Sekte oder Kirche?

Dieser Tweet hat mich auf den verlinkten Artikel auf tagesanzeiger.ch gelenkt. Er dreht sich um den Jahresbericht von infoSekta. 2012 hat die Beratungsstelle für Sektenfragen 15% mehr Anfragen erhalten (jetzt 1696). Dabei ist auffällig, dass 41% aller Anfragen aus dem Kanton Zürich stammen.

Doch die Frage, die mich interessiert, dreht sich eher um die Definition. Was ist überhaupt eine Sekte? Und wann handelt es sich um eine Kirche? In Diskussionen in denen beispielsweise über die Zeugen Jehovas als schlimme Sekte geflucht wird, werfe ich gerne ein, dass die Christen einst als «jüdische Sekte» gestartet sind. Es heisst dann meistens, das sei doch etwas ganz anderes. Doch ist es wirklich so anders? Vielleicht helfen die Sektenmerkmale von infoSekta.

  • Struktur der Organisation: Gruppe mit straff hierarchischer und doktrinärer Struktur
  • Autoritäre Führung: Führergestalt mit prophetischen oder guruhafter Ansprüchen
  • Offenheit der Gruppe: Isolation und starke Abgrenzung der Gruppe nach aussen
  • Leistungen für die Gruppe: überteuerte Kursangebote oder Kosten für Lehrmaterial, Fronarbeit
  • Welt- und Menschenbild: Einteilung der Welt in Gut und Böse, Schwarz-Weiss-Denken
  • Absolutheitsanspruch: ausschliessender Glaube an die absolute Wahrheit des eigenen Systems, der eigenen Lehre, des eigenen Weges, der eigenen Methoden
  • Erlösungs- oder Heilsversprechen:  «Universalrezepte»  für sämtliche Probleme sowie irreale Machbarkeitsvorstellungen
  • Elitebewusstsein: Die Mitglieder der Gruppe verstehen sich als auserwählt, als spirituell weiterentwickelte Elite der Menschheit, als „Speerspitze“ des Wissens.
  • Endzeiterwartung: Gruppe erwartet Endzeit, Weltuntergang
  • Informationspolitik nach Aussen: keine offene Informationspolitik, irreführende Propaganda
  • Informationspolitik nach Innen: Selektion von Information bis hin zu bewusster Desinformation innerhalb der Gruppe
  • Umgang mit Kritik: Kritikverbot innerhalb der Gruppe; Bekämpfung von KritikerInnen ausserhalb
  • Milieukontrolle: Kontrolle und Überwachung aller Lebensbereiche
  • Rücksichtlose Methoden: getarnte oder irreführende Anwerbung, Indoktrination, Einsatz von bewusstseinsverändernden Methoden
  • Gedanken- und Gefühlskontrolle: durch Erzeugung eines schlechten Gewissens und von Angst wird das Mitglied manipuliert; durch exzessives Praktizieren von Entspannungstechniken und Meditation werden Gedanken und Gefühle kontrollierbar und manchmal sogar ein “innerer Führer” eingeführt, der das eigene Gewissen ersetzt

Eigentlich ganz interessant. Aber: Wenn ich die Liste mit der katholischen Kirche durchgehe, gibt es eigentlich nur wenige Punkte, die ich für sie eindeutig zurückweisen müsste. Somit ist die Unterscheidung zwischen den Begriffen Kirche und Sekte weiterhin unklar. Auch die Definition, die man bei Wikipedia findet, hilft nicht wirklich weiter. Ursprünglich sei der Begriff eine Wertneutrale Übersetzung des griechischen Hairesis. Der lateinische Begriff Secta wurde vom Verb sequi (folgen) abgeleitet. Und folgen tun ja eigentlich alle Angehörigen einer Glaubensrichtung auf irgendeine Weise irgendwem oder irgendwas. Am Ende scheint also einer der Kommentierenden des Tagi-Artikels Recht zu behalten:

Der Unterschied zwischen Sekte und Religion besteht in der Anzahl der Mitglieder.

Oder wie seht Ihr das?

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