tagesanzeiger greift blocher an

Blochers Mühe, zur Wahrheit und zu eigenen Fehlern zu stehen

Blochers Falschaussage vor dem Ständerat ist kein Einzelfall: Er hat schon öfter Unwahrheiten behauptet. Doch entschuldigt hat er sich dafür noch nie. Und der Bundesrat hat ihn gedeckt.

Von Bruno Vanoni, Bern
Was die Videoaufnahme auf der Homepage des eigenen Departementes aufzeigt, hat Bundesrat Christoph Blocher letzte Woche vor dem Ständerat geleugnet: Er habe die beiden Albaner, die von obersten Schweizer Gerichten in Schutz genommen worden waren, in seiner Albisgüetli- Rede nie als « Kriminelle » bezeichnet ( TA von Dienstag). Auf Grund der offenkundigen Falschaussage hat nun auch Ständeratspräsident Rolf Büttiker eine Entschuldigung des Justizministers verlangt: « Blocher muss die Sache jetzt in Ordnung bringen » , zitiert ihn der « Blick » . « Dann können wir die Sache abhaken. »

Flüchtling aus Burma verunglimpft
Doch so einfach lässt sich « die Sache » nicht erledigen. Denn auf Grund von Aufsichtseingaben muss nun eine Subkommission des Ständerats das Fehlverhalten Blochers untersuchen. Tut sie dies gründlich, wird sie auf andere Falschaussagen stossen, die der Justizminister nie korrigiert oder gar bedauert hat – obwohl er Gelegenheit dazu gehabt hätte.

So hat sich Christoph Blocher gerade erst Anfang Monat geweigert, sich für die irreführenden Bemerkungen zu einem nach Burma ausgeschafften Flüchtling zu entschuldigen: Stanley Van Tha war nach der Zwangsrückführung durch Schweizer Polizisten in der international geächteten Militärdiktatur zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt worden – wegen politischer Betätigung, illegaler Ausreise und der blossen Tatsache, dass er in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt hatte. Dieses Urteil war im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement ( EJPD) bekannt, als Blocher vor Jahresfrist im Nationalrat mutmasste, der Ausgeschaffte sitze möglicherweise « wegen Diebstahl oder so was » in Burmas Kerkern. Obwohl der Gesamtbundesrat daraufhin gegenüber dem Parlament das politisch motivierte Urteil darlegte, schürte Christoph Blocher Anfang März an einer Medienkonferenz neue Zweifel: « Wir wissen immer noch nicht genau, warum er verurteilt worden ist. » Den Dokumentarfilm des Schweizer Fernsehens, der die verheerende Ausschaffung rekonstruierte, tat der Justizminister kurzerhand als « Propagandaaktion für die Asylabstimmung » ab.

Keine Korrektur und schon gar keine Entschuldigung gab es auch zu einer Falschaussage, die Blocher zum Nationalfonds- Forschungsprogramm zu den Apartheid- Beziehungen gemacht hatte. Er hatte in den 80er- Jahren die Arbeitsgruppe südliches Afrika präsidiert, die Prominentenbesuche im international geächteten Südafrika organisierte. Dass diese Kontakte dort als wichtig eingestuft wurden, geht aus südafrikanischen Geheimdienstakten hervor, die der Historiker Peter Hug fand.

Südafrika- Forscher diskreditiert
Blocher unterstellte der Studie im letzten Dezember in einem Zeitungsinterview, sie habe ihm Gespräche mit dem Apartheid- Geheimdienst vorgeworfen, die gar nie stattgefunden hätten. Er kenne « jene Person nicht, mit welcher ich gemäss diesem Bericht hätte gesprochen haben sollen » , sagte Blocher und zog die Seriosität von Hugs Studie pauschal in Zweifel: Die einzige Passage zu seiner Person sei « so mangelhaft, dass ich annehmen muss, dass andere Passagen in der Studie auch falsch sind » .

In der Zeitung « Südostschweiz » konnte der angegriffene Historiker nach Erscheinen des Interviews klarstellen, er habe nie behauptet, Blocher habe solche Gespräche selber geführt. Doch auf der Homepage von Blochers Departement, auf der das Interview mit Blochers Falschaussage nach wie vor zu lesen ist, blieb ihm die angestrebte Klarstellung verwehrt. Blochers Informationschef Livio Zanolari fand es nicht nötig, die EJPD- Homepage mit Hugs Widerspruch zu ergänzen. Der Historiker ist nicht der Einzige, der eine ehrenrührige Falschaussage Blochers hinnehmen muss.

FDP- Politiker des Filzes bezichtigt
Vor zwei Jahren hatte es der Gesamtbundesrat abgelehnt, eine Ehrverletzungsklage des Zürcher FDP- Politikers Jean- Jacques Bertschi zuzulassen. Gegen diesen hatte Blocher noch als Nationalrat einen Filz- Vorwurf erhoben, der von den Zürcher Behörden widerlegt wurde. Die Landesregierung befand damals, die « ungestörte Ausübung » des Bundesratsmandats müsse Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung haben. Die Falschaussagen, die Blocher als Justizminister seither machte, wurden von der Kollegialregierung nie gerügt.

quelle: «Tages-Anzeiger» vom 29.3.2006, Seite 2

Zur Aufregung um die Albisgüetlirede 2006

Medienmitteilungen, EJPD, 29.03.2006
Bern, 29.03.06. Statement von Bundesrat Christoph Blocher: «Es geht um eine kurze Passage in meiner Albisgüetlirede 2006. In der schriftlichen Fassung wurden zwei Albaner korrekterweise als schwerer Verbrechen Angeklagte bezeichnet. In der mündlichen Fassung habe ich an einer einzigen Stelle statt von mutmasslichen Kriminellen, von Kriminellen gesprochen. Das war ein Fehler, der mir leid tut. Es war ein sprachliches Versehen. Nie war es meine Absicht, die Albaner als verurteilte Kriminelle hinzustellen.»

quelle: ejpd

Eine Antwort auf „tagesanzeiger greift blocher an“

Schreiben Sie einen Kommentar zu mbl Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.