Volkswahl des Bundesrates

Natürlich habe ich, das gebe ich gerne zu, schon einen eingebauten SVP-Vorlagen-Ablehnungs-Reflex. Aus meiner Warte kein Wunder, wenn ich sehe, was in den letzten Jahren von rechtsaussen so kam. Doch das war und ist keine sinnvolle Grundlage für die Entscheidung bei einer Abstimmung. Ausserdem klingt die Vorstellung, die Exekutive künftig selbst zu wählen doch recht spannend. Das Volk entscheidet, wer die Regierung bildet. Für lange Zeit habe ich mir darum gedacht, diese Frage mit Ja zu beantworten.

Doch nun bin ich doch gegen eine Volkswahl des Bundesrates. Weshalb?

Tradition alleine ist für mich das allerschwächste Argument. Die Volkswahl wurde in der Vergangenheit auf verschiedenen Ebenen von verschiedenen Gruppierungen gefordert und diskutiert. Im Endeffekt wurde sie immer abgelehnt. Dass man die Wahl der Mitglieder des Bundesrates durch das Palament beibehält, weil es halt schon immer so gemacht wurde, könnte also auch mit Blick auf vergangene Praxisänderungsversuche doch ein Argument sein. Einfach wie gesagt ein schwaches.

Wahlkampf ist ein Begriff, der in der Schweiz streng genommen ein Mauerblümchendasein fristet. Während man in Frankreich, Deutschland oder vor allem natürlich den USA regelrechte Touren der Kandidaten für die entsprechenden Ämter beobachten kann, gibt es derartiges bei uns nur bei kommunalen Wahlen, oder wenn es um Ständeratssitze geht. Könnten die 7 Mitglieder des Exekutivgremiums vom Volk gewählt werden, müssten die Aspirantinnen bestimmt grossen Aufwand betreiben, um bekannt zu werden. Bestehende Mitglieder des Bundesrates müssten neben ihrem Job ebenfalls Wahlkampf betreiben, um nicht abgewählt bzw. ersetzt zu werden. Ich finde, die Mitglieder des Bundesrates sollten aufgrund ihrer Kompetenzen und nicht aufgrund ihrer Versprechungen gewählt werden.

Das führt direkt zur Qualität der Entscheidungen des Bundesrates. Häufig wird sie mit Popularität verwechselt. Doch die Entscheidungen müssen so gefällt werden, dass sie dem Wohle des Landes dienlich sind. Leute, die sich gezielt für oder gegen etwas entscheiden, weil sie dadurch dem Volk gefallen wollen, bringen die Schweiz nicht weiter. Im Gegenteil. Es ist auch offensichtlich, dass neue Kandidatinnen einen Wettbewerbsvorteil hätten. Während bestehende Mitglieder auch unpopuläre Entscheidungen treffen müssen, können sie es bei reinen Versprechungen belassen.

Geld ist bestimmt schon heute ein entscheidender Faktor bei Personenwahlen. Die Bedeutung würde aber stark zunehmen, weil es um 7 Personen geht, die von der Bevölkerung der ganzen Schweiz zu wählen wären. Die potentielle Gefahr, dass durch eine medial überpräsente Kampagne jemand in den Bundesrat «gedrückt» werden könnte, würde im Gegensatz zur heutigen Praxis massiv steigen. Überraschungen wären keine mehr möglich.

Die Langsamkeit unseres politischen System hat mich oftmals frustiert. Inzwischen ist mir klar geworden, dass sie eine Qualität ist. Gründlichkeit, Besonnenheit, Genauigkeit, Vernunft sind Faktoren, die mit mehr Langsamkeit bei politischen Entscheidungen in der Tendenz ebenfalls eher zunehmen. Politisch einfach so aus einer Laune heraus etwas zu ändern, bringt langfristig wohl selten die erwünschten Folgen. Mit einer Volkswahl würden bestimmt die Wechsel im Bundesrat häufiger, spontaner und wahrscheinlich auch unüberlegter.

Die Pro-Kampagne hat «Dem Volk vertrauen» als Slogan. Das klingt gut und passt natürlich zu einer Demokratie. Dass ein Ja gleichzeitig auch «Dem Parlament misstrauen» bedeutet, blenden wir jetzt einmal aus. Tatsache ist, dass man bei Abstimmungen gesehen hat, dass das Volk nicht immer die besten Entscheidungen fällt. Der grosse Vorteil ist nur, dass die gefällten Entscheidungen durch ein Volks-Ja oder -Nein legitimiert werden. Legitim heisst aber nicht automatisch auch richtig. Das perfekte Beispiel für eine, sagen wir missglückte Entscheidung ist wohl die Zweitwohnungsinitiative. Ich wage zu behaupten, dass sie, käme sie jetzt nochmals zur Abstimmung, vom Volk abgelehnt würde.

Die Stimm- und Wahlbeteiligung ist jetzt schon tief. Es ist vorstellbar, dass sie durch zusätzliche Wahlen des Bundesrates noch weiter sinken würde. Fraglich bleibt natürlich, wie man sie erhöhen könnte.

2 Antworten auf „Volkswahl des Bundesrates“

  1. Auch wenn es zu spät ist (aber das spielt gar keine Rolle) – sehr gute Argumente, die ich übernehmen würde, hätte ich mein Nein irgendjemandem gegenüber verteidigen müssen (war aber letztens nie in kontroverse Diskussionen verwickelt). Danke dafür.

  2. Gerne.
    Ich war sehr überrascht vom deutlichen Resultat, auch wenn das von den Umfragen her schon in diese Richtung ging. Am Ende wollte wohl niemand noch mehr Wahlen… 😉

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