracht.

    Weshalb haben die einen Erfahrungsvorsprung? Haben sich die Schweizer Experten nicht über SARS informiert?

    Doch. Deshalb gabs ja diesen Pandemieplan. Nur war der offenbar nicht ganz ausgereift. Ausserdem dürfen wir Europa und die Schweiz nicht mit China vergleichen. Hier müssen die Behörden bei allem, was sie tun, auf Verhältnismässigkeit achten. In China kann man mit dem Vorschlaghammer einfahren. Das ist ein riesiger Unterschied.

    Denkst du wirklich, der öffentliche Druck ist gross genug, um Änderungen und Verbesserungen vorzunehmen?

    Ja. Allen voran das Parlament. Denen jucken jetzt schon die Finger. Ja, es wird eine ausführliche Aufarbeitung geben und ja, es werden Verbesserungen vorgenommen.

    Mir macht das Angst, weil diese (Exit-)Pläne Vorbereitungen brauchen. Man kann nicht kurzfristige Entscheidungen treffen (…)

    Man arbeitet daran. Das wurde an den PKs schon mehrmals erwähnt. Es ist lediglich noch nicht spruchreif. Und mit halbgaren Plänen vor die Presse zu treten, ist nun mal nicht klug.

    (…) hier nicht nur das Klumpenrisiko China ist, sondern ganz allgemein die Produktion von in Krisen notwendigen Gütern im Ausland. Investiert die Schweiz nun in die lokale Produktion dieser Güter?

    Keine Ahnung. Mindestens hat man zwei Maschinen zur Produktion von Schutzmasken gekauft und die inländische Produktion angestossen. Aber es betrifft natürlich noch viel mehr Produkte. Dieses Problem kann nicht nur rein politisch gelöst werden. Da muss auch die Wirtschaft mitziehen. Ein Beispiel: Der Bund will schon lange, dass mehr Impfstoffe in der Schweiz produziert werden. Bislang haber hat sich kein Unternehmen gefunden, welches das in der Schweiz tun will. Da dieselbe Wirtschaft jetzt auch eins auf den Deckel gekriegt hat, wird sich das vielleicht ändern und man setzt vermehrt auf dezentrale Produktionen.

    Diese Pandemie war ein Trainingslauf. Europa und die USA haben in diesem Trainingslauf versagt. Die Frage ist nun, was wir aus diesem Versagen lernen.

    Ganz genau. Und sei versichtert: Wir werden lernen!

  9. >Es ist mein Job, KRITISCH zu sein

    Das ist ein Syntax-Argument. Mir ist egal, welches Wort du verwendest.

    >Jetzt muss gehandelt werden

    Genau. Beginnen wir in 3… 2… 1…

    Hallo?

    Hallo! Ich habe 1 gesagt, ihr könnt jederzeit anfangen!

    >Hier müssen die Behörden bei allem, was sie tun, auf Verhältnismässigkeit achten.

    Viren verbreiten sich in Europa nicht langsamer, weil wir auf Verhältnismässigkeit achten. Die Toten in der Schweiz werden nicht wieder lebendig, weil wir auf Verhältnismässigkeit achten. Die Realität kümmert sich nicht um Verhältnissmäsigkeit.

    Ausserdem war offensichtlich, dass die Massnahmen der Behörden nicht verhältnismässig waren. Sie gingen im Verhältnis zur Bedrohung zu wenig weit, was dazu geführt hat, dass kurze Zeit später extreme Massnahmen notwendig wurden. Was alles super vorhersehbar war. Ist das etwa Schweizer Verhältnismässigkeit, zuerst warten bis es zu spät ist, dann die Läden schliessen und den Leuten sagen sie sollen zwei Monate lang zu Hause bleiben?

    Auf diese Verhältnismässigkeit kann ich verzichten.

    >In China kann man mit dem Vorschlaghammer einfahren

    Und was ist deine Erklärung zu den demokratischen asiatischen Ländern?

    Ausserdem ist mein Punkt ja genau, dass der Vorschlaghammer in der Schweiz nur notwendig wurde, weil die Regierung wochenlang nichts gemacht hat. Hätte man frühzeitig Tests hergestellt, Masken bestellt, gleich die Grenzen geschlossen, Quarantäne für Einreisende angeordnet, Masken verteilt und Contact Tracing begonnen, dann wären all die extremen Massnahmen, unter denen wir aktuell leiden, nie notwendig geworden.

    Hätte die Wirtschaft trotzdem gelitten? Ja, klar. Wäre es auch nur annähernd so schlimm rausgekommen wie jetzt? Nein.

    Hätte die Regierung wissen müssen, dass dieses Vorgehen korrekt gewesen wäre? Eindeutig.

    >Es ist lediglich noch nicht spruchreif

    Entweder werden die Bürger von der Regierung wie debile Kleinkinder behandelt, oder die Regierung hat echt keinen Plan. Ich weiss nicht, was die bessere Option ist.

    >[Produktion von in Krisen notwendigen Gütern] kann nicht nur rein politisch gelöst werden

    Sehr seltsam, dass es bei der Produktion von Waffen anscheinen kein Problem zu sein scheint, nicht? Ist doch komisch, dass diese Probleme so selektiv sind.

    >Da dieselbe Wirtschaft jetzt auch eins auf den Deckel gekriegt hat, wird sich das vielleicht ändern

    Weisst du, wer hier keins auf den Deckel gekriegt hat? All die Firmen, die diese Produkte herstellen, jetzt alle Regierungen der Welt gegeneinander bieten lassen, und sich an dieser Misere dumm und dämlich verdienen. Die haben sicher nicht ein enormes Bedürfnis danach, in der Zukunft etwas zu ändern.

    Ausserdem werden viele der kleineren Firmen, die jetzt von diesem Boom profitieren, eh kurze Zeit später bankrott gehen. Die Welt kauft aktuell Beatmungsgeräte für die nächste Dekade. Wer will denn noch Beatmungsgeräte kaufen, wenns mit der aktuellen Pandemie vorbei ist? Die kannst du dann auf eBay im Zehnerpack für einen Fränkler bestellen.

    >Und sei versichtert: Wir werden lernen!

    Jetzt wo du es sagst bin ich natürlich absolut beruhigt.

  10. Und was ist deine Erklärung zu den demokratischen asiatischen Ländern?

    Bescheidenere Auslegung von persönlicher Freiheit?

    Entweder werden die Bürger von der Regierung wie debile Kleinkinder behandelt, oder die Regierung hat echt keinen Plan.

    An der heutigen PK wurde erklärt, dass man am Ausstiegsszenario arbeitet. Die Kommunikations-Strategie sagt aber, dass erst kommuniziert wird, wenn es fertig ist. Alles andere würde nur Unsicherheit und Raum für Spekulationen schaffen. Beides ist jetzt nicht zielführend.

    Ausserdem war offensichtlich, dass die Massnahmen der Behörden nicht verhältnismässig waren. Sie gingen im Verhältnis zur Bedrohung zu wenig weit, was dazu geführt hat, dass kurze Zeit später extreme Massnahmen notwendig wurden.

    Reine Spekulation. Man weiss nicht, wie es sich entwickelt hätte.

    Hätte man frühzeitig Tests hergestellt, Masken bestellt (…) dann wären all die extremen Massnahmen, unter denen wir aktuell leiden, nie notwendig geworden.

    Ja, durchaus möglich. Diese Einsicht wird sich bei der Nachbearbeitung einstellen und in der angepassten Strategie für die nächsten Pandemien niederschlagen. Es ist ja nicht so, dass du mit deiner Ansicht falsch liegst.

    Sehr seltsam, dass es bei der Produktion von Waffen anscheinen kein Problem zu sein scheint, nicht? Ist doc

  11. >Alles andere würde nur Unsicherheit und Raum für Spekulationen schaffen

    Das ist ja genau das, was jetzt passiert. Die unklare Kommunikation ist genau das, was aktuell für Unsicherheit und Spekulation sorgt. Keiner weiss, was genau das Endziel der aktuellen Massnahmen sind, welche Entscheidungsgründe für die Aufhebung oder Lockerung der Massnahmen verwendet werden, was die möglichen Szenarien nach der Aufhebung sind, und so weiter.

    Ich kriege aktuell jeden Tag zwei, drei Messages von Leuten, die mich fragen, wie lange das noch geht. Wieso fragt ihr mich, und nicht die Leute, deren Job es wäre, auf diese Frage eine sinnvollere Antwort bereit zu haben als bloss «wir sagen euch was der Plan ist sobald wir einen Plan haben»? Ich bin nur ein Idiot der ein paar Statistik-Vorlesungen belegt hat!

    (Was mich natürlich nicht daran hindert, eine statistische Auswertung der Daten zu machen und den Leuten mitzuteilen, dass es definitiv noch genau 76 Tage geht, bis wir wieder den Normalzustand erreicht haben. Und diese Nummer ist definitiv absolut korrekt und kann in keiner Weise in Frage gestellt werden.)

    Aber zurück zum Thema.

    Einen Paragraphen weiter oben hast du den asiatischen Demokratien unterstellt, dass die persönliche Freiheit halt bescheidener auslegen als wir, aber was für eine Freiheit ist das denn, wenn nicht über Entscheidungen diskutiert werden kann, bis sie gemacht sind? Wenn die Regierung die Intelligenz der Bürger derart tief einschätzt, dass nicht einmal über mögliche Szenarien gesprochen werden kann?

    Wer hat hier wirklich eine bescheidene Auslegung von persönlicher Freiheit? Das Land, in dem der Staat den Bürgern Gesichtsmasken kontingentiert, oder das Land, in dem die Läden geschlossen werden und die Bürger zu Hause hocken und keine Kommunikation über mögliche Szenarien stattfindet?

    >Reine Spekulation

    Du kannst nicht einfach ein Jahrhundert Epidemie-Forschung als «reine Spekulation» abtun.

  12. Keiner weiss, was genau das Endziel der aktuellen Massnahmen sind

    Das Ziel ist «flattening the curve», damit das Gesundheitssystem nicht kollabiert und alle Menschen, die medizinische Versorgung benötigen, diese auch bekommen.

    Hätte man früher reagiert, wäre die Erreichung dieses Ziels vielleicht gar nicht nötig gewesen. Da man aber nicht schneller reagiert hat, muss man sich jetzt mit dem Status Quo beschäftigen. Und diesbezüglich erscheinen mir als Nicht-Experte die verfügten Massnahmen sinnvoll.

    In der heutigen (5.4.2020) Tagesschau wurde übrigens von Japan, insbesondere Tokio, berichtet. Dort hat man sehr früh reagiert und die Menschen laufen da schon seit Jahren mit Mundschutz herum. Doch nun droht die Corona-Welle auch dort.

    aber was für eine Freiheit ist das denn, wenn nicht über Entscheidungen diskutiert werden kann

    In Situationen wie dieser ist es nicht zielführend, wenn 6 Millionen selbsternannte Experten «mitdiskutieren» und dadurch die Entscheidung elend in die Länge ziehen. Zudem ist es ein Bedürfnis der Masse, in einer Krisensituation geführt zu werden. «Die Experte dort in Bern wissen schon, was zu tun ist» ist sinnvoller, als wenn grossmehrheitlich der Eindruck wächst, die Regierung handle konzeptlos und wisse nicht im geringsten, was sie tut.

    Wenn die Regierung die Intelligenz der Bürger derart tief einschätzt, dass nicht einmal über mögliche Szenarien gesprochen werden kann?

    Auch das ist ein psychologischer Aspekt. Es geht nicht darum, wie die Regierung die Intelligenz des Volkes evaluiert (was sie auch gar nicht tut). Es geht darum, dass man keine falschen Hoffnungen oder unbegründete Ängste aufkeimen lassen darf und dass man erst über Massnahmen berichtet, wenn die Strategie dahinter steht. Es macht schliesslich keinen Sinn, zu kommunizieren, dass man noch nicht genau weiss, was man kommunizieren soll.

    Es steht dir und deinen Freuden sowie dem Rest der Bevölkerung übrigens frei, mögliche Szenarien zu diskutieren. Und wenn dir eine Lösung einfällt, dann zögere nicht und teile sie dem Bundesrat mit.

    Obwohl du mit deiner Kritik am Vorgehen des Bundesrates möglicherweise richtig liegst, bringt es heute und morgen nichts, wenn wir mit dem Finger auf die Personen zeigen. Denn damit lösen wir das vorherschende Problem nicht. In der Nachbesprechung soll diese Kritik gehört, das gesamte Vorgehen analysiert und in einen neuen, besseren Pandemieplan übertragen werden.

  13. >>Keiner weiss, was genau das Endziel der aktuellen Massnahmen sind
    >Das Ziel ist „flattening the curve“

    Dann ist das Ziel also, dass etwa gleich viele Leute krank werden wie wenn man nichts tut, einfach langsamer? Wir behalten diese Massnahmen also bei, bis ein Grossteil der Menschen in der Schweiz krank waren? Ist das das Endziel?

    «Flattening the curve» alleine sagt nicht viel aus. Es kann bedeuten dass die Kurve so flach wird, dass die Infektionen wieder auf null reduziert werden können bevor ein Grossteil der Bevölkerung krank war, oder es kann bedeuten dass man alle Leute krank werden lässt, bloss nicht gleichzeitig. Welches dieser beiden Ziele verfolgt die Schweiz?

    Aktuell sieht es so aus, als ob beide Ziele verfolgt würden, je nach dem, wer gerade vor dem Mikrofon steht.

    >Und diesbezüglich erscheinen mir als Nicht-Experte die verfügten Massnahmen sinnvoll.

    Und was ist die aktuelle Situation? Die Neuansteckungen bleiben etwa konstant, während die Big-Business-Parteien bereits wieder fordern, dass wir die Massnahmen zurücknehmen.

    Fakt ist, dass die aktuellen Massnahmen nicht weit genug gehen. Nachdem die Ausbreitung in der Schweiz innert kürzester Zeit ausser Kontrolle geriet, hätte man sofort harte Massnahmen ergreifen müssen. Dann hätten drei, vier Wochen gereicht, um die Zahlen wieder auf ein- bis zweistellige neue Fallzahlen pro Tag zu reduzieren. Stattdessen spazieren hier den ganzen Tag Familien der Suhre entlang, und Kinder spielen im Quartier mit ihren Freunden.

    Damit bin ich wieder bei meiner Frage: was genau ist das Endziel?

    >Doch nun droht die Corona-Welle auch dort

    Nur als Kontext, Japan ist ein Land mit etwa 130 Millionen Einwohner, und hat aktuell um die 200-300 neue Fälle jeden Tag, und das ist seit etwa einer Woche konstant. Die Schweiz hat 8.5 Millionen Einwohner, und jeden Tag etwa tausend neue Fälle. Und das, obwohl wir seit Wochen (angeblich) den ganzen Tag zu Hause stecken. Wenn das dein bestes Beispiel dafür ist, dass Massnahmen wie Masken nutzlos sind, dann akzeptiere ich hiermit meinen Oskar für «korrektestes Argument in einer ausländischen Produktion.»

    Aber nur um das auch ganz klar zu sagen: korrekte, schnelle Massnahmen bedeuten nicht, dass garantiert alles gut geht. Es bedeutet lediglich, dass eine vergleichsweise hohe Chance besteht, dass die Dinge glimpflich ausgehen. Weisst du, wie gross die Chance ist dass es gut ausgeht wenn man nicht korrekt und schnell reagiert? Etwa so gross wie die Chance, im Lotto zu gewinnen wenn man nicht mitspielt.

    >nicht zielführend, wenn 6 Millionen selbsternannte Experten „mitdiskutieren“
    >(…)
    >Zudem ist es ein Bedürfnis der Masse, in einer Krisensituation geführt zu werden.

    Das traurige an diesen Argumenten ist, dass du nicht der einzige bist, der sie macht, und dass viele Regierungen diese Einstellung ausnützen, um aktuell demokratische Institutionen zu zerstören. Wer weiss, vielleicht hast du recht, aber ich entscheide mich lieber dafür, daran zu glauben, dass die Menschen besser sind als du sie hier darstellst.

    >„Die Experte dort in Bern wissen schon, was zu tun ist“ ist sinnvoller, als wenn grossmehrheitlich der Eindruck wächst, die Regierung handle konzeptlos

    Ist das auch dann wahr, wenn die Regierung wirklich konzeptlos handelt?

    >Es steht dir und deinen Freuden sowie dem Rest der Bevölkerung übrigens frei, mögliche Szenarien zu diskutieren

    Danke dafür, ich war mir nach deinen vorherigen Kommentaren gerade nicht mehr sicher, ob du mir das immer noch erlaubst.

    >bringt es heute und morgen nichts, wenn wir mit dem Finger auf die Personen zeigen

    Erstens habe ich auf keine Personen gezeigt. Ich habe hier nur eine Person erwähnt, nämlich Koch, und den habe ich erst erwähnt nachdem du seinen Namen aufgeworfen hast. Und zweitens passieren die Fehler genau jetzt, in dieser Sekunde. Die gerade gültigen Massnahmen scheinen gemäss den aktuellen Zahlen nicht konsequent genug zu sein. Gleichzeitig stecken die Leute nun schon so lange in dieser Situation fest, dass es langsam wirklich unangenehm wird, und die Wirtschaftlichen Schäden werden mit jedem Tag grösser, so dass der Druck wächst, die Massnahmen zurückzunehmen.

    Das passiert *jetzt*. Weshalb sollen wir erst in zwei Monaten darüber reden? Vielleicht sind wir in zwei Monaten ja alle tot, und dann hätten wir diese Gelegenheit völlig verpasst, nochmals über Bern zu lästern!

  14. Dann ist das Ziel also, dass etwa gleich viele Leute krank werden wie wenn man nichts tut, einfach langsamer?

    Es sollen weniger Leute GLEICHZEITIG krank werden, damit die Spitäler die Anzahl Patienten bewältigen können. DASS Menschen krank werden, ist nicht (mehr) zu verhindern. Aber wenn sie nacheinander krank werden, haben wir eher die Chance, sie durchzukriegen, als wenn sie alle gleichzeitig in der IPS liegen. Zudem soll durch die Distanz- und Hygienemassnahmen die Ansteckrate gesenkt werden, um vulnerable Personen zu schützen. Je weniger Menschen den Virus tragen, umso geringer ist die Ausbreitung.

    Wir behalten diese Massnahmen also bei, bis ein Grossteil der Menschen in der Schweiz krank waren?

    Ausgehend von der Tatsache, dass gesunde Menschen unter 60 Jahren eher wenig zu befürchten haben, ist das Thema Herdenimmunität sicher auch noch auf der Liste. Es gibt da diesen Reiner Eichenberger, der, flankiert von Ärzten und Virologen, z.B. für eine kontrollierte Infizierung plädiert. Ich kann diese Idee nicht bewerten. Aber irgend etwas muss man tun, damit wir nicht solange im Lockdown bleiben müssen, bis ein funktionierender Impfstoff gefunden wurde.

    Die Neuansteckungen bleiben etwa konstant

    Das bedeutet, die Massnahmen scheinen den gewünschten Effekt zu erzielen.

    während die Big-Business-Parteien bereits wieder fordern, dass wir die Massnahmen zurücknehmen

    Diese Forderungen sind nachvollziehbar. Jetzt ist aber nicht der Zeitpunkt, in dem irgendwelche Parteien irgendwelche Forderungen stellen. Es wäre schlecht, wenn die gesundheitspolitischen Massnahmen durch Parteimeinungen beeinflusst werden.

    Vielleicht sind wir in zwei Monaten ja alle tot, und dann hätten wir diese Gelegenheit völlig verpasst, nochmals über Bern zu lästern!

    Ja, das wäre natürlich wirklich schade. Über Bern lästern gehört übrigens zu meinen liebsten Beschäftigungen.

    Aber im Ernst: Wieso schreibst du ständig, dass wir alle daran sterben werden? Sterben werden die, die ein geschwächtes Immunsystem haben sowie eine oder mehrere andere Krankheiten (Bluthockdruck, Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen, etc.) auch noch mit herumschleppen. Infektion bedeutet nicht Tod.

  15. >Es sollen weniger Leute GLEICHZEITIG krank werden

    Meine Frage ist, was das Endziel ist, nicht was das aktuelle Ziel ist. Ja, das aktuelle Ziel ist es, die Krankenhäuser nicht zu überfüllen. Aber was ist das Endziel?

    «Flattening the curve» ist nicht das Ziel, «flattening the curve» ist eine Notmassnahme, um den schlimmstmöglichen Ausgang zu verhindern. Das haben wir erreicht. Und jetzt?

    Ist das Ziel, die Zahlen weiter zu drücken, so dass wir zu Massnahmen wie Contact Tracing wechseln können? Das scheint aktuell nicht zu passieren, weil die Neuansteckungen konstant sind. Bei dieser Zahl Neuansteckungen müssen wir bei den aktuellen Massnahmen bleiben, wenn wir die Ausbreitung kontrollieren wollen.

    Oder ist das Ziel, kontrolliert mehr und mehr Leute in der Schweiz anzustecken, bis wir Herdenimmunität erreichen? Die Infektion ist so ansteckend, dass wir vermutlich 95% der Leute immunisieren müssten, um echte Herdenimmunität zu erreichen (i.e. es kommt zu keiner weiteren Ausbreitung, wenn wir einzelne Neuansteckungen haben). Aber sagen wir, 60% reichen. Bei aktuell täglich 1000 Neuansteckungen würde das weitere vierzehn Jahre im Lockdown bedeuten.

    Meine Vermutung ist, dass die Neuansteckungen in der nächsten Woche langsam fallen werden, wenn jetzt nicht alle plötzlich spazieren gehen und die Wirtschaftsparteien nicht die Massnahmen weiter lockern können. Aber bei der aktuellen Entwicklung wird es vermutlich auch im besten Fall noch sicher einen Monat gehen, bis die Neuansteckungen konstant in einem zweistelligen Bereich sind.

    >für eine kontrollierte Infizierung plädiert

    Das ist eine perverse Idee. Gemäss den aktuellen Zahlen ist die Mortalität für Leute unter 60 im Bereich eines halben Prozentes. Bei uns wird sie tiefer sein, sagen wir 0.2%. Etwa 70% der Schweitzer Bevölkerung ist unter 60 Jahre alt, was alleine vermutlich schon mal nicht für Herdenimmunität genügt, wir müssten also ältere Leute infizieren, um das zu erreichen. Aber seien wir grosszügig und sagen, dass 60% reichen, und dass wir auf magische Weise genau die 60% der Schweizer auswählen, die nur 0.2% Mortalität haben.

    Das sind 10’000 Menschen, die man mit diesem Ansatz umbringt.

    Und nur um das auch noch explizit zu sagen: die Parteien, die aktuell für die Lockerung der Massnahmen argumentieren, die argumentieren für diese 10’000 Toten.

    Und noch etwas: auch bei einer kontrollierten Ansteckung können wir nicht alle Leute gleichzeitig anstecken. Wie lange dauert es, bis wir fünf Millionen Menschen angesteckt haben? Und wie machen wir das genau?

    Der Plan ist absurd.

    >>Die Neuansteckungen bleiben etwa konstant
    >Das bedeutet, die Massnahmen scheinen den gewünschten Effekt zu erzielen.

    Nein, es bedeutet, dass wir im Lockdown festsitzen bis die Big-Business-Parteien der Schweiz die Massnahmen wieder lockern. Wir müssen uns für einen Ansatz entscheiden. Wir haben drei Optionen:

    1. Wir opfern 10’000 Leute (und vermutlich mehr), um Herdenimmunität zu erreichen
    2. Wir verschärfen die Massnahmen, und wechseln auf Contact Tracing
    3. Wir bleiben für längere Zeite im Lockdown

    Aktuell scheinen wir 3. gewählt zu haben, und die Folgen sind sichtbar. 1 ist meiner Meinung nach keine echte Option. Bleibt 2 als einzige Option.

    Eine mögliche Alternative wäre, grossflächig Masken zu verteilen, die Verhaltensregeln zu verschärfen, und den Lockdown dann zu lockern oder aufzuheben, aber ich bin mir nicht ganz sicher ob das genügend effektiv ist. Und wenn das das Ziel ist, dann müsste man aktuell darauf hin arbeiten.

    >Wieso schreibst du ständig, dass wir alle daran sterben werden?

    Das mit «wir sollten über Bern lästern bevor wir alle tot sind» war ein Witz. Wir werden nicht alle daran sterben. Aber die Realität ist, dass junge Menschen an diesem Virus sterben, und dass auch die Leute, die nicht sterben, oft extrem stark daran erkranken, und teilweise bleibende Gesundheitsschäden mitnehmen.

  16. Meine Frage ist, was das Endziel ist, nicht was das aktuelle Ziel ist. Ja, das aktuelle Ziel ist es, die Krankenhäuser nicht zu überfüllen. Aber was ist das Endziel?

    Ach so, sorry … falsch verstanden. Ich glaube, ein Endziel in dieser Lesart gibt es nicht. Normalzustand? Keine Ahnung. Hat überhaupt jemand auf dem Globus ein «Endziel» formuliert?

    Das sind 10’000 Menschen, die man mit diesem Ansatz umbringt.

    So wie ich ihn verstanden habe, will er die Ansteckung auf freiwilliger Basis und unter ärztlicher Kontrolle machen. Die Infizierten würden sich dann in Quarantäne begeben, die Kranheit ausseuchen und können nachher wieder regulär an die Arbeit. Ziel: Immune Arbeitnehmer schaffen. Das BAG findets übrigens auch doof.

    (…) die Big-Business-Parteien der Schweiz die Massnahmen wieder lockern

    Eine Lockerung jetzt wäre ein Fehler. Konnte man z.B. in China beobachten. Dort nahm die Infektionsrate nach der Lockerung wieder zu.

    Wir haben drei Optionen:

    Ehrlich gesagt gefallen mir alle drei Optionen nicht. Kannst du Option 2 in ein paar einfachen Sätzen erläutern?

  17. >Hat überhaupt jemand auf dem Globus ein „Endziel“ formuliert?

    Nein, alle Länder, die zuerst lange gewartet haben bis sie in einen Lockdown gezwungen wurden, stecken immer noch im Lockdown, ohne einen echten Plan für ein Ende.

    Nur China konnte den Lockdown in Wuhan wieder aufheben. Aber China hat auch viel drastischere Massnahmen ergriffen als alle Europäischen Länder, vielleicht abgesehen von Teilen Italiens, und deshalb nach relativ kurzer Zeit eine starke Reduktion der Infektionen erreicht.

    Ich denke, China ist ein Modell, wie man aus dem Lockdown rauskommt: sehr drastische Massnahmen für relativ kurze Zeit, damit die Neuansteckungen wirklich minimiert werden, und dann auf Massnahmen wie Maskenpflicht wechseln.

    Und jaja, ich weiss, man kann den Chinesischen Zahlen nicht trauen, aber die aktuellen Zahlen aus China sind konsistent mit Markern, die schwierig zu fälschen sind, z.B. Spitalauslastung. Und ein Land, welches kein Problem damit hat 50 Millionen Leute in Quarantäne zu stecken, wird wohl nicht plötzlich diese Massnahme aufgeben, ohne dass die Dinge besser geworden sind.

    >will er die Ansteckung auf freiwilliger Basis und unter ärztlicher Kontrolle machen

    Das kann nicht funktionieren. Sogar im besten Fall, wenn wir mit nur 60% Immunität eine starke Reduktion der Verbreitung erreichen, wären das immer noch 5 Millionen Menschen. Wie viele melden sich für sowas freiwillig? Vielleicht 100’000?

    Und dann hast du das nächste Problem: wie kannst du 100’000 Menschen quarantäniseren und ärztlich betreuen? Das geht ja gar nicht. Also müsstes du das gestaffelt machen. Sagen wir mal, du findest die Ressourcen, um 10’000 Personen gleichzeitig zu betreuen; das wäre vielleicht machbar. Bei zwei Woche Quarantäne dauert es 5 Monate, bis das durch ist.

    Und was hast du erreicht? Ein Prozent der Bevölkerung immunisiert.

    >Kannst du Option 2 in ein paar einfachen Sätzen erläutern?

    Im Prinzip wäre es ja ganz einfach: wenn alle drei Wochen zu Hause bleiben und keinen Kontakt mit überhaupt niemandem haben, dann ist das Problem gelöst. Das ist natürlich nicht möglich. Trotzdem gilt: je drastischer die Massnahmen, desto weniger lang sind sie notwendig.

    Ziel sollte sein, so wenig Neuansteckungen zu haben, dass sie nur mit Contact Tracing kontrolliert werden können. Das bedeutet in der Schweiz vermutlich etwa eine zweistellige Zahl Neuansteckungen pro Tag.

    Also müsste man etwas in der Art machen:

    1. Massnahmen verschärfen, so dass die Zahlen wirklich fallen, mit dem Ziel, den Lockdown möglichst kurz aufrecht erhalten zu müssen

    2. Staatliche Maskenproduktion beginnen, so dass nach Ende des Lockdowns Masken verteilt werden können. Die Masken müssen nicht perfekt sein, Studien zeigen dass sogar ein T-Shirt vor dem Gesicht die Ansteckungen messbar reduziert

    3. Tests herstellen und überall Drive-Through-Testing installieren, so dass grossflächiges Testing möglich wird, was erstens bessere Entscheidungen erlaubt und zweitens Contact Tracing ermöglicht. Die aktuelle Empfehlung ist, dass man zu Hause bleibt wenn man sich schlecht fühlt, aber das bedeutet dass diese Fälle nicht in den Statistiken auftauchen und es deshalb schwieriger wird, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen

    4. Sobald Zahlen für Neuansteckungen erreicht werden, wo Contact Tracing wieder möglich wird, den Lockdown aufheben, und durch alternative Massnahmen wie Maskenpflicht in der Öffentlichkeit ersetzen

  18. Ich denke, dass man Eichenbergers Modell inzwischen tatsächlich verwerfen kann. Die «wilde Immunisierung£» findet ja bereits statt. Von dem her und auch wenn wir deine Zahlen mit in die Betrachtung nehmen, dürfte das obsolet sein.

    Deine Option 2 scheint mir ein sinnvolles Modell zu sein, wenn entweder eine 2. Welle anrollt oder wenn die nächste Pandemie ausbricht. Ich glaube, die Taiwanesen haben sehr geschickt und vor allem auch sehr schnell in ähnlicher Weise gemacht, wie du das vorschlägst. Für die Zukunft glaube ich, dass das Vorgehen von Taiwan als Referenz verwendet werden kann.

    Die in der aktuellen Situation getroffenen, für die Schweiz auch sehr drastischen und einschränkenden Massnahmen haben in der Bevölkerung ein Bewusstsein geschaffen, dass künftig schneller und verschärfter reagiert werden kann. Das finde ich eine wichtige Voraussetzung.

  19. BTW, zum Thema «lügen»: «Kinder erkranken nicht und infizieren sich auch nicht. Sie sind wirklich keine Überträger des Virus.»

    Ich verstehe das einfach nicht.

  20. Ich denke, das ist die selbe Logik wie bei den Masken: die vorgetragenen «Fakten» sind ein Resultat der gewünschten Schlussfolgerung.

    1. Wir wollen, dass die Leute wieder arbeiten können
    2. Viele können nicht arbeiten, wenn sie zu Hause auf ihre Kinder aufpassen müssen
    3. Deshalb müssen die Kinder wieder in die Schule
    4. Deshalb muss es ungefährlich sein, wenn Kinder wieder in die Schule müssen
    5. Deshalb können sich Kinder nicht infizieren

    Koch’s Begründung dafür ist, dass Kinderspitäler nicht viele kranke Kinder sehen. Aber der wahrscheinlichste Grund dafür ist, dass Kinder keine starken Symptome haben, nicht dass sie sich nicht anstecken. Erste Daten vom CDC zeigen, dass angesteckte Kinder viel öfter als Erwachsene überhaupt keine Symptome zeigen. Das macht Kinder aber nicht sicherer, es macht sie eher gefährlicher.
    https://www.sciencealert.com/here-s-the-biggest-study-on-kids-and-covid-19-published-to-date

    Wie viele Eltern haben wohl das letzte Wochenende, nach Koch’s Aussage, ihre Kinder zu ihren Grosseltern geschickt, um sie endlich mal wieder loszuwerden?

    Nachdem die Neuerkrankungen in den letzten zwei Wochen stark gesunken sind, scheint sich dieser Trend nun langsam abzuflachen, obwohl noch keine Massnahmen aufgehoben wurden. Der Mobility-Report von Google zeigt, dass die Massnahmen eher weniger eingehalten werden als im letzten Monat (Besuche von öffentlichen Plätzen in der Schweiz haben seit Anfang April einen starken Aufwärtstrend).

    Zahlenmässig sind wir jetzt wieder auf dem Stand von Mitte März. Die Frage ist, ob wir die Zahlen weiter drücken können, oder ob’s jetzt wie Ende März wieder nach oben geht. Das wäre wohl das schlimmste Szenario, dann waren all die Massnahmen für nichts, und wir haben die Wirtschaft zerstört, ohne ein einziges Leben zu retten.

    Weil wir in der Schweiz keine Massnahmen wie Ausgehverbot haben, hängt viel von freiwilliger Einhaltung der Massnahmen ab. Deshalb sollte man mit der Kommunikation besonders vorsichtig sein.

  21. die vorgetragenen „Fakten“ sind ein Resultat der gewünschten Schlussfolgerung.

    Ein gewisser Druck bestand ganz sicher. Ich glaube aber nicht, dass dies massgeblich die Entscheidung beeinflusst hat.

    Aber der wahrscheinlichste Grund dafür ist, dass Kinder keine starken Symptome haben, nicht dass sie sich nicht anstecken.

    Richtig. Das BAG äusserte sich die letzte Zeit so, dass Kinder nicht die «Treiber» der Epidemie seien. Was das allerdings genau bedeutet, liess man offen. Auch keiner von den Journis an den PKs hat diesbezüglich mal richtig nachgehakt. Meine Interpretation war ja, dass a) Kinder selten krank werden und b) den Virus nicht gross weitergeben. Aber stimmt das?

    Wie viele Eltern haben wohl das letzte Wochenende, nach Koch’s Aussage, ihre Kinder zu ihren Grosseltern geschickt, um sie endlich mal wieder loszuwerden?

    Ich hoffe stark, dass genau das nicht passiert ist. Denn selbst wenn sie weniger anstecken würden, können sie es dennoch tun.

    Der Mobility-Report von Google zeigt, dass die Massnahmen eher weniger eingehalten werden als im letzten Monat

    Ich glaube, das ist dem schönen Wetter geschuldet. Relevanter als die Anzahl Menschen draussen ist jedoch ihr Verhalten. Gab es Gruppenbildungen oder Ansammlungen? Darüber kann Google keine Aussagen machen. Gemäss den Polizeikorps waren wenig bis keine solcher Verfehlungen zu verzeichnen. Man scheint Social Distancing auch draussen einzuhalten.

    Die Frage ist, ob wir die Zahlen weiter drücken können, oder ob’s jetzt wie Ende März wieder nach oben geht

    Richtig. Laut BAG müssen die Neuansteckungen auf ca. 100 pro Tag gesenkt werden, um wieder in ein Containment wechseln zu können.

    Weil wir in der Schweiz keine Massnahmen wie Ausgehverbot haben, hängt viel von freiwilliger Einhaltung der Massnahmen ab. Deshalb sollte man mit der Kommunikation besonders vorsichtig sein.

    Absolut richtig.

  22. “At the beginning of the pandemic, it was thought that children are not getting infected with the coronavirus, but now it is clear that the amount of infection in children is the same as in adults,” explains Andrew Pollard, professor of paediatric infection and immunity at the University of Oxford. “It’s just that when they do get the infection they get much milder symptoms.”
    https://www.bbc.com/future/article/20200330-coronavirus-are-children-immune-to-covid-19

    Since testing for the virus has been limited to this point, Moffitt believes that a majority of infections in children and teens are going undiagnosed.
    “Right now, testing is being prioritized for patients who meet criteria for high risk of more severe infection,” she said. “Since the large majority of pediatric patients have relatively mild infection and symptoms, most of them will not meet criteria for testing.”
    https://hms.harvard.edu/news/covid-19-children

  23. Gesamtschweizerisch sind die Neuansteckungen immer noch leicht am sinken, wenn auch weniger schnell als noch vor einer Woche. Aber im Kanton Luzern verbessern sich die Zahlen nun nicht mehr, obwohl noch keine Massnahmen gelockert wurden.

    Ich glaube, wir haben ein grosses Potential für einen absoluten Worst Case. Wir sind durch den Lockdown gegangen und haben die wirtschaftlichen Schäden verursacht, aber wir werden am Ende keinen Nutzen daraus ziehen. Wir werden nun die Massnahmen lockern ohne eine Alternative zu haben, die Zahlen werden wieder steigen, und am Ende werden wir ähnliche Ansteckungszahlen und Mortalität haben wie Schweden.

  24. Sieht wohl doch so aus als ob die Schweiz nichts aus der ersten Welle gelernt hätte.

    Wie gesagt:

    «Ich glaube, wir haben ein grosses Potential für einen absoluten Worst Case. Wir sind durch den Lockdown gegangen und haben die wirtschaftlichen Schäden verursacht, aber wir werden am Ende keinen Nutzen daraus ziehen. Wir werden nun die Massnahmen lockern ohne eine Alternative zu haben, die Zahlen werden wieder steigen, und am Ende werden wir ähnliche Ansteckungszahlen und Mortalität haben wie Schweden.»

    Wer weiss, vielleicht holen wir sogar die USA wieder auf, was unsere Todeszahlen angeht. Aktuell verhält sich der Bundesrat jedenfalls dümmer als Trump.

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