sind ausländer krimineller?

pauschal gesagt: ja. aber: dahinter steckt deutlich mehr als nur ihre herkunft. dem tagi ist das ziemlich egal. einer boulevardzeitung gleich streut er frischfröhlich bekannte vorurteile in die welt hinaus. der artikel ist an oberflächlichkeit und ungenauigkeit kaum mehr zu überbieten. schade, von der einst so starken zweiten kraft in zürichs zeitungsandschaft hätte man mehr erwarten können. lkm hat dazu einen sehr guten artikel in seinem blog geschrieben. ich habe die studie von kilias überflogen, für mehr fehlt mir momentan etwas die zeit. aber lkms antwort auf den tagi-artikel möchte ich euch nicht vorenthalten:

Der Tagi hat sich mal wieder selbst übertroffen. In einem mit «Jugendliche mit Migrationshintergrund begehen doppelt so viele Gewaltdelikte» betitelten Artikel bestätigt er alle Vorurteile, die man als Schweizer so hat. Dabei bezieht er sich auf eine Studie vom Kriminologischen Institut der Universität Zürich, ohne aber darauf zu verlinken. Soweit ich das beurteilen kann ist die Quelle für die Tagi-Daten [diese Studie (PDF).|http://www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/alphabetisch/killias/forschung/JugenddelinquenzSG.pdf] Wer das PDF durchblättert findet einige interessante Fakten. Hier sind die primären Indikatoren für Jugendgewalt:

1. Geschlecht. Männliche Jugendliche verursachen drei mal mehr Körperverletzungen als weibliche Jugendliche.

2. Schultyp. Realschüler verursachen drei mal mehr Körperverletzungen als Gymnasialschüler.

3. Repetieren einer Schulklasse. Wer eine Schulklasse repetieren muss verursacht beinahe doppelt so viele Körperverletzungen.

4. Emotionale Bindung zur Schule. Wer nicht gerne zur Schule geht verursacht mehr als doppelt so viele Körperverletzungen; wer die Schule im letzten Jahr mindestens einen Tag geschwänzt hat verursacht beinahe drei mal mehr Körperverletzungen.

5. Elterliche Kontrolle. Kinder mit schwacher elterlicher Kontrolle verursachen mehr als doppelt so viele Körperverletzungen. Wer im letzten Jahr ohne elterliche Erlaubnis wenigstens eine Nacht von zu Hause weggeblieben ist verursacht mehr als drei mal mehr Körperverletzungen. Wer mehr Zeit mit den Eltern verbringt verursacht weniger Körperverletzungen. Die Familienzusammensetzung (ungeschiedene Eltern = besser) ist ebenfalls ein Indikator, wenn auch ein weniger starker. Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Familienzusammensetzung und der Kontrolle, die von den Eltern ausgeübt werden kann.

6. Nachbarschaft. Wer in einer «problematischen» Nachbarschaft lebt verursacht beinahe drei mal mehr Körperverletzungen.

7. Alkoholkonsum. Wer mindestens ein mal pro Woche Alkohol konsumiert verursacht beinahe drei mal mehr Körperverletzungen. Das selbe Resultat bei Cannabis; bei harten Drogen werden beinahe vier mal so viele Körperverletzungen verursacht.

8. Gangzugehörigkeit. Wer zu einer Gang gehört verursacht mehr als vier mal so viele Körperverletzungen.

9. Ausgehverhalten. Wer öfters in den Ausgang geht verursacht etwa drei mal mehr Körperverletzungen.

10. Migrationshintergrund. Wer einen Migrationshintergrund hat verursacht doppelt so viele Körperverletzungen.

Der Migrationshintergrund ist einer der weniger starken Indikatoren in der Studie, und korreliert zudem extrem stark mit anderen Indikatoren. Menschen mit Migrationshintergrund haben oft arbeitslose Väter, sie haben Eltern mit tiefen Einkommen, sie haben Eltern die wenig Kontrolle ausüben können, sie werden wegen Sprachproblemen in tiefere Schullevels eingeteilt, und sie wohnen in problematischen Nachbarschaften.

Das Problem ist nicht der Migrationshintergrund per se, sondern die damit verbundenen Faktoren. Wer das Problem lösen will kann sich nicht auf den Migrationshintergrund konzentrieren, sondern muss die anderen Probleme beheben – das bringt schlussendlich auch Menschen ohne Migrationshintergrund etwas, weil sie unter den selben Problemen leiden.

Trotzdem ist der Migrationshintergrund der einzige vom Tagi erwähnte Faktor.

Bravo, Tagi.

tatsächlich, bravo tagi. meine abo-kündigung ging zwar schon aufgrund der kündigungswelle in der nahostberichterstattung raus, aber das hier wäre wieder ein kündigungsgrund gewesen. wer so oberflächlichen crap schreibt, sollte den titel vielleicht links oben auf rotem grund tragen… naja, ist ja nicht so weit vom tagi-hauptquartier bis an die dufourstrasse.

übrigens gibt es natürlich auch leute, für die der artikel im tagesanzeiger regelrecht wasser auf bereits laufende mühlen war. von ihnen werden dann klärende worte wie die von lkm als linke augenwischerei abgetan. ich halte es eher für populistische rechte augenwischerei, einfach einen grossteil einer studie gar nicht erst zu interpretieren.

27 Antworten auf „sind ausländer krimineller?“

  1. Nebenbei…
    Die Korrelation zwischen Migrationshintergrund und Gewalttätigkeit ist übrigens ungleich grösser als die (in den meisten Studien nicht messbare) Korrelation zwischen Videospielen und Gewalttätigkeit.

    Alexander Limacher bezeichnet meinen Beitrag zum Migrationshintergrund als «Augenwischerei» und schreibt eine faktenfreie, beleidigende Antwort darauf.

    Du bezeichnest den Artikel zu Videospielen als «komödienreif» und «nicht neutral» und schreibst eine faktenfreie Antwort darauf (die du lustigerweise gleich selber als «wirr» bezeichnest – scheinbar war dir irgendwie trotz allem auch klar, dass du kein kohärentes Argument gemacht, sondern lediglich deine eigene Meinung rationalisiert hast).

    Ihr habt beide vorgefasste Meinungen, die man durch Fakten nicht beeinflussen kann; ihr verwendet Fakten höchstens, um eure Meinung weiter zu rationalisieren; unpassende Fakten werden ausgeblendet oder diskreditiert.

    Vielleicht hilft dir das dabei, Alexander’s Verhalten besser zu verstehen; eine öffentlich geäusserte Meinung ist oft stärker als alle Fakten der Welt, und kein Argument kann jemanden dazu bringen, seine wichtigsten Überzeugungen zu überdenken 🙂

    Just sayin›.

  2. Zur Studie
    Es wäre einfach gewesen diese Zahlen weiter auszuwerten. Beispielsweise hätte mich interessiert, wie der Unterschied zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund aussieht wenn man nur Jugendliche betrachtet, die in «problematischen» Nachbarschaften wohnen und das Realschullevel besuchen. Dass die Studie diese einfachen und nützlichen zusätzlichen Auswertungen nicht gemacht hat ist ziemlich unprofessionell und unüberlegt.

  3. Ich bin auch kein Freund des Tagi mehr. auch, weil die Beiträge immer oberflächlicher werden. Zbsp. die dauernde Kritk gegen die SBB, meistenst mit falschen aufgestellten Thesen.
    Zum Themna Ausländerkriminalität. Der Tagi hat wirklich nur Punkt 10 als Basis für den Bericht genommen.
    Ich muss baer sagen, das diese Studie nur von der Problemen der Ausländerkriminalität ablenken will. Punkt 10 kommt am Meisten zu tragen und somit ist es ein Fakt, dass Ausländer ob mit oder ohen Migrationshintergrund mehr kriminelle Taten verüben. Man schaut sich blos mal die besetzung unseren Gefängnisse an. Fakt ist auch, dass bei der Jugendkriminalität es meistend um Ausländer mit Migrationshintergrund handelt. Das erlebe ich im eignen Dorf. Übrigend mit 48 % Ausländeranteil.

  4. games
    möglich, dass Du da recht hast.

    nur halte ich diesen migrantenkinder-sind-gefährlich-artikel für viel gefährlicher als alles, was über killergames geschrieben wurde. weil er in der bevölkerung hass schürt, anstatt für lösungen zu plädieren. gerade weil die studie ja recht umfangreich wäre, wäre es ein leichtes gewesen, gewisse politikempfehlungen daraus abzuleiten.

  5. ablenken?
    Ich muss baer sagen, das diese Studie nur von der Problemen der Ausländerkriminalität ablenken will.
    das musst Du erklären. verstehe ich überhaupt nicht.

    Punkt 10 kommt am Meisten zu tragen und somit ist es ein Fakt, dass Ausländer ob mit oder ohen Migrationshintergrund mehr kriminelle Taten verüben.

    was meinst Du mit «kommt am meisten zu tragen»? übrigens streitet niemand hier ab, dass ausländer tendenziell mehr delikte verüben. nur ist der kausale zusammenhang aus meiner sicht nicht so simpel. anders gesagt: sie verüben keine delikteweil sie ausländer sind.

  6. incoherency
    @dani:
    > Ich muss baer sagen, das diese Studie nur von der Problemen der Ausländerkriminalität ablenken will.
    Die Studie «will» nichts. Sie enthält eine Reihe von Fakten, die man interpretieren kann. Dass du der Studie einen Willen unterstellst verrät mehr über dich als über die Studie 🙂

    > Punkt 10 kommt am Meisten zu tragen
    Falsch. Migrationshintergrund korreliert schwächer mit Gewalttätigkeit als viele andere Punkte auf der Liste.

    Ich verstehe nicht ganz, wie du so eindeutige Aussagen machen kannst, ohne irgendwelche Beweise für deine Behauptungen zu haben. Ich vermute, du verwechselst ganz einfach die Realität mit deiner Meinung. Dass du etwas glaubst bedeutet nicht, dass dein Glaube auch wahr ist. Die Realität und deine Meinung sind hier im Widerspruch. Die Realität wird sich deiner Meinung aber nicht anpassen, also empfehle ich, dass du stattdessen deine Meinung der Realität anpasst 🙂

    > und somit ist es ein Fakt, dass Ausländer ob mit oder ohen Migrationshintergrund mehr kriminelle Taten verüben.
    Ah. Ich vermute, die Nomenklatur ist dir nicht bekannt? Ausländer sind Leute, die nicht Schweizer sind. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind in der Schweiz wohnende Ausländer oder Schweizer, die innert der letzten drei Generationen aus dem Ausland in die Schweiz gezogen sind. Da wir hier nur Menschen in der Schweiz betrachten sprechen wir von «Menschen mit Migrationshintergrund».

    Es gibt in diesem Kontext keine «Ausländer ohne Migrationshintergrund.» Dein Satz ist also etwas seltsam.

    > Man schaut sich blos mal die besetzung unseren Gefängnisse an.
    Niemand bestreitet, dass es eine Korrelation zwischen Migrationshintergrund und Kriminalität gibt. Die Frage ist, ob der Migrationshintergrund der primäre Auslöser für die Kriminalität ist, oder ob er andere Faktoren verursacht, die ihrerseits die Kriminalität verursachen.

    Darüber diskutieren wir, nicht über die Frage, ob Jugendliche mit Migrationshintergrund mehr kriminell sind. Diese Frage wurde bereits beantwortet.

    > Fakt ist auch, dass bei der Jugendkriminalität es meistend um Ausländer mit Migrationshintergrund handelt.
    Das ist kein Fakt, im Gegenteil. Du verwechselst hier ein paar Dinge. Jugendliche mit Migrationshintergrund sind öfters kriminell als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Umgekehrt geht die Logik aber nicht; es folgt nicht logisch, dass jugendliche Kriminelle meistens einen Migrationshintergrund haben. Grund dafür ist, dass es weniger Jugendliche mit Migrationshintergrund gibt als Jugendliche ohne Migrationshintergrund.

    >Das erlebe ich im eignen Dorf.
    Du erlebst was immer du erwartest. Deshalb haben wir Statistiken zu diesen Dingen und fragen nicht irgendwelche Leute nach ihren Erlebnissen. In meinem Dorf ist der Anteil der Kriminellen mit Migrationshintergrund genau 0%, aber deswegen behaupte ich nicht dass meine Erfahrung der Realität entspricht.

    @amade:
    > nur halte ich diesen migrantenkinder-sind-gefährlich-artikel für viel gefährlicher als alles, was über killergames geschrieben wurde.
    Ob es gefährlich ist oder nicht sollte ja egal sein, solange es wahr ist. Ausserdem finde ich es lustig, dass man «potentielel körperverletzung» und «verlust der demokratischen grundrechte» einfach so gegeneinander abwägen kann; beides scheint mir eine negative entwicklung zu sein 🙂

    >gerade weil die studie ja recht umfangreich wäre, wäre es ein leichtes gewesen, gewisse politikempfehlungen daraus abzuleiten.
    einverstanden.

  7. folgen
    Ausserdem finde ich es lustig, dass man «potentielle körperverletzung» und «verlust der demokratischen grundrechte» einfach so gegeneinander abwägen kann; beides scheint mir eine negative entwicklung zu sein 🙂
    da hast Du bestimmt recht. aber das war nicht das, was ich meinte. ich spreche von den folgen für die gamer bzw. eben für die «migrantenkinder». wenn man aufgrund eines solchen artikels hinter jedem ausländer einen gewalttäter vermutet, fällt das sehr stark auf diese leute zurück. indirekt übrigens auch auf mich.

  8. ausschaffen
    es geht nicht um «migrationshintergrund». es geht nicht um ausländer – ist sowieso sehr schwammig geworden, was ein schweizer ist – es geht um kulturfremde – jene, die sich einer anderen kultur verbunden fühlen und jene, wenn man ausschliesslich von ihnen umgeben ist, sich der heimat beraubt fühlt, bzw. meint, man sei in den ferien. das können ja auch «schweizer» sein…

    und gewalttätige scheidungskinder in problemvierteln, welche die real besuchen: egal was für ein pass, egal was für eine kultur diese haben: ich will so oder so nichts mit denen zu tun haben. doch nur die einen könnte man ausschaffen und sich damit vom problem verabschieden. hier sind noch ein paar kreative lösungen gefragt…

    und logo: tagi abbestellen – oder noch besser, nie bestellt haben – sage ich doch auch schon seit ein paar jahren, nicht? 🙂

  9. also
    > ist sowieso sehr schwammig geworden, was ein schweizer ist
    Nein, das ist nicht schwammig.

    > es geht nicht um «migrationshintergrund» (…) das können ja auch «schweizer» sein…
    Mit «Kulturfremd» meinst du also Leute, die nichtdeinerVorstellung von einem Schweizer entsprechen. Das ist okay, aber dann musst du akzeptieren dass du selber in den Augen von vielen Schweizern auch kulturfremd bist. Vielleicht solltest du die Konsequenzen daraus ziehen und dich selber ausschaffen 😛

    >und gewalttätige scheidungskinder in problemvierteln, welche die real besuchen: egal was für ein pass, egal was für eine kultur diese haben: ich will so oder so nichts mit denen zu tun haben.
    Die Frage ist nicht, was du mit ihnen zu tun haben willst, sondern wie das Problem gelöst werden kann. Ausschaffung ist in den allermeisten Fällen nicht möglich und wird es nie möglich sein; diese Diskussion erübrigt sich damit. Ergo bleibt als Lösung dass man dietatsächlichen primären Auslöser von Jugendgewalt angeht. Weshalb gibt es «problematische Nachbarschaften», welche die Jugendlichen die dort wohnen kriminell machen, und was kann man gegen solche Nachbarschaften tun? Weshalb gibt es Jugendliche, die von der Schule frustriert sind? Wie kann man das Schulsystem verändern so dass auch Besucher der Realschule davon profitieren?

    Wenn man die tatsächlichen Probleme angeht löst man sie nicht nur für die «Ausländer», sondern auch für die Schweizer, und dagegen sollte niemand etwas haben.

  10. tagi
    und logo: tagi abbestellen – oder noch besser, nie bestellt haben – sage ich doch auch schon seit ein paar jahren, nicht? 🙂
    jaja, hardman. deshalb habe ich jetzt die schweizerzeit mit der weltwoche im doppelabo und winkelried ist meine browserhomepage. zufrieden?

    Deine intoleranz und arroganz ist gänzlich unschweizerisch, raus mit Dir, hardman. 🙂

  11. empathie
    Insbesondere die Aussagen vom Limi-Blog haben mich an Studien zum Unterschied zwischen Menschen mit «linker» und «rechter» politischer Einstellung erinnert, beispielsweise diese Studie aus dem letzten Jahr:

    > Conservatives (…) tended to depict authority figures as strict enforcers of moral rules and to identify lessons in self-discipline. By contrast, liberals were more likely to identify lessons learned regarding empathy and openness

    und

    > Conservatives emphasized moral intuitions regarding respect for social hierarchy, allegiance to in-groups, and the purity or sanctity of the self, whereas liberals invested more significance in moral intuitions regarding harm and fairness.

    Zwischen «Linken» und «Rechten» gibt es einen ganz grundlegenden Unterschied. Die beiden Gruppen leben in verschiedenen Welten und nehmen ihre Umwelt völlig unterschiedlich wahr. Leute die der Schreiber vom Limi-Blog scheinen ein viel schwächeres Fairness- und Empathie-Gefühl zu haben als Leute, die politisch eher links stehen.

    Diese Theorie ist völlig konsistent mit seinen Aussagen; zum Thema Asylwesen ist seine Antwort beispielsweise, dass die Schweiz nicht für alle Länder der Welt verantwortlich sein kann. Während wir das Asylwesen mit Menschen assoziieren die in ihrem Heimatland ermordet werden könnten, denkt er abstrakt an Länder und an die paar Franken, die ihn das Asylwesen persönlich kostet.

    Hardmans Aussagen sind analog dazu. Er spricht nicht von Menschen, sondern abstrakt vom «Problem»:

    > ausschaffen und sich damit vom problem verabschieden

    Allenfalls sprechen rechte Politiker ab und zu von «Personengruppen», aber menschlicher als das wirds nie. Die eigenen Steuern sind für Leute die politisch rechts stehen anscheinend viel realer als das Leben eines Menschen der nicht im unmittelbaren sozialen Umfeld existiert.

    Damit stellt sich die Frage ob es überhaupt nützlich ist diese Themen zu diskutieren. Diskussion führt unter diesen Vorzeichen nur dazu, dass alle ihre bereits vorher eingenommenen Standpunkte noch weiter verfestigen.

  12. politik und abstraktion
    politik ist ein massengeschäft (polis = stadt oder gemeinschaft). deshalb scheint es mir nicht so abwegig, für das finden politischer lösungen vom einzelfall zu abstrahieren. wer sich zu sehr am einzelfall orientiert, wird nie eine für alle stimmige lösung finden.

    nach meiner erfahrung sind rechte auf der persönlichen ebene nicht weniger menschlich oder empathisch als linke. sie können schlicht die rolle besser wechseln und in politischen dingen abstrakter denken.

  13. demokratie
    mag sein, das politik von polis kommt. aber demokratie hat mit demos das volk in sich, das wiederum aus individuen besteht. man könnte also damit genausogut 180° anders argumentieren.

    ich glaube nicht, dass man über jeden einzelfall eine stimmige lösung finden kann, aber das ziel der politik muss im endeffekt genau das sein. wer von anfang an mit gewissem kollateralschaden rechnet, landet schnell bei der politik der mehrheit. gerade der minderheitenschutz ist aber eine der ganz grossen stärken der schweiz.

    und lkm wird Dir dann sowieso noch sagen, dass das mit der empathie und der gesinnung nichts mit glauben, sondern mit studien zu tun hat. 🙂

  14. studien und abstraktion
    >demokratie hat mit demos das volk in sich, das wiederum aus individuen besteht
    die gemeinschaft besteht ja auch aus individuen, mehr als um 1° hast du die argumentation damit nicht gekehrt. das volk ist ebenfalls eine masse, in der sich das individuum kaum noch erkennen lässt.

    >nichts mit glauben, sondern mit studien zu tun hat.
    dann argumentiert ihr ja auch mit abstrakten aggregationen (studien) und nicht mit einzelfällen (mein glaube)! ich finde das durchaus richtig, nur sehe ich nicht, wo bei einer studie das individuum bleibt. der sinn von studien ist ja gerade, vom einzelfall zu abstrahieren, um allgemeingültige aussagen zu erhalten.

  15. Empathie & Demokratie
    > deshalb scheint es mir nicht so abwegig, für das finden politischer lösungen vom einzelfall zu abstrahieren
    Das ist nicht der Punkt. Niemand spricht von Einzelfällen. Ich habe darüber geschrieben wie «Linke» und «Rechte» Empathie empfinden; das ist Empathie für ein abstraktes Konzept («die Asylempfänger»), nicht für Einzelfälle («der Heiri»).

    Aber wir können schon von Einzelfällen sprechen: jeder Fall ist ein Einzelfall. Wer Einzelfälle ausschliesst, der kommt in jedem Fall zum falschen Schluss weil er die Realität ausschliesst. Und da hast du schon recht, genau das tun viele «Rechte». Sie denken nicht darüber nach was ihre Entscheidungen in der Realität für Folgen haben, solange diese Realität nicht unmittelbar etwas mit ihnen zu tun hat. «Rechte» denken tendenziell nur anihre Situation, nicht an die Situation von anderen Menschen. Diese ist aber nicht weniger real als die eigene Situation, womit wir wieder bei der Empathie wären.

    > nach meiner erfahrung sind rechte auf der persönlichen ebene nicht weniger menschlich oder empathisch als linke.
    Nach meiner Erfahrung sind deine Erfahrungen immer falsch 😛 Die eigene Erfahrung ist nie objektiv und selten ein nützliches Argument.

    Aber ernsthaft, das ist erneut nicht der Punkt. Wir sprechen hier explizit nicht von einer empathischen Reaktion auf Menschen im unmittelbaren sozialen Umfeld.

    > sie können schlicht die rolle besser wechseln und in politischen dingen abstrakter denken.
    Das Gegenteil ist der Fall. das «rechte Hirn» kann die Rolle eben nicht wechseln und sich nicht in die Situationen von Menschen hineindenken, die nicht im unmittelbaren sozialen Umfeld existieren.

    Tatsächlich zeigen andere Studien, dass das «linke Hirn» besser die Rollen wechseln kann:

    >Analyzing the data, Sulloway said liberals were 4.9 times as likely as conservatives to show activity in the brain circuits that deal with conflicts, and 2.2 times as likely to score in the top half of the distribution for accuracy.
    >(…)
    >Based on the results, he said, liberals could be expected to more readily accept new social, scientific or religious ideas.

    «Rechte» sind eher versteift in ihrer Haltung, während «Linke» eher für neue Ideen offen sind und bereit sind, neue Rollen zu akzeptieren. «Rechte» haben gewisse hirntechnische Ähnlichkeiten mit Soziopathen: weniger starkes Empathiegefühl, starker Egoismus, starke Assoziation von Erfolg mit dem persönlichen Wohlergehen, religiöse Gefühle, starke Rückführung von Erfolg auf das eigene Verhalten und nicht auf soziale Umstände, Probleme damit neue Ideen zu akzeptieren. Wissenschaftlich gesehen ist eine rechte politische Gesinnung eine leichte (oder je nach stärke der Gesinnung auch schwere) psychische Störung 😉

    Nachdem ich diese Behauptung mit Studien belegt habe kannst du mir nun sicher sagen, welche Studien deine Behauptung im Bezug auf die bessere Abstraktionsfähigkeit von «Rechten» belegt 😛

    > ich glaube nicht, dass man über jeden einzelfall eine stimmige lösung finden kann, aber das ziel der politik muss im endeffekt genau das sein.
    Politik wird niemals alle zufrieden stellen. Ziel muss sein, dass alle etwa gleich unzufrieden sind. Das Problem ist, dass «Linke» damit besser umgehen können als «Rechte».

  16. heiri und die asylanten
    >Niemand spricht von Einzelfällen. Ich habe darüber geschrieben wie «Linke» und «Rechte» Empathie empfinden; das ist Empathie für ein abstraktes Konzept («die Asylempfänger»), nicht für Einzelfälle («der Heiri»).
    ich habe es so aufgefasst, dass es um empathie gegenüber einzelfällen geht. auf dieser persönlichen ebene glaub ich nicht an unterschiede zwischen rechten und linken (studien, die das empfinden auf dieser persönlichen ebene adäquat erfassen, dürften schwer zu finden sein).

    gegen die aussage, rechte fühlten bei der diskussion über abstrakte gruppen (z.b. «die asylbewerber») weniger mit als linke, habe ich nichts einzuwenden. sobald man über personengruppen spricht, die man nicht persönlich kennt, befindet man sich m.e. auf der politischen ebene. wenn es sich auch in studien und nicht nur in meiner erfahrung bestätigt, dass auf dieser ebene rechte stärker abstrahieren (und weniger mitfühlen), erachte ich meine erfahrungen als bestätigt (und damit als objektives argument auch für künftige diskussionen;-).

  17. studien
    > studien, die das empfinden auf dieser persönlichen ebene adäquat erfassen, dürften schwer zu finden sein
    hast du welche gesucht, oder ist das einfach eine weitere behauptung? 😛

    > sobald man über personengruppen spricht, die man nicht persönlich kennt, befindet man sich m.e. auf der politischen ebene. wenn es sich auch in studien und nicht nur in meiner erfahrung bestätigt, dass auf dieser ebene rechte stärker abstrahieren (und weniger mitfühlen), erachte ich meine erfahrungen als bestätigt (und damit als objektives argument auch für künftige diskussionen.
    Aber die Studien scheinen das Gegenteil davon zu indizieren. Hast du irgendwelche Studien gefunden, die deine Meinung stützen?

  18. Abstraction
    > wenn es sich auch in studien und nicht nur in meiner erfahrung bestätigt, dass auf dieser ebene rechte stärker abstrahieren (und weniger mitfühlen), erachte ich meine erfahrungen als bestätigt (und damit als objektives argument auch für künftige diskussionen.
    Okay, ich hab darüber nachgedacht, und dieser Satz erklärt sehr vieles. Du implizierst, dass «Abstraktion» und «Empathie» Gegensätze sind; laut deiner Logik muss eine Abstraktion zwingend die eigentlich betroffenen Menschen ausschliessen. Aber was bedeutet das Wort «Abstraktion»?
    > Abstraction is the process or result of generalization by reducing the information content of a concept or an observable phenomenon, typically to retain only information which is relevant for a particular purpose.
    Für eine Person die wenig Empathie empfindet sind die betroffenen Menschen im Bezug aufs Asylwesen nicht relevant. Relevant ist, ob man selber Asylanten sieht, und wie viel das Asylwesen kostet.

    Ein «Rechter» ist daher der Ansicht, dass ein «Linker» nicht abstraktionsfähig ist weil er die Menschen in seine Abstraktion mit einbezieht. Diese Ansicht ist enorm subjektiv; sie resultiert nicht aus einer realistischen, objektiven Betrachtung der Umwelt, sondern scheint eine direkte subjektive Folge der mangelnden Empathie zu sein. Du schliesst die betroffenen Menschen nicht deshalb aus weil sie irrelevant sind (schliesslich haben wir ein Asylwesen nur wegen einem einzigen Grund: wegen den betroffenen Menschen – diese Menschen auszuschliessen ist daher objektiv betrachtet sinnlos, weil sie derprimäre relevante Faktor für das Asylwesen sind), sondern weil du selber wenig oder keine Empathie für sie empfindest.

  19. noch vöre, noch hendre, noch rächts, noch links…
    >Du implizierst, dass «Abstraktion» und «Empathie» Gegensätze sind; laut deiner Logik muss eine Abstraktion zwingend die eigentlich betroffenen Menschen ausschliessen.
    mit «abstraktion» meine ich nicht, die menschen aus der argumentation auszuschliessen (was tatsächlich sinnlos wäre). ich meine, das mitfühlen bei politischen entscheiden weitgehend auszublenden, um nicht den blick auf die sachzusammenhänge zu verdecken. das heisst nicht, dass ich mich nicht in asylbewerber hineinfühlen kann, bei abstimmungen versuche ich jedoch, diese gefühle weitgehend auszublenden, damit sie mir einen rationalen entscheid nicht verunmöglichen.

    im übrigen scheint mir dieses ausschliessliche links-rechts-denken einmal mehr nicht hilfreich (wenigstens die dimension liberal-konservativ muss auch miteinbezogen werden).

  20. Liberal-Konservativ-Links-Rechts
    > mit «abstraktion» meine ich nicht, die menschen aus der argumentation auszuschliessen (was tatsächlich sinnlos wäre). ich meine, das mitfühlen bei politischen entscheiden weitgehend auszublenden, um nicht den blick auf die sachzusammenhänge zu verdecken.
    Aber das Asylwesen besteht nur aus einem einzigen Grund: Weil wir Menschen helfen wollen. Es macht überhaupt keinen Sinn bei den Entscheidungen in diesem Bereich «das Mitfühlen auszublenden». Das ist das Gegenteil von rational.

    >das heisst nicht, dass ich mich nicht in asylbewerber hineinfühlen kann, bei abstimmungen versuche ich jedoch, diese gefühle weitgehend auszublenden, damit sie mir einen rationalen entscheid nicht verunmöglichen.
    Ich sehe die Wörter, aber der Sinn bleibt mir verborgen. Was genau gewinnst du, indem du Gefühle ignorierst wenn es um einen Bereich geht dessen einziges Ziel es ist Menschen zu helfen? Does not compute 🙂

    Erklär mir doch mal welche Gedankengänge du so hast wenn du das Asylwesen «rational» betrachtest.

    >im übrigen scheint mir dieses ausschliessliche links-rechts-denken einmal mehr nicht hilfreich
    Weshalb nicht? Das Links-Rechts-Schema ist die hauptsächliche Dimension nach der Menschen ihre politische Meinung definieren, und Studien zeigen dass es zwischen «Linken» und «Rechten» tatsächliche enorme messbare Unterschiede gibt.

    Wie begründest du deine Behauptung dass Links-Rechts-Denken nicht hilfreich ist?

    > (wenigstens die dimension liberal-konservativ muss auch miteinbezogen werden).
    *Das* ist meiner Meinung nach keine hilfreiche Unterscheidung. Menschen sind nicht «liberal» oder «konservativ», sonst würden die Grünliberalen (Grün = konservativ, liberal = liberal?) und die FDP (die wahrscheinlich unliberalste Partei der Schweiz, die gleichzeitig die Liberalität im Namen trägt) in einer Explosion von Unlogik implodieren 🙂

  21. rational
    sonst würden die Grünliberalen und die FDP in einer Explosion von Unlogik implodieren.
    das musste ich einfach zitieren. super. 🙂

    im begriff «rational» liegt wohl mehr deutungsvielfalt, als man annehmen könnte. übersetzt man ihn mit «nutzenmaximierend», könnte man im zusammenhang mit dem asylwesen zum schluss kommen, dass dies eine nicht rationale weil altruistische angelegenheit sei. aber könnte es langfristig dem staat, der flüchtlingen asyl gewährt, nicht auch helfen, dass er das getan hat? in der definition des homo oeconomicus ist zwar stets von kurzfristigem nutzen die rede. aber inzwischen weiss man aus diversen spieltheoretischen experimenten, dass der mensch eben nicht so funktioniert. er ist durchaus in der lage, auch langfristige nutzenabwägungen in seinen entscheidungsprozess einzubeziehen. ebenfalls ist der altruismus (zum glück) ein teil von uns allen. es ist also nicht mehr als menschlich, verfolgten menschen asyl zu gewähren.

    insofern halte ich das:

    ich meine, das mitfühlen bei politischen entscheiden weitgehend auszublenden, um nicht den blick auf die sachzusammenhänge zu verdecken.

    für relativ gefährlich. ausserdem ist dieses denken von einer gewissen arroganz geprägt, da man selber von beginn weg ausschliesst, dass man sich selbst je in einer solchen situation wiederfinden könnte. und hier könnte man natürlich die brücke zu rawls schlagen… viel vergnügen. 🙂

  22. profitables asylwesen
    > aber könnte es langfristig dem staat, der flüchtlingen asyl gewährt, nicht auch helfen, dass er das getan hat?
    kann sein, aber das ist nicht der primäre grund für den unterhalt eines asylwesens.

    bei anderen sozialen institutionen (z.b. sozialhilfe, IV) ist der gesellschaftliche vorteil offensichtlich (zumindest für rational denkende menschen, wobei «die rechten» hier definitiv nicht zu dieser gruppe gehören und am liebsten möchten dass all diese menschen als bettler auf der strasse landen, was für die schweiz sicher einriesiger vorteil wäre), aber beim asylwesen ist es schwieriger, einen gesellschaftlichen vorteil zu quantifizieren – obwohl er sicher vorhanden ist. so für das asylwesen zu argumentieren scheint mir deshalb problematisch.

  23. asylmafia
    aber könnte es langfristig dem staat, der flüchtlingen asyl gewährt, nicht auch helfen, dass er das getan hat?

    kann sein, aber das ist nicht der primäre grund für den unterhalt eines asylwesens.

    das ist klar. und ich wollte mit dieser frage auch nicht auf den von rechter seite oft vorgebrachten vorwurf, es gäbe eine «asylmafia» unterstützen. aber flüchtlinge aufzunehmen kann ein vorgang sein, der das internationale system stabilisiert. davon profitiert dann letztendlich jedes land.

  24. Asylmafia
    Falls mit der Asylmafia der organisierte Menschenhandel mit Asylanten gemeint ist: Natürlich gibt es das. Das Problem an den Schiebern aufzuhängen ist aber irrational, weil sie bloss ein Symptom sind und weil es unmöglich ist, sie effektiv direkt zu bekämpfen.

    Das ist aber der typisch irrationale Modus Operandi «der Rechten». Diese Symptombekämpfung sieht man auch in anderen Situationen sieht (z.B. beim Drogenmissbrauch, wo man am liebsten alle Dealer und Drogensüchtigen in den Knast schmeissen würde). Don Quijote lässt grüssen.

  25. menschenhandel
    Falls mit der Asylmafia der organisierte Menschenhandel mit Asylanten gemeint ist: Natürlich gibt es das. Das Problem an den Schiebern aufzuhängen ist aber irrational, weil sie bloss ein Symptom sind und weil es unmöglich ist, sie effektiv direkt zu bekämpfen.
    nein, das ist nicht gemeint. gemeint ist, dass von rechter seite der vorwurf kommt, es würde den linken parteien auf irgenwelche abstruse weise helfen, wenn asylanten aufgenommen werden. frag mich nicht wie.

  26. projektion
    >nein, das ist nicht gemeint. gemeint ist, dass von rechter seite der vorwurf kommt, es würde den linken parteien auf irgenwelche abstruse weise helfen, wenn asylanten aufgenommen werden. frag mich nicht wie.
    ah ja, das ist typische projektion. da «rechte» weniger empathie empfinden sind sie selber sehr stark von egoismus motiviert. logischerweise schliessen sie daraus, dass alle menschen gleich motiviert sind wie sie und hauptsächlich egoistisch handeln. Ergo, wenn es keine offensichtliche profit-komponente gibt muss eine erfunden werden.

    oder anders gesagt, weil ein «rechter» nichts tut ohne damit profit zu machen geht er davon aus dass «die linken» irgend ein verstecktes profitmotiv haben müssen wenn sie etwas altruistisches fordern.

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