botellón

ich gebe es gerne zu: das wort botellón habe ich heute morgen zum ersten mal gelesen. locker flockig übersetzt heisst es wohl nicht viel mehr alsgrosse /flasche./ in spanien steht der ausdruck für sauffeste, die primär von 16 – 24-jährigen besucht werden. die älteren dürfen in die clubs und besaufen sich dann wohl dort. ein botellón findet bevorzugt am strand statt und umfasst schnell einmal ein paar tausend leute. organisiert wird die geschichte per sms oder im aktuellen fall von zürich: per facebook.

ein 17-jähriger kv-stift hat dazu aufgerufen, inzwischen haben sich weit mehr als 4000 personen «angemeldet». offensichtlich ist die nachfrage nach dem massenbesäufnis auf der chinawiese sehr gross. wie man in nzz und tagi lesen kann, will die zürcher polizeivorsteherin esther maurer den anlass verhindern.

dass ein solches «fest» enorme mengen abfall, einige ungewünschte schwangerschaften und zahlreiche alkoholvergiftungen nach sich zieht dürfte klar sein. die frage ist aber, ob das auch reicht, um die sache zu verbieten. was ist mit anderen grossanlässen? schwingfest, jodlerfest, fussballspiel, street parade, openair, fasnacht? sind das nicht irgendwie auch organisierte kollektive besäufnisse? es wäre doch etwas gar scheinheillig, die jungen alkvertilger für die ganze sauerei verantwortlich zu machen.

das problem liegt doch irgendwie woanders. schliesslich tolerieren wir seit einigen jahren, dass sich im sommer unzählige partyjünger auf den strassen und an den seen regelrecht einsaufen. mit sixpack und vodkaflasche wird umher spaziert, was mich immer schnell an die süchtigen vom stadelhofen denken lässt. doch das partyvolk setzt sich keineswegs nur aus heranwachsenden zusammen. kein wunder, ist doch der alkoholkonsum in unseren breitengraden seit jahrhunderten etabliert. nicht dass diese eine entschuldigung wäre, aber das argument «das haben die früher ja auch schon gemacht» überdeckt wohl manch schlechtes gewissen.

in der schweiz schreit man in solchen fällen sofort nach einem ausgangsverbot für jugendliche. wohl wissend, dass man selbst besagtes alter längst überschritten hat, kann man sich selbst mit gutem gewissen in der beiz bier um bier in den rachen kippen. ausgangsverbote und auch das verbot des botellón von zürich ändern nichts an der situation. gut möglich, dass sie für einige die attraktivität des «saufens» nur weiter steigern. auch wenn jetzt viele aufschreien werden, gibt es nur einen sinnvollen und auch einfachen weg, den übermässigen alkoholkosnum der bevölkerung einzudämmen.

– bier und ähnliche alkoholhaltige getränke dürfen im laden nicht mehr so abartig billig verkauft werden. es muss ein massiver preisunterschied zu nicht-alkoholischen getränken bestehen.
– wer alkohol kauft, muss mindestens 18 jahre alt sein, die ausweiskontrolle ist für alle pflicht, auch wenn jemand aussieht wie 40.

das wichtigste und gleichzeitig schwerste ist aber ein kleinerer gesellschaftlicher wandel. solange cool ist, wer möglichst viel trinkt, helfen die massnahmen rein gar nichts. solange man in einer männerrunde schräg angeguckt wird, weil man kein bier trinkt, werden sich die jungs mit beschränktem selbstvertrauen weiterhin betrinken ohne es wirklich zu wollen.

kurz: ein alkoholisches getränk sollte ein genussmittel sein, welches in kleinen mengen konsumiert wird, wenn man wirklich lust darauf hat. im übrigen gibt es ja auch keine heimische bierindustrie mehr, die es zu schützen gilt…

13 Antworten auf „botellón“

  1. Durst nach mehr
    Ich, ein bekennender Rauschtrinker, denke dass Problem ist gesellschaftlich bedingt und vielfältig. Eltern die keine Zeit für Erziehung habe, überfordert sind, Medien, welche Winhouse und Doherty und deren Exzesse pushen, steigender Leistungsdruck auf die Jugendlichen, da ist das Beschaffen des Alkohols nur am Ende dieses Rattenschwanzes.

    lic phil. troxi

  2. ende oder anfang?
    also erst einmal eine persönliche frage: wenn Du Dich schon selbst als rauschtrinker bezeichnest, würde das denn heissen, dass Deine eltern keine zeit für Dich hatten und mit Deiner erziehung überfordert waren???

    dann natürlich die medien. an allem sind ja irgendwie die medien schuld. ich bin noch immer der meinung, dass die medien eben das bringen, was die leute lesen wollen. und ganz ehrlich: inmeiner zeitung werden winehouse und doherty nicht gepusht. allerdings stelle ich mit schrecken fest, wie viele denkende menschen sich täglich 20min, blick und co. antun.

    es stimmt, es werden immer höhere leistungen von den jugendlichen erwartet. aber: ausbildung und werkzeug werden ebenfalls besser. da scheint es mir nur logisch, dass auch die leistungen an qualität zunehmen müssen.

    für Dich mag der alkohol am ende des rattenschwanzes sein. für mich ist er eben auch der anfang. oder willst Du mir sagen, dass all die rauschtrinker nur wegen der achso schlimmen welt saufen? ist es nicht mehr das vergnügen, das im mittelpunkt steht, saufen des saufens wegen?

  3. alpha oder omega?
    >was ist mit anderen grossanlässen? schwingfest, jodlerfest, fussballspiel, street parade, openair, fasnacht? sind das nicht irgendwie auch organisierte kollektive besäufnisse? es wäre doch etwas gar scheinheillig, die jungen alkvertilger für die ganze sauerei verantwortlich zu machen.
    andere grossanlässe sind normalerweise angekündigt und genehmigt, und die veranstalter übernehmen die kosten für sicherheit und aufräumerei (wenigstens teilweise, ganz nach verursacherprinzip ists natürlich nie).

    andere grossanlässe werden also bereits für die sauerei, die sie verursachen, verantwortlich gemacht. damit wäre es scheinheilig, wenn man selbiges hiernicht tun würde.

    ansonsten bin ich mit deiner (und auch troxis) analyse einverstanden. alkohol ist die gesellschaftlich gesehen schlimmste droge. dass alkoholische getränke so billig sind und das zielpublikum oft minderjährig ist despektierlich und verantwortungslos. zudem leben wir in einer langweiligen, sicherheitsorientierten gesellschaft, und sie wird immer langweiliger. die welt ist nicht schlimm, sie ist bloss unerträglich öde (das erinnert mich an die miss-züri-kandidatin, die noch nie eine kuh gesehen hat). wenn du dein ganzes leben in züri verbringst, zwischen arbeitsplatz, fitnesscenter, beautysalon und ausgangsfabrik, dann musst du ja früher oder später beinahe zwangsläufig alkoholabhängig werden; alkohol ist eine willkommene abwechslung zum drögen stadtleben.

    >an allem sind ja irgendwie die medien schuld. ich bin noch immer der meinung, dass die medien eben das bringen, was die leute lesen wollen
    ich sehe nicht, wie zweiteres ersteres widerlegt. geldgewinn rechtfertigt unethisches verhalten nicht, weder bei den zeitungen noch beim alkoholverkauf.

  4. medien
    an allem sind ja irgendwie die medien schuld. ich bin noch immer der meinung, dass die medien eben das bringen, was die leute lesen wollen

    ich sehe nicht, wie zweiteres ersteres widerlegt. geldgewinn rechtfertigt unethisches verhalten nicht, weder bei den zeitungen noch beim alkoholverkauf.

    Du hast natürlich recht. mich nervt einfach die fixierung auf die medien. würden all die menschen, die sich täglich über die berichterstattung des blick aufregen endlich mal aufhören denselben zu kaufen und zu lesen, wäre schon ein erster schritt getan. der zweite schritt wäre dann der umstieg auf eine vernünftige zeitung oder seriöse internetnewsquellen.

  5. stadt vs. land
    alkohol ist eine willkommene abwechslung zum drögen stadtleben.
    Deine argumentation klingt irgendwie logisch. aber: was ist dann mit der landbevölkerung? es ist ja nicht so, dass auf dem land nicht gesoffen würde.

    andere grossanlässe werden also bereits für die sauerei, die sie verursachen, verantwortlich gemacht. damit wäre es scheinheilig, wenn man selbiges hier nicht tun würde.

    ja, da hast Du recht. ich habe mich da vielleicht unpräzise ausgedrückt. mit sauerei war eigentlich weniger der abfallberg und co. denn die veranstaltung an sich gemeint. ich wollte irgendwie zum ausdruck bringen, dass es diese sauffeste (wenn auch mit kleinen vorwänden) im prinzip längst schon gibt.

  6. stats
    >würden all die menschen, die sich täglich über die berichterstattung des blick aufregen endlich mal aufhören denselben zu kaufen und zu lesen, wäre schon ein erster schritt getan
    ich vermute mal, die schnittmenge zwischen diesen zwei gruppen ist nichtso gross 🙂

    >was ist dann mit der landbevölkerung? es ist ja nicht so, dass auf dem land nicht gesoffen würde.
    ich glaube, binge drinking ist eher ein stadtphänomen. gibts statistiken?

  7. blick
    würden all die menschen, die sich täglich über die berichterstattung des blick aufregen endlich mal aufhören denselben zu kaufen und zu lesen, wäre schon ein erster schritt getan

    ich vermute mal, die schnittmenge zwischen diesen zwei gruppen ist nicht so gross 🙂

    da halte ich dagegen. nur schade, dass es verdammt schwer sein dürfte, das herauszufinden…
    statistiken zu binge drinking. hardman? als empirischen ausflug kannst Du ja z.b. mal das maifest besuchen.

  8. anekdoten 🙂
    >>ich vermute mal, die schnittmenge zwischen diesen zwei gruppen ist nicht so gross 🙂
    >da halte ich dagegen. nur schade, dass es verdammt schwer sein dürfte, das herauszufinden…
    jup, womit wir bei den anekdoten sind. ich kenne nur einen bekennenden blick-leser, und der verteidigt den blick. alle blick-verachter die ich kenne sind tagi- oder nzz-leser.

    >statistiken zu binge drinking. hardman? als empirischen ausflug kannst Du ja z.b. mal das maifest besuchen.
    hardman ist übrigens auch gleich mein indizbeweis dafür, dass ein langweiliges, sinnloses leben zu alkoholkonsum führt 😛

  9. Rondo Carnevale 30.08.2008
    Bin ja gespannt, ob es mal ein Botellon bei uns in der Nähe gibt. Bin gespannt, ob jemand was organisiert (siehe oben). Schaden würde es nicht.

  10. an allem schuld ist nur der fortschritt
    > auch auf dem land wollen sie sinnlos saufen
    die sollten lieber ihre kühe melken und ihre felder mähen oder so. wenn wir keine traktoren erfunden hätten, hätten die jetzt besseres zu tun als sich zu besaufen. blöder fortschritt!

  11. demosaufen
    alkohol als treibstoff für motoren oder als reinigungsmittel ist ok.
    alkohol brennt, explodiert, desinfiziert.

    alkohol als getränk ist problematisch.
    bis 1 glas ist er genuss, ab 2 glas ertränkt er
    den alltagsfrust.

    wer etwas anderes behauptet ist angesäuselt.
    oder schon gefährlich abhängig wie alle,
    die das alktrinken als tabuisierte sozialübung
    (zäme eis näh, auf x was anstossen etc.) pflegen.

    botellon auf dem bundesplatz?

    wie wär’s mit einem nationalen motocross auf dem rütli, einem demosaufen auf der autobahnbrücke oder einem
    giraffenbumsen im zoologischen garten?

    plosit.

  12. Bantallon
    Früher hat man sich 10-20 Personen bei einer Waldhütte getroffen. Jeder hat etwas zu Trinken (und zum Essen) mitgebracht.

    Heute sind es nach dem spanischen Vorbild halt mehrere hundert oder tausend Personen. Doch der Gedanke vom zusammen etwas trinken und feiern ist nicht neu. Ausserdem muss man sich ja nicht ins Koma saufen.

    Man muss die Grenzen des eigenen Alkoholkonsum kennen. Wo man zuammen trinkt, ob in einer Beiz, beim Fussball-Spiel, zuhause, in der Waldhütte, sonst wo, oder eben bei einem Bantallon spielt ja schliesslich keine Rolle. Schön wäre aber, wenn die Organisatoren mobile Klos und entsprechend die Abfallentsorgung organisieren würden.

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