Schwulsein 2019

Nein, das wird nicht mein Coming-Out. 😉 Und eigentlich habe ich das GefĂŒhl, das Thema sei lĂ€ngst durch. Aber dann gibt es diese Momente, in denen ich mich tief ins letzte Jahrtausend zurĂŒckversetzt fĂŒhle. Welche Momente? Drei Beispiele:

  1. Die sogenannte Heiratsstrafe sollte per Abstimmung abgeschafft werden. So weit, so logisch. Nur hatte die CVP damals einen Passus in den Gesetzestext geschmuggelt, der die Ehe strikt zwischen Mann und Frau definierte. Darum verlor man die damalige Abstimmung. Nun wird sie eventuell wiederholt, weil die Informationen im AbstimmungsbĂŒchlein nicht korrekt waren. WĂŒrde sie in dieser Form dann angenommen, wĂ€re der Weg fĂŒr die lĂ€ngst fĂ€llige Ehe fĂŒr alle blockiert.
  2. Der Rahmen der Antirassismusstrafnorm soll weiter gefasst werden und kĂŒnftig auch sĂ€mtliche sexuelle Orientierungen schĂŒtzen. Generell kann man gegen dieses Gesetz sein, weil es die MeinungsĂ€usserungsfreiheit einschrĂ€nkt. In der Diskussion um die Erweiterung fĂ€llt aber auf, dass praktisch nur jene Parteien und Exponenten dagegen sind, denen Homosexuelle ein Dorn im Auge sind.
  3. Im Rahmen eines Promi-TV-Formats hat Sven Epiney «um die Hand seines Partners angehalten». (AnfĂŒhrungs- und Schlusszeichen, weil in der Schweiz eine Heirat aktuell nicht möglich ist) Der Hass dem das schwule Paar sich danach auf Social Media ausgesetzt sah, war laut Boulevardblatt Blick enorm.
  4. Ja, ich weiss, drei habe ich gesagt… Der Sultan von Brunei, der Schwule sogar steinigen lassen will, sei hier auch erwĂ€hnt. Es ist ziemlich offensichtlich, dass so etwas Wahnsinn ist.

How hard can it be? Können wir uns nicht auf wesentliche Probleme – wie zum Beispiel den Klimawandel – konzentrieren und die Menschen lieben lassen, wen sie eben lieben? Irgendwie ist es mir fast ein wenig peinlich, 2019 noch einen Beitrag darĂŒber schreiben zu «mĂŒssen».

Solange es (mindestens via Social-Media-Kommentare) einen Skandal auslöst, wenn ein Schwuler seinem Partner einen Antrag macht, so lange haben wir noch viel Arbeit vor uns. Und offenbar braucht es solche eigentlich ziemlich doofen Events, die uns als Gesellschaft nicht nur immer wieder zeigen, dass es HomosexualitĂ€t gibt, sondern auch, dass sie völlig «normal» ist. Schwule Lehrer «machen» ebensowenig schwule SchĂŒler, wie das Hören von George Michaels Faith schwul macht. Machen wir uns locker, akzeptieren die Vielfalt nicht nur, sondern geniessen sie. Bei letzterem sind vielleicht auch die Homosexuellen selbst angehalten, etwas offener zu werden. Nur wenn sie auch sichtbar sind, können sie jemals den angestrebten Status jener Belanglosigkeit erlangen, die jedes Heteropaar lĂ€ngst kennt. Zwei MĂ€nner schlendern hĂ€ndchenhaltend der Seepromenade entlang? So fucking what.

Schon beim Schreiben dieses Textes fĂ€llt mir auf, wie wenig VerstĂ€ndnis ich fĂŒr die negativen Einstellungen gegenĂŒber Homosexuellen habe. Mir ist es komplett egal, welche Frau mit welchem Mann ins Bett geht, warum sollte es mich dann stören, wenn es Frau und Frau oder Mann und Mann miteinander tun? Aus Erfahrung weiss ich, dass lesbische Frauen generell mit weniger Gegenwind zu kĂ€mpfen haben als schwule MĂ€nner. Und das wiederum liegt vor allem an uns MĂ€nnern. Nicht selten habe ich den Satz gehört «Schwule sind mir doch total egal, aber die sollen mich einfach nicht anmachen». Lange habe ich nicht gecheckt, warum das so ein Problem sein sollte. Irgendwann stellte ich fĂŒr mich dann aber die These auf, dass es von einer Spiegelung des jeweils eigenen Flirtverhaltens herkommen musste. Ja, wer selbst superflach flirtet und im Club seine HĂ€nde nicht bei sich behalten kann, der hat vielleicht etwas mehr «Angst» vor flirtenden Schwulen. Aber wessen Problem wĂ€re das denn, wenn diese These zutrifft? Eben.

 

PEACE

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