Tempo-140-Deppen machen Ernst

Ich habe ja schon im Februar geschrieben, weshalb die Forderung einer Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h auf den Schweizer Autobahnen keinen Sinn macht. Nun lancieren die Leute, die eine Erhöhung des Limits fordern eine Volksinitiative. Natürlich wird diese zustande kommen. Auf watson.ch wird berichtet, was Initiant Schläpfer an «Argumenten» aufführt. Ich habe mich ihnen mal angenommen:

Wenn es die Strassenverhältnisse zulassen, ist 140 auf jeden Fall verhältnismässig

Das ist natürlich falsch. Richtig ist: Wenn es die Strassenverältnisse zulassen, ist Tempo 371 auf jeden Fall verhältnismässig. Ich habe dafür die genau gleichen Berechnungen angestellt wie Schläpfer: Keine.

Studien, die darauf hinweisen, dass der Verkehr bei höherem Tempo weniger flüssig würde, hält Schläpfer für «ideologisch». Sie stammten von Leuten, die das Autofahren unattraktiv machen wollten, sagte Schläpfer.

Wir sind natürlich alle extrem froh, dass der Vorschlag das Tempolimit zu erhöhen keineswegs «ideologisch» ist. Auch gefällt mir die höchst wissenschaftliche Herangehensweise Schläpfers, Studien gar nicht erst widerlegen zu wollen, sondern einfach deren Erschaffer in ein schlechtes Licht zu rücken. So läuft man auch gar nicht erst Gefahr, etwas Falsches (etwa in Form anderslautender Studien) zu erzählen. Souverän.

Schläpfer ist überzeugt, dass es bei höherem Tempo nicht mehr Unfälle geben würde, «weil die Leute aufmerksamer sind»

Auch das ist selbstverständlich richtig. Ich sage aber: Wenn wir das Tempo auf 371 km/h erhöhen, wird es gar keine Unfälle mehr geben, weil die Leute dann aber sowas von konzentriert wären.

Unterstützung erhält Schläpfer auch von der Jungen SVP: Auch sie geht davon aus, dass die Unfallgefahr nicht grösser, der Verkehr aber flüssiger würde und es zu weniger Staus käme.«Das Beispiel Deutschland zeigt, dass es problemlos funktioniert», sagte JSVP-Präsident Anian Liebrand auf Anfrage.

Grundsätzlich sind Dinge, die die Junge SVP sagt natürlich sowieso 100% richtig. Hier liegt Herr Liebrand aber fast noch richtiger. Denn bekanntlich gibt es in Deutschland weder Unfälle noch Stau. Schade, dass die anderen Parteien nicht auch einmal ins Ausland schauen, wo man so Vieles besser macht als in der Schweiz.

5 Antworten auf „Tempo-140-Deppen machen Ernst“

  1. 371? Dann kann ich ja das Flugzeug im Hangar lassen und mit dem (wohl nicht mehr wirklich) billigeren Auto von A nach B fahren. Bis zur Grenze.

    Naja, aber ansonsten kann ich 140 auf Autobahnen schon was abgewinnen: 70 die eine und 70 die andere Seite!

  2. Studien, die darauf hinweisen, dass der Verkehr bei höherem Tempo weniger flüssig würde, hält Schläpfer für «ideologisch».

    Natürlich. Schliesslich ist ja allgemein bekannt, dass die Realität eine linke Ideologie hat. So hat sich die Realität dazu entschieden, den Bremsweg quadratisch mit der Geschwindigkeit steigen zu lassen, was dazu führt, dass Autos bei langsamen Tempi enger fahren können.

    Dazu ein kleines Rechnungsbeispiel (unter der Annahme einer Bremsverzögerung a von 8 m/s^2 und eines perfekten Fahrers, der eine Reaktionszeit von Null Sekunden hat). Der Bremsweg berechnet sich aus v^2/2a. Bei Tempo 30 (8.3 m/s) ist der Bremsweg also etwa 4.5 Meter, bei Tempo 120 (33.3 m/s) 70 Meter (das ist übrigens der Grund, weshalb man auf der Autobahn etwa zwei Sekunden Abstand zum nächsten Auto haben sollte: zwei Sekunden bei Tempo 120 entsprechen rund 70 Metern).

    Ein Abstand von 5 Metern bei Tempo 30 bedeutet, dass eine Strasse im Optimalfall eine Kapazität von etwas weniger als zwei Autos pro Sekunde hat (d.h. wenn man an einem beliebigen Ort misst, wie viele Autos vorbeifahren, sind das im Optimalfall zwei pro Sekunde). Auf der Autobahn kommt man dagegen auf gerade mal ein Auto alle zwei Sekunden, also eine vier mal tiefere Kapazität.

    Das ist der Grund, weshalb der Verkehr weniger flüssig wird, wenn man das Tempo erhöht: die Kapazität der Strasse nimmt ab. Wenn die selbe Anzahl Autos pro Sekunde in die Autobahn fährt, kommt es schneller zum Stau, wenn die Tempolimite höher ist. Im besten Fall (wenn man der einzige Fahrer auf der Strasse ist) kommt man zwar schneller an’s Ziel. Im normalen Alltag ist die Kapazität der Strasse aber viel schneller erreicht, und der Verkehr kommt in’s stocken.

    Um das herauszufinden, muss man nicht mal eine Studie lesen; es reicht schon, wenn man einfache Rechnungen ausführen kann.

  3. Ich sehe die Fahrzeugkoppelung von einer schwedischen Premiummarke als Ausweg: Durch Abstandskontrolle und Zusammenschluss mehrerer Fahrzeuge kann auch bei 120 eine Frequenz von >>1 Fz/s gefahren werden. Dies als Alternativlösung. Statt alle für die schlechte Reaktionszeit zu bestrafen und das Gesamtsystem zu verlangsamen, plädieren sie für die Überwindung des Reaktionszeitproblems 🙂

  4. Ja, sobald alle Autos komplett Computergesteuert sind, haben wir dieses Problem nicht mehr; dass den Initianten diese Lösung gefallen wird, ist vermutlich eher unwahrscheinlich 🙂

  5. Das gefällt auch mir nicht extrem, ist aber einer der wenigen sinnvollen Wege. Nur schon die Fordernung nach 140 zeigt ein bisschen, wie weit wir davon entfernt sind, dass so eine Idee mehrheitsfähig ist.

    Und LKM: Diese Leute rechnen nicht…

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