Der jüdische Humor ist immer auf Zinsen aus

Das ist also bei Freud sehr nah – ich entschuldige mich, aber ich sage das – an jüdischem Humor gibt es immer Zinsen, die jemand verdienen will. Der Jude macht auf Humor, um zu zeigen, dass er Jude ist und dass er Humor hat und dass er nahe bei Gott ist. Der Komiker nicht. Der Komiker will nicht gewinnen. Der Komiker ist Opfer. Der Komiker bleibt Opfer.

So wird der Komiker Massimo Rocchi auf NZZ online zitiert. Er sagte das im Rahmen einer Sendung von Sternstunde Philisophie auf SRF.

Massimo Rocchi ist ein intelligenter Typ, was man nicht zuletzt auch in dieser Sendung wieder spürt. Trotzdem hat er sich mit dieser Aussage ziemlich in die Nesseln gesetzt. In antisemitische Nesseln, wie ich finde. Nur schon, dass er sich zuvor dafür entschuldigt, deutet für mich darauf hin, dass er sich schon bewusst ist, was er da sagt. Der schweizer Satiriker Viktor Giacobbo findet, Rocchi habe zu einem heiklen Thema toll argumentiert. Noch dazu als Fremdsprachiger auf Deutsch.

Hat Rocchi das wirklich? Ich höre da lediglich, dass er Juden (zwar nur im Bereich Humor) pauschal unterstellt, immer auf Zinsen aus zu sein. Und dass abermals dieses uralte Vorurteil bedient wird, kann man doch durchaus als antisemitisch verstehen.

Aktuell läuft ja eine Debatte, weil sich nicht nur Rocchi, sondern auch Marco Rima und Berns Stadtpräsi Tschäppät mit dem Thema Rassismus konfrontiert sehen. Bei den anderen beiden liegt der Fall aber so, dass sie einfach miese Witze im Rahmen ihres Programm gemacht haben. Dadurch haben sich einige Leute offenbar so betroffen gefühlt, dass sie eine Anklage in Betracht zogen. Diesen Leuten wird nun Dünnhäutigkeit und Übersensibilität unterstellt. «Die sollen sich mal nicht so anstellen», lautet das gängige Credo. Ich würde Letzteren unterstellen, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie Opfer von Diskriminierung wurden.

So sieht das dann aus, wenn ich den Schriftsteller Roger Graf frage, ob er Rocchis Aussage als blossen «Blödsinn» bezeichnen würde. Die Antwort stammt allerdings nicht von Graf, sondern von Ralph Gloor, der die Diskussion durch seinen Input natürlich auf ein höheres Level hebt. 😉 Graf selbst hat übrigens bis jetzt noch gar nicht geantwortet.

Sicher kann man den Angegriffenen raten, einfach etwas mehr Coolness an den Tag zu legen. Wenn diese aber nur dafür da sein sollte, dass man sich diskriminierend über Minderheiten äussern darf, halte ich sie für falsch. In den letzten Tagen gingen viele Kommentare in Artikeln über eben dieses Thema in die Richtung, dass die Menschen viel zu empfindlich auf solche Äusserungen reagieren würden. Man dürfe ja gar nichts mehr sagen. Ich würde es eher so formulieren: Es ist toll, dass Minderheiten nicht mehr alles, was über sie so verbreitet wird, einfach hinnehmen, sondern auch sagen, dass das so nicht geht.

Denn was der eine als Spass verbreitet, kommt beim anderen als Halbwahrheit an, wird im Kopf zum Klischee, zum Vorurteil, zum Urteil, dass bei Gelegenheit Anwendung findet. Und wie gesagt: Alle, die den Opfern Dünnhäutigkeit vorwerfen, waren wahrscheinlich noch nie in jener Rolle.

(SRF Sternstunde Philosophie ab ca. 26 Minuten)

Die NZZ zum Thema.

5 Antworten auf „Der jüdische Humor ist immer auf Zinsen aus“

  1. Ich würde es eher so formulieren: Es ist toll, dass Minderheiten nicht mehr alles, was über sie so verbreitet wird, einfach hinnehmen, sondern auch sagen, dass das so nicht geht.

    Natürlich, wer wie Rocchi seine idiotische Meinung äussert, muss auch damit leben, dass andere dann ihre Meinung äussern, dass seine Meinung idiotisch ist. Das ist ja das schöne an der Meinungsäusserungsfreiheit: dieses Messer schneidet auf beiden Seiten. Wer zuerst Blödsinn erzählt, und sich danach darüber beschwert, dass andere ihm sagen, dass er Blödsinn erzählt hat, der hat überhaupt nichts verstanden.

    Das Problem beginnt dann, wenn man von Argumentieren zu Anklagen wechselt.

  2. Als grosser Verfechter der Meinungsäusserungsfreiheit beginnt für Dich das Problem natürlich da. Ich finde das ebenfalls problematisch.

    Aber: Findest Du es nicht ansatzweise heikel, dass Hass genau mit solchen Aussagen wie jenen von Rocchi so geschürt werden kann, dass er ausser Kontrolle gerät?

  3. Aber: Findest Du es nicht ansatzweise heikel, dass Hass genau mit solchen Aussagen wie jenen von Rocchi so geschürt werden kann, dass er ausser Kontrolle gerät?

    Nein. Am besten wäre es, wenn niemand Vorurteile gegenüber von Juden hätte. Wir leben aber in einem Land, in dem sehr viele Leute Vorurteile gegenüber von Juden haben. Diese Vorurteile bekämpft man, indem man erklärt, weshalb sie falsch sind. Nicht, indem man verbietet, darüber zu reden.

    Dass Rocchi eine derart dumme Aussage macht, ist schlecht, weil es Rassismus legitimiert. Deshalb ist es wichtig, dass sich Leute gegen Rocchis dumme Aussage wehren, und zeigen, dass dieses Verhalten nicht akzeptabel ist. Noch schlechter wäre es nämlich, wenn diese Diskussion überhaupt nicht stattfinden könnte, obwohl sie offensichtlich dringend notwendig ist.

    Wenn du sexistischen Schwachsinn auf deinem Blog veröffentlichst und ich dir sage, dass du ein Idiot bist, hast du daraus hoffentlich etwas gelernt. Und wenn nicht, dann wenigstens deine Leser. Und das ist gut.

    Oder möchtest du, dass Blog-Beiträge wie dein Parkhilfe-Beitrag verboten werden?

    Man bekämpft dämliche Argumente nicht, indem man sie verbietet, sondern indem man bessere Argumente bringt.

  4. Dann wäre es also die Aufgabe von Juri Steiner gewesen, Rocchi auf seinen Quatsch hinzuweisen, oder? Wer sollte denn «dem Volk» erklären, weshalb die Vorurteile falsch sind?

    Ich habe nirgends gesagt, dass ich irgendwas verbieten möchte, oder? Mich stört momentan nur, dass es keinen Weg zwischen absoluter Verharmlosung und Anzeige zu geben scheint. Wenn jemand antisemitische Aussagen, die wie von Rocchi wohl überlegt daherkommen, einfach so als Blödsinn abtut, dann stört mich das. Dass man, wenn man sich kritisch gegenüber solchen Aussagen äussert auch noch ausgelacht wird, das stört mich. Sollte nicht wenn schon jener ausgelacht werden, der die diskriminierenden Äusserungen macht?

    An der Park-Geschichte kannst Du mich noch ewig aufzuhängen versuchen, sie wird dadurch nicht besser und schon gar nicht sexistischer. 🙂 Es gab damals einen Post mit dem Titel «Männertraum» und wenig später jenen mit dem Titel «Frauentraum»… That’s it. Du kannst da weiter reininterpretieren, was Du willst.

  5. Dann wäre es also die Aufgabe von Juri Steiner gewesen, Rocchi auf seinen Quatsch hinzuweisen, oder?

    Ja.

    Wer sollte denn “dem Volk” erklären, weshalb die Vorurteile falsch sind?

    Ich nehme mal an, dass das Zitat nicht nur auf deinem Blog hier diskutiert wurde.

    Ich habe nirgends gesagt, dass ich irgendwas verbieten möchte, oder? Mich stört momentan nur, dass es keinen Weg zwischen absoluter Verharmlosung und Anzeige zu geben scheint. Wenn jemand antisemitische Aussagen, die wie von Rocchi wohl überlegt daherkommen, einfach so als Blödsinn abtut, dann stört mich das. Dass man, wenn man sich kritisch gegenüber solchen Aussagen äussert auch noch ausgelacht wird, das stört mich. Sollte nicht wenn schon jener ausgelacht werden, der die diskriminierenden Äusserungen macht?

    Ich bin mir nicht ganz sicher, was dein Punkt ist.

    An der Park-Geschichte kannst Du mich noch ewig aufzuhängen versuchen, sie wird dadurch nicht besser und schon gar nicht sexistischer.

    Das ist glücklicherweise keine Meinungsfrage. «Frauen können nicht parkieren» ist genau so sexistisch wie «Juden denken beim Humor immer an die Zinsen» rassistisch ist. Beide Aussagen sind stereotype Abwertungen von ganzen Bevölkerungsgruppen aufgrund von fragwürdigen Vorurteilen.

    Dass du das nicht kapierst, ist echt seltsam. Das geht mir ehrlich nicht in den Kopf.

    Es gab damals einen Post mit dem Titel “Männertraum” und wenig später jenen mit dem Titel “Frauentraum”

    Ah. Dann sagst du nun also, dass Rocchis Aussage völlig okay war, weil er nicht nur eine Aussage über Juden gemacht hat, sondern auch eine Aussage über Komiker?

    Eine dumme Aussage hebt die andere dumme Aussage auf?

    Es ist komplett egal, was Rocchi sonst noch über andere Leute gesagt hat, und was du sonst noch über andere Bevölkerungsgruppen geschrieben hast. Eine sexistische Aussage bleibt sexistisch, und eine rassistische Aussage bleibt rassistisch.

    Wenn ein Rassist auf seinem Blog einen Beitrag mit dem Titel «Weissentraum» macht und über Bratwurst schreibt, und später einen Beitrag mit dem Titel «Schwarzentraum» über eine Parkhilfe schreibt (weil Schwarze sind zu dumm zum parkieren, haha), dann ist das nicht rassistisch? Echt? Wirklich? Ist das dein Argument?

    Du kannst da weiter reininterpretieren, was Du willst.

    Und du kannst rationalisieren, so lange du willst.

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