kokain legalisiert – in st.moritz

Hohe Kokain- Werte in St. Moritz
Das Oberengadin scheint ein Koks- Mekka zu sein – zumindest über die Weihnachtstage. Doch das kümmert die Bündner Polizei wenig.

St. Moritz. – In St. Moritz lässt sich nicht nur teuer übernachten und gediegen essen. Der mondäne Touristenort zieht auch Kokainkonsumenten an. Das belegen Messungen des Nürnberger Professors Fritz Sörgel im Auftrag des Schweizer Fernsehens.

Das Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung ( IBMP) hat am 29. und 30. Dezember bei der Kläranlage Celerina insgesamt 14 Wasserproben genommen und auf Benzoylecgonin untersucht. Dabei handelt es sich um ein Abbauprodukt von Kokain, das nach dem Konsum im menschlichen Körper entsteht. Jeder Kokser, der seine Notdurft auf der Toilette erledigt, hinterlässt also eine chemische Spur. Und das Total dieser Spuren lässt sich in Kläranlagen und Flüssen messen. So hat Sörgel schon für manche Stadt den Kokainkonsum berechnet. Doch selten fielen die Werte derart hoch aus wie Ende Dezember im Oberengadin. Laut dem Nürnberger Professor wurden in St. Moritz, Celerina und Pontresina insgesamt 1400 Linien pro Tag konsumiert. Auf 1000 Personen im Alter von 20 bis 59 Jahren umgerechnet, macht das 46 Linien.

Würde also jeder Konsument pro Tag nur eine Linie reinziehen, hätte jeder Zwanzigste gekokst.

Koks auf WC- Rollen- Halter
Hanspeter Danuser, Kurdirektor von St. Moritz, erstaunt das nicht: « Zwischen Weihnachten und Neujahr haben wir hier viele Zürcher, Mailänder und Leute aus New York. Es ist doch klar, dass diese ihre heimischen Usanzen nicht unterbrechen, sondern sie allenfalls noch ausbauen. » Ausserhalb der Hochsaison sei es im Oberengadin aber « idyllisch » . Es gebe kein hausgemachtes Drogenproblem, betont Danuser. Über die Weihnachtstage ist dagegen alles anders. « Es kommt eben eine ganz spezifische Schicht nach St. Moritz » , weiss der Kurdirektor. « Und es ist bekannt, dass diese nicht nur Zigaretten raucht. » In der Tat. Bei Proben in einschlägigen Klubs stellte Sörgel besonders hohe Kokainwerte fest. So blieben beim Abwischen des WCRollen- Halters auf der Herren- Toilette im Diamond- Klub 98,8 Mikrogramm Kokain hängen – etwas mehr als in russischen Nachtklubs.

Die Bündner Polizei kümmern diese Zahlen, welche die Fernsehsendung « 10 vor 10 » gestern publik machte, wenig. « Unsere Fachleute sind sehr skeptisch gegenüber der Wissenschaftlichkeit dieser Messungen » , sagt Alois Hafner, Infochef der Kantonspolizei. Deswegen werde man in St. Moritz kaum energischer gegen den Kokainkonsum vorgehen. « Dafür fehlen uns die personellen Mittel. » Von Razzien hält man bei der Bündner Kantonspolizei generell wenig. Diese seien zwar medienwirksam, aber wenig effizient, findet Hafner. « Wir haben in den letzten Jahren keine Razzien mehr gemacht. »

Feinstaub sei schlimmer
Das ist ganz im Sinn von Kurdirektor Danuser: « Wir haben ja keine offene Drogenszene in St. Moritz » , gibt er zu bedenken. Der Konsum finde privat und diskret statt; da werde niemand gestört. « Verglichen mit dem Feinstaub im Mittelland, ist das kein Problem. » Etwas kritischer schätzt der St. Moritzer Gemeindepräsident, Peter Barth, die Situation ein. Die Messresultate seien « nicht gut » .

Man werde dem nachgehen. Es handle sich hier um ein gesellschaftliches Problem, das man nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe.

«Tages-Anzeiger» vom 20.1.2006, Seite 14

16 Antworten auf „kokain legalisiert – in st.moritz“

  1. ist es doch
    der st.moritzer kurdirektor danuser wagt sogar einen komischen vergleich mit dem unterländischen feinstaub-problem. dieses sei ja viel schlimmer. ähm, nein. ist es nicht.
    natürlich ist das feinstaub-problem viel schlimmer als die st. moritzer kokser. wegen denen kriege ich nämlich keinen lungenkrebs. das ändert natürlich nichts daran, dass der vergleich nicht nur seltsam, sondern auch völlig sinnfrei ist.

  2. coci
    «Verglichen mit dem Feinstaub im Mittelland, ist das kein Problem.»

    ändert natürlich nichts daran, dass der vergleich nicht nur seltsam, sondern auch völlig sinnfrei ist.

    Falsch. Der Vergleich ist eine Aufforderung zum Sinnvollen Einsatz der staatlichen Ressourcen. Er meint sinngemäss, dass man sich besser um das Feinstaub-Problem im Mittelland kümmern soll (das ist ein echtes Problem), als um die Kokser in St. Moritz, von denen LKM  richtig erkannt  keinen Lungenkrebs bekommt (und die ja niemanden stören).

    Gleichzeitig macht er in dieser Aussage auch noch gerade etwas Schleichwerbung für die gute Luft im Bündnerland. So hat er die unnötige Publizität der Medien gerade noch sinnvoll für seinen Ferienort genutzt. Die Medien schnuppern im Kokainkonsum nämlich die grosse, böse, westliche Sünde Nr. 1. Zudem verkaufen sich Geschichten über Koks wohl gut.

    Celerina?Ende Dezember?

    Da war ich doch 😛

  3. doch sinnfrei
    es macht objektiv betrachtet keinen sinn, ein gesetz nicht durchzusetzen, nur weil es noch schlimmere probleme gibt. mit diesem vorwand könnte man auf gesetze gleich ganz verzichten.

  4. stimmt
    und einmal mehr hat hardman da eine lustige ansicht. aber selbst wenn die autobahn leer ist und es nachts um 3:00 ist… die tempobegrenzung liegt bei 120. und kokain bleibt verboten.

    ausserdem sehe ich nicht ein, wieso gesetze für touristen nicht gelten sollen.

    weiter glaube ich gelesen zu haben, dass die st.moritzer luft im gegenteil überhaupt nicht gesund ist. die verschmutzung liegt bei den schadstoffen durchaus in unterländerbereichen.

  5. Gesetzesabbau
    mit diesem vorwand könnte man auf gesetze gleich ganz verzichten.
    Bürgerliche Politiker votieren meist dafür, unnötige Gesetze abzubauen, während Leute, die die Bedeutung des Staates hoch bewerten, immer mehr regulative Eingriffe und mehr Gesetze fordern. Weiter ist es eine liberale Grundhaltung, möglichst grosse Freiheiten zu gewähren und die Bürger wenig einzuschränken.

    aber selbst wenn die autobahn leer ist und es nachts um 3:00 ist… die tempobegrenzung liegt bei 120.

    Eine Auflockerung dieser Bestimmung ist in der Praxis schwierig realisierbar. Deshalb macht man es nicht. Nicht weil es nicht sinnvoll wäre.

  6. nicht ganz
    Bürgerliche Politiker votieren meist dafür, unnötige Gesetze abzubauen, während Leute, die die Bedeutung des Staates hoch bewerten, immer mehr regulative Eingriffe und mehr Gesetze fordern.
    das ist eine naïve und vorurteilsbehaftete darstellung der dinge. erstens sind es genau die bürgerlichen politiker, die für harte drogengesetze (und übrigens meist gegen gesetze, die sich der feinstaub-problematik annehmen würde) sind, also stimmt deine aussage in diesem fall schon mal nicht. zweitens sind gesetze dazu da, die schwachen vor den starken zu beschützen. dass die starken (arbeitgeber, reiche) für weniger gesetze sind ist klar, weil sie von den gesetzen nicht profitieren, sondern nur eingeschränkt werden. ich bezweifle, dass das wirklich viel mit einer liberalen grundhaltung zu tun hat. dann würden nämlich alle dinge liberal beurteilt werden. vermutlich viel mehr mit purem egoismus.

  7. Probleme
    Es handle sich hier um ein gesellschaftliches Problem
    In der Tat! Und zwar um das Problem, dass es jetzt schon Spezialisten gibt, die literweise gefiltertes Bisi untersuchen, ob es mikrogrammweise Spuren eines ganz bestimmten Stoffes in sich trägt. Dann auch um das Problem, dass Medien (und nicht Gesundheitsämter) die Auftraggeber sind und ferner um das Problem, dass dies überhaupt wen interessiert!

    Absurd.

  8. fremdthema…
    aber selbst wenn die autobahn leer ist und es nachts um 3:00 ist… die tempobegrenzung liegt bei 120.

    Eine Auflockerung dieser Bestimmung ist in der Praxis schwierig realisierbar. Deshalb macht man es nicht. Nicht weil es nicht sinnvoll wäre.

    wie der titel sagt, hat das eigentlich nichts mit der aktuellen diskussion um kokain zu tun. trotzdem noch mein einwand, hardman. das wäre sehr einfach zu realisieren und ich glaube, in deutschland gibt es solche strecken. schilder aufstellen wo folgendes draufsteht: 130 (5:00 – 0:00)

  9. gesellschaftliches problem
    Es handle sich hier um ein gesellschaftliches Problem

    In der Tat!

    ja und? gesellschaftliche probleme sind oft gegenstand politischer diskussionen. weiter sind die medien auch dazu da, dinge kritisch zu hinterfragen. klar wollen sie damit auflage generieren. deswegen die resultate wegen ihrer unwissenschaftlichkeit zu ignorieren halte ich für kurzsichtig.

    ich halte es sehr wohl für relevant, ob für alle kokser dieselben verbote gelten. es ist die ungleichbehandlung, die mich stört.direkt beeinträchtigen mich die st.moritzer coci-schnüffler natürlich nicht.

  10. gleichbehandlung
    jup… ich würde zu gerne den tag erleben, an dem man die st.-morizer (und zürcher) schicki-micki-drogenleichen gleich behandelt wie die fixer auf der strasse. so mit latexhandschuh und allem.

  11. Medien
    dinge kritisch zu hinterfragen. …deswegen die resultate wegen ihrer unwissenschaftlichkeit zu ignorieren halte ich für kurzsichtig.
    Es geht mehr ums Thema («Ding») an sich als ums Resultat. Wenn die Medien eine Kinderausbeutung aufgreifen oder einen Bestechungsskandal ist das ja noch in Ordnung, aber wenn sie Auflage generieren wollen, indem sie dem Leser sagen, wo wieviel (vom Experten gemessen!) illegale Drogen konsumiert werden und von wem, dann finde ich das mehr als bedenklich. Gibt es keine anderen Themen mehr? Wird die Bevölkerung immer mehr von 20min und Co. eingelullt?

  12. gleichbehandlung
    oder schon nur mal eine razzia in nem kokserclub. mit im winter im tshirt ewig draussen warten, bis man endlich durchsucht wird und so…

  13. 20min
    Gibt es keine anderen Themen mehr? Wird die Bevölkerung immer mehr von 20min und Co. eingelullt?

    erstens: das stand nicht in 20min sondern im tagi. ich schätze den grad an ernsthaftigkeit und relevanz des tagesanzeigers einiges höher ein, als jene von 20min.

    zweitens: selbst wenn das «nur» im blick stehen würde, wäre es deshalb nicht weniger beunruhigend.

    drittens: wenn Du findest, dass illegale drogeneinalterhut sind, dann bist Du wohl ziemlich abgestumpft.

    viertens: welche zeitung liest Du eigentlich?

  14. Eins, zwei und drei
    1. Das weiss ich auch, mir ist sogar, Du habest es hingeschrieben 😉 . Das Problem ist, dass der Tagi, sonst eher mit Niveau, in die Crash’n’Crime Themen abrutscht.
    2. Mich beunruhigt das gar nicht. Diese Menschen sind frei in ihrem Tun. Erst wenn es menschliche Tragödien verursacht, wäre es ein Problem. Diese Konsumenten dort scheinen nicht mal gesundheitlich angeschlagen zu sein, glaubt man der Beschreibung möglicher Konsumenten.
    3. Es geht in dem Artikel nicht um Drogen per se, sondern darum, dass sie offenbar in einem bestimmten Nobelkurort zu einer bestimmten Zeit von einem bestimmten Publikum vermehrt konsumiert werden (und das nun sogar vom Experten bestätigt).
    4. Schon vergessen? Den von der NZZ ferngesteuerte Bund. Problem?

    Amadé, ich hoffe, mich nun etwas präziser ausgedrückt zu haben. Es geht mir nicht um die Drogen an sich, es geht mir um dieses spezielle Thema und wie die Medien es zur Zeit (nach den Messungen in Zürich) auf der Agenda haben. Die Medien scheinen in ihrem Publikum ein Interesse zu orten, das finde ich etwas bedenklich. Vielleicht kann mir jemand erklären, wo genau das Problem ist, dass zu dieser Zeit an diesem Ort viele Leute koksen, ich sehe es nämlich nicht.

  15. interesse
    Die Medien scheinen in ihrem Publikum ein Interesse zu orten, das finde ich etwas bedenklich.

    ähm, ich bin ein (winzig kleiner) teil dieses publikum. und wie Du siehst interessiert mich das durchaus. obwohl: der artikel stammt von der letzten seite des ersten bundes, also von sicherlich am wenigsten seriösen seite des tagi.

    mir geht es auch nicht um die drogen an sich. ich glaube, ich habe es schon mehrmals geschrieben: schlimm finde ich, dass man bei den einen beide augen zudrückt, weil sie reich sind. die anderen werden brutal bestraft. es ist dieses ungleichbehandlung, die ich anprangere.

    mit dem bund hast Du, glaub ich, recht. der gehört inzwischend (2002) auch der berner zeitung. aber so richtig transparent sind diese besitzerverhältnisse irgendwie nicht.

    übrigens verkehre ich selbst regelmässig in diesem nobelkurort. ich störe mich nicht an den superreichen an sich. sonst würde ich nicht dahin fahren. aber wenn für sie andere (keine) gesetze geltung haben, finde ich das nicht in ordnung.

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