Datenschutz nur Theater?

Irgendwie geht mir manchmal der Datenschutz zu weit.
Lieber Datenschutz

wenn Streetview von Google Gesichter abbildet werden Sie wütend. Wenn Partyfotografen öffentlich Fotos schiessen und publizieren ist es Ihnen egal. Auch an öffentlichen Veranstaltungen werden oft Fotos geknipst. Das lassen Sie dann durch! Wie steht es eigentlich mit all den Ferienfotos vor der Kappelbrücke auf Flickr? Ich will nicht wissen wie oft ich schon abgelichtet wurde.

Wenn Apple einen Fingerabdruckscanner einbaut, möchten Sie am liebsten Bäume ausreissen. Wenn es HP seit Jahren in allen Laptop einbaut stört das Sie überhaupt nicht.

Herr Datenschützer der Schweiz, jedes Glas, jeder Kugelschreiber hat einen Fingerabdruck irgendwo. So viel verratet dieser Fingerabdruck auch wieder nicht oder kennt man nachher unsere Grösse, Gewicht, Wohnort, Telefonnummer, Bankkontodaten, Vermögen,….?? Ich glaube nicht.
Jeder Bürger – und das sind nicht wenige – welcher einmal in den USA war ist schon mit seinem Fingerabdruck gespeichert. Inkl. meine Passdaten und die verraten ein bisschen mehr.

Also machen Sie bitte nicht so ein Theater.

Auch wenn sich der Autor ganz offensichtlich über den Datenschutz aufregt, werde ich hier seinen Namen mal nicht nennen, er ist mit mir auf Facebook befeundet. Sicher hat er nichts dagegen, dass ich den Text zitiere.

Grundsätzlich kann ich verstehen, dass die ganze Datenschutz-Geschichte manchmal etwas nervig sein kann. Ständig muss man irgendwo zustimmen, dass die persönlichen Daten zu irgendwelchen Zwecken verwendet werden dürfen. Würde man dies nicht tun, könnte man die Dienste nicht nutzen, was dann auch wieder doof wäre. Und wenn Apple einen Fingerabdruckscanner in sein iPhone einbaut, kommt der grosse Aufschrei aus der Datenschützerecke. Immerhin wird man in diesem Fall wohl wählen können, ob man das iPhone so oder «klassisch» mit PIN entsperren möchte.

Manch einer mag sich sagen: «Nehmt meine Daten ruhig, ich habe erstens nichts zu verbergen und bin zweitens überzeugt, dass man damit sowieso nichts anfangen kann.» Während Ersteres vielleicht sogar stimmen könnte, liegt man mit Zweiterem fast garantiert falsch. Es geht nicht zwingend darum, was man beispielsweise auf Facebook als Status postet. Eher wertvoll könnten aber Daten sein, die zeigen wo man sich aufhält und was man liked. Denn daraus lassen sich für die Werbeindustrie nutzbare Profile erstellen. Etwas pointierter ausgedrückt: Je mehr man über uns und unser Verhalten weiss, desto einfacher sind wir zu manipulieren.

Zu den Punkten aus dem Facebookpost:

Gesichter auf Google StreetView vs. Party- oder Ferienfotos, die online verfügbar sind

Bei Partyfotos von Portalen wie tillate und ähnlichen stimmt man der Verwendung derselben implizit oder explizit zu. Bei Google StreetView ist das nicht gegeben. Hätte jeder und jede Fotografierte zugestimmt, sähe das natürlich anders aus. Während die meisten Seiten nur lokal oder bestenfalls national tätig sind, ist Google ein globaler Player. Also werden die Daten auch global verwendet.

Fingerabdrucksensor auf Apple iPhone vs. HP Notebook

Das ist grundsätzlich tatsächlich dasselbe. Bei Apple ist man gegenüber HP halt kritischer, weil die Firma eine grosse Marktmacht bei den Endkunden hat. Schliesslich ist jedes iPhone fähig, via Micropayments im iTunes Store einzukaufen. Ausserdem haben viele Leute sogar ihr BackUp auf der Cloud von Apple gelagert. Also weiss Apple einige Dinge über uns User. Bei HP gibt es aus meiner Sicht keine solch grosse Menge an Daten von Endkunden. Mit dem Fingerabdruck kommen nun sogar biometrische Daten auf das iPhone, wobei Apple aktuell noch relativ deutlich sagt, dass diese auf dem Endgerät bleiben und gar nicht erst an das Unternehmen übermittelt werden. Eine gewisse Skepsis bleibt aber.

Fingerabdrücke auf anderen Dinge vs. Fingerabrdrücke auf dem iPhone

Naja, der Fingerabdruck auf einem Kugelschreiber ist zwar vorhanden, aber halt nicht in digitaler Form und schon gar nicht in einer Datenbank (, die es laut Apple aber auch gar nicht gibt). Er kann zunächst einmal keiner Person zugewiesen werden, während man beim iPhone nicht nur weiss, wem er gehört, sondern auch was diese Person beispielsweise für Musik hört. Die Daten auf dem iPhone sind also x-fach wertvoller. Bei der Einreise in die USA muss man tatsächlich die Fingerprints aufzeichnen lassen. Das findet man nicht nur wegen der verlorenen Zeit nicht besonders toll. Tatsächlich könnten diese Daten irgendwann irgendwie gegen einen verwendet werden. Aber weil Apple auch das Einkaufsverhalten der Person kennt, sind die Daten auf dem iPhone auch jenen der Einwanderungsbehörden der USA deutlich überlegen. (Immer vorausgesetzt, Apple hat entgegen eigener Darstellung doch Zugang zu den Fingerprints)

Das Theater um den Datenschutz ist also nicht ganz unbegründet, zumal ich hier wohl nur einen winzig kleinen Teil der möglichen Nutzungen der Daten erwähnt habe. Es kann nicht falsch sein, beispielsweise auf Facebook nur Freunde die eigenen Fotos anschauen zu lassen.

6 Antworten auf „Datenschutz nur Theater?“

  1. Es ist natürlich schön, dass [Anonym] nichts zu verbergen hat, und dazu auch noch 100%iges Vertrauen in den Staat und alle privaten Firmen.

    Aber wenn Amazon bei seinen Artikeln plötzlich 20% mehr verlangt, weil irgend in einer Datenbank steht, dass er mal eine Rolex gekauft hat und deshalb überflüssiges Geld besitzt, das findet er dann sicher auch nicht gut.

    Oder wenn er BET.com besucht, um seine Hiphop-News zu bekommen, und dann plötzlich das Hotel, in dem er ein Zimmer buchen wollte, aus mysteriösen Gründen voll belegt ist, weil irgend in einer Datenbank neben seiner e-Mail-Adresse steht, dass er womöglich dunkle Hautfarbe hat, dann schreibt er sicher keine dämlichen langen Facebook-Postings mehr.

    Oder wenn er bei der Einreise in die USA in die persönliche Befragungskammer kommt, weil irgendwo erfasst wurde, dass jemand mit dem selben Namen mal Geld an Wikileaks gespendet hat, dann ist das alles vielleicht plötzlich doch nicht ganz so lustig.

  2. Vor zig Jahren wurde ich Cumulus Mitglied, ich zeigte die Karte überall. Man könne dann zielgerichtet werben. Was ist passiert? Nix. Nie habe ich Werbung gekriegt, die genau auf meine Bedürfnisse passende Produkte anpries (dabei kaufe ich Woche für Woche dasselbe). Als ich stoppte, die Karte zu zeigen, geschah – nix. M ist nicht an mir interessiert.

    Bis also so niederträchtig und auf vagen Annahmen basierend «geschäftet» wird wie oben beschrieben, fließt noch viel Wasser die Aare runter. Zu groß die Menschenmasse, zu komplex das Datenmeer, zu klein der Nutzen. Das Hotel will mich nicht? Egal, drei andere daneben wollen mein Geld. Amazon will mich abzocken? Online Preisvergleiche decken es auf (und helfen ab). Die USA verhört mich? Ihr gehen gleichzeitig 100 andere «Übeltäter» in zig Facetten durch die Lappen.

    Ich glaube, das Datenmeer ist zu groß, um als einzelne Organisation gegen einen einzelnen Menschen etwas zu unternehmen. Böse Machenschaften fliegen auf. Der Masse sei Dank.

  3. Die Migros nutzt die Cumulus-Daten weniger (oder gar nicht) für personalisierte Werbung, sondern für Statistik- und Marketing-Zwecke. So können mit Cumulus Warenkorb-Analysen erstellt werden, die aussagen, welche Kundenprofile was für Produkte kaufen.

    Oder man nutzt die Daten bei der Planung von neuen Märkten. Gekoppelt mit Volkszählungsdaten vom Bundesamt für Statistik kann die Migros schon im Vorfeld überprüfen, ob an einem potentiell neuen Standort überhaupt ein Bedarf vorhanden ist, was für Einkommensschichten dort leben, wieviel Geld diese Haushalte pro Produktesparte ausgeben und wie sich diese Daten mit ihren eigenen Cumulus-Kunden decken.

  4. Bis also so niederträchtig und auf vagen Annahmen basierend “geschäftet” wird wie oben beschrieben, fließt noch viel Wasser die Aare runter.

    Meine oben beschriebenen Szenarien sind keine Zukunftsvisionen. All diese Dinge passieren heute.

    Zu groß die Menschenmasse, zu komplex das Datenmeer, zu klein der Nutzen.

    Meine Computer-Science-Masterarbeit an der ETH war zufälligerweise zu diesem Thema. Spezifisch ging es darum, grosse Datensätze nach «Outliers» zu durchsuchen, also Einträgen, die nicht dem typischen Muster entsprechen. Solche Systeme kann man einsetzen, um bei einer Datenbank-Migration Einträge zu finden, die in der neuen Datenbank womöglich Probleme verursachen. Man kann sie aber genau so gut verwenden, um «verdächtige» Leute zu finden, wobei «verdächtig» hier einfach bedeutet, dass sie sich anders verhalten als der Durchschnittsbürger.

    Das war vor zehn Jahren. Unterdessen sind diese Datamining-Systeme nur besser geworden. Je grösser die Datenmasse, desto besser funktionieren sie. Die Idee, dass man diese Systeme sabotieren kann, indem man zu viele Daten generiert, ist absolut lächerlich.

    Das Hotel will mich nicht? Egal, drei andere daneben wollen mein Geld.

    Und wenn die das selbe System verwenden?

    Amazon will mich abzocken? Online Preisvergleiche decken es auf (und helfen ab).

    Und wenn die das selbe System verwenden?

    Und was, wenn es nicht nur um Amazon geht?

    Die USA verhört mich? Ihr gehen gleichzeitig 100 andere “Übeltäter” in zig Facetten durch die Lappen.

    Und das ist für dich kein Problem?

    Ich glaube

    Genau. Das ist das Problem.

  5. As a result, companies are increasingly using personal identifying information collected online to shape the experience of their customers. But it’s not just for harmless personalization: big data is “being used for more and more precise forms of discrimination—a form of data redlining,” said Crawford.

    Redlining is an old practice that involves denial of service, or the offering of different services, at institutions like banks or healthcare companies based on a profile the customer might fit, such as if they are black or a woman or live in a low-income neighborhood.

    (…)

    Crawford cited some examples that fall to onto the barely-regulated end of the spectrum: a WebMD search about breast cancer plus a book you buy from Amazon about cancer survival, mixed with a few tablespoons of anonymization and a sprinkling of cross-referenced geographical/demographic data to negate that anonymization, yields you unable to get health insurance or approved for a loan. Why? Data indicates you might possibly be dead soon. It doesn’t matter so much that the breast cancer search and book were out of curiosity and generosity, respectively, for your dying great aunt who has never touched the Internet.

    Via Ars Technica.

  6. A privacy advocate on Wednesday told Congress that she had discovered that it was common practice for data brokers to sell the names of rape victims and HIV patients for about 7.9 cents each.
    (…)
    “Lists of rape sufferers, victims of domestic violence, police officers’ home addresses, people who suffer from genetic illnesses,” Dixon continued. “Complete with names, home addresses, ethnicity, gender and many other factors. This is what’s being sold and circulated today.”
    According to Dixon, the industry was now using “pseudo-scores” for credit decisions that were based on non-financial factors, allowing companies to circumvent the Fair Credit Reporting Act.

    Via The Raw Story.

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